Gubener Zeitung

Die Gubener Zeitung, von 1871 bis 1944 kann auf Rollfilm in den Räumlichkeiten der Stadtbibliothek Guben eingesehen werden.

1915

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7. Dezember 1915

Der Jubiläums - Unterhaltungsabend im Volksbildungsverein.

Seinen 100. Unterhaltungsabend konnte der Volksbildungsverein gestern im großen Saale des Schützenhauses veranstalten. Ueber den Zweck der Abende ist bereits in den Vorberichten alles gesagt worden, wir können uns daher darauf beschränken, mitzuteilen, was der gestrige Abend seinen Zuhörern bot. Die Leitung lag in den Händen des Herrn Kantor Klinkott, der den größeren Teil der Spielfolge mit mannigfaltigen, vorzüglich ausgewählten vokalen und instrumentalen Musikdarbietungen belegt hatte. Dabei stellte sich auch wieder heraus, daß der Chorgesang in dem von Herrn Kantor Klinkott geleiteten Kirchenchor der Klosterkirche eine sorgfältige Pflegestätte hat. Mit dem eindrucksvollen Sternschen Chor „Wer unter dem Schirm des Höchsten sitzet "wurde der Abend eröffnet. Im weiteren Verlauf des Abends brachte der Chor  noch das schwierige Chorduett von Grabert: „Festrhymnus“, sowie die zeitgemäßen nationalen Chöre „Hohenzollernlied“ und „Deutschland eins geworden“, letzteres mit Begleitung von Streichinstrumenten, zu Gehör. In schöner Ausdrucksweise sprach Frl. Bohn den von Herrn Reinicke gebildeten Prolog. Hierauf folgte eine Ansprache des Vorsitzenden, Herrn Rektor Menke, der etwa folgendes ausführte:

Der Mittelpunkt unseres ganzen Denkens und Handelns ist zur  Zeit Kaiser und Reich, Krieg und Vaterland, wirtschaftliche Fürsorge und Durchhalten bis zum Ende. Zu Anfang des Krieges erschien allen der bürgerliche Beruf als Nebensache, der Krieg nahm alle Kräfte in Anspruch. Nach und nach führte aber die gemeinsame Not alle zusammen und hat im deutschen Volke ein herrliches Einheitsbewusstsein und Gemeinschaftsgefühl hervorgerufen. In diese Zeit des gewaltigen Völkerringens fällt nun unser 100. Unterhaltungsabend. Welch eine Fülle von Arbeit bergen diese Abende. Vor unserm geistigen Auge sehen wir die Tausende der Zuhörer. Wir sehen im Geiste die vielen willigen Kräfte, die sich der guten Sache freiwillig widmeten. Wir gedenken der Vereine, der Sänger, der Turner, der Vortrags-und Schauspielkünstler, deren Namen unmöglich alle genannt werden können, wenn sie es auch alle reichlich verdient hätten. Wir gedenken auch der Veranstalter die mit unermüdlichen Eifer die  Abende ins Werk setzten;  ferner auch der Presse, die uns in unseren Bestrebungen stets unterstützte. Viele von den Mitwirkenden sind nicht mehr. Bei andern versagen die Kräfte. Eines Mannes müssen wir aber ganz besonders gedenken, der früher an meiner Stelle hier stand und der heute, obwohl er krank ist, mit seinem ganzen Denken bei uns weilt. Herr Geheimrat Dr. Hamdorff entbietet Ihnen seinen Gruß in einem in herzlichen Worten gehaltenen Schreiben.(Der Redner verlas das Schreiben.) Auch der Vorsitzende  der Gesellschaft für Verbreitung von Volksbildung, Prinz Heinrich zu Schoenaich-Garolath, der leider durch die Sitzung der Gesellschaft am Erscheinen behindert war, sendet uns seine Grüße. Namens des Vorstandes sei nochmals allen, die irgendwie an einen Abend zum Gelingen der Veranstaltung beigetragen haben,   herzlich gedankt . Möge jeder in sich das Gefühl tragen,  daß er an seinem Teile an dem großen Ziele der Verständigung unter einander gearbeitet hat. Heute begrüße ich Sie an unserem Festabend und wünsche,  daß uns jetzt und in Zukunft ein Gemeinschaftsgefühl innewohnen möge ähnlich dem der Schützengrabengemeinschaft draußen im Felde. Möge uns der große Wettkampf die dauernde Ueberwindung des Kastengeistes und aller gegenseitigen Verkleinerung sucht bringen. Der größte Sieg ist wohl am 4.August 1914 gefeiert worden, als man sich die Hand reichte unter dem Kaiserwort: „Ich kenne keine Parteien mehr". Dieser Tag scheint mir als großer nationaler Siegestag geeignet zu sein. Da ist das Wort Max von Schenkendorffs erfüllt worden, der vor 100 Jahren dem deutschen Volke zurief: „Doch noch einmal müßt ihr  ringen dann in ernster Geisterschlacht und den letzten Feind bezwingen, der im Innern drohend wacht;  Neid und Argwohn müßt ihr dämpfen, Geiz und Haß und böse Lust, dann nach langen, schweren Kämpfen kannst du ruhen, deutsche Brust."  Wir gebenuns nicht der falschen Meinung hin, als ob jemals die Unterschiede der Menschen beseitigt werden könnten, aber sicher teilen wir die Meinung des bekannten Berliner Professors Harnack, der gesagt hat, daß der Kastengeist im Volke endlich aufhören müsse. Möchte dieser Krieg im Gefolge haben, dass jeder den nächsten nicht nur in der Not, sondern auch in sonnigen Tagen nach seinem Werte einschätzt. Mögen diese Abende der Unterhaltung, der Bildung und der Stärkung des  Volksgemeinschaftsgefühls jetzt und in Zukunft dienen. In diesem Sinne  sind sie gegründet worden, das haben  sie bis jetzt gewollt und so soll es in Zukunft bleiben zum Segen unseres Vaterlandes. Der früher im Landkreise Guben, jetzt in Neukölln beamtete Pfarrer Herr Siebert brachte nach der Begrüßungsansprache mit seinem sympathisch klingenden Bariton einige hübsche Lieder zum Vortrag, von denen Hildachs  „Der Spielmann", wobei sich Herr Kantor Klinkott (Klavier) und Herr Karau (Violine) in der Begleitung bewährten, besonders günstige Aufnahme fand. Mit einigen gut ausgeführten Orchestersätzen war die Kapelle des 2.Ersf.-Batls.  Gren.-Regts. Nr.12 unter Leitung des Herrn Musikleiters Kirmse vertreten. Welche wertvollen Kräfte in ihr schlummern, ließen die Soli „Zigeunerweisen" von Sarasatefür Violine (Herr Karau) und das A-moll -Konzert v. Goltermann für Cello (Herr Schwarz) erkennen. Acht junge Damen, die sich um die Unterhaltungsabende im Volksbildungsverein schon sehr verdient gemacht haben, führten ein allerliebstes und reizend ausgestattetes Singspiel:  "Teekränzchen vor 100 Jahren" auf, mit dem sie die in lautem Beifall ausgedrückte Befriedigung der zahlreichen Zuhörer fanden. Am Dienstag abend soll die Vortragsfolge noch einmal unverkürzt eine Wiedergabe erhalten. Der Beginn ist auf ½8:00 Uhr abends festgesetzt.


9. Dezember 1915

Der Vaterländische Vortragsabend des Vereins Frauenwohl, der am Montag  abend im Schützenhaus stattfand, erfreute sich eines überaus regen Besuches. Der Saal war bis auf den letzten Platz gefüllt und viele mu0ten vor der Tür umkehren, da es nicht möglich war, noch Einlaß in den Saal zu erlangen. Aber auch die, welche die sich in den Ecken noch ein Plätzchen erobert hatten oder stehen mußten, werden ihre Ausdauer nicht bereut haben, denn der Abend kann in allen Teilen als vollkommen gelungen und zufriedenstellend bezeichnet werden. Er bot allen, was auch der Verein Frauenwohl mit seiner Veranstaltung bezweckte, eine Erhebung des Gemüts, eine  Aneiferung zum weiteren Kampfe hinter der Front, eine wahrhafte Stärkung zum Ausharren und Opfern in unserer schweren Zeit. Es ist nicht möglich, jede einzelne Darbietung des Abends gebührend hervorzuheben, aber doch sicher im Sinne aller Zuhörer, hier noch einmal den Mitwirkenden herzlichen Dank auszusprechen. - Für den mit diesen Abend verbundenen Vortrag hatte der Verein Frauenwohl in Fräulein Guida Diehl aus Berlin eine hervorragende und warmherzige Rednerin gefunden. In ihrer Ansprache „Unser Kampf hinter der Front“ führte die Vortragende ungefähr folgendes aus: Großes erleben wir alle in dieser ernsten Zeit des Krieges, sei es draußen vor der Front oder daheim. Was soll uns aber dieses Erleben bringen? Es kann nicht spurlos an uns vorüber gehen. Deutschland soll innerlich groß werden in dieser großen Zeit. Gerade in dem Kampf hinter der Front, in den täglichen Einschränkungen und Sorgen, in dem Leid und Schmerz, in den Wunden, die der Krieg uns schlägt, muß und wird sich die Erneuerung des deutschen Volkes zeigen. Wir waren durch den wachsenden Wohlstand, durch die zunehmende Genußsucht nicht immer groß und stark geblieben, das deutsche Volk war in Gefahr, die innere Tiefe, von der unsere Dichter singen, zu verlieren. Jetzt wird es sich zeigen, ob die alte deutsche Kraft und Tiefe noch in unserem Volke lebt. Knaben sind zu Männern, Schwächlinge zu Helden geworden; auch die Frauen wollen und dürfen nicht zurückstehen. Sie können nicht mit hinausziehen, um mit dem Schwer t in der Hand ihr Vaterland zu schützen, aber sie werden ihre Größe zeigen in dem Kampf hinter der Front, in der Ueberwindung aller Schwierigkeiten des Alltags, die der Krieg uns auferlegt, im Ausharren, im Opfern und im Gebet. Reicher Beifall lohnte die Ausführungen der Rednerin. Nach einem Schlußwort der Vorsitzenden schloß der genußreiche Abend mit dem gemeinschaftlichen Gesang des Liedes „Deutschland , Deutschland über alles“.


11. Dezember 1915


15. Dezember 1915


16. Dezember 1915

Warnung vor  Zigeunerfrauen.

Vor den in der Stadt umherstreifenden Zigeunerfrauen muß neuerdings wieder gewarnt werden. Unter dem Vorwande eines ganz geringen Einkaufs suchen sie  in der stilleren Mittagszeit Geschäfte auf , in  denen sie nur einzelne Verkäuferinnen antreffen . Sie geben stets große Scheine  in Zahlung und verlangen dann bestimmte Geldsorten zurück , versuchen auch diese selbst herauszufinden . Währenddessen beschäftigt eine Begleiterin die Verkäuferin mit Fragen , so daß diese zuletzt nicht mehr weiß , wie viel sie schon herausgegeben hat , da die kaufende Person das auf den Ladentisch gelegte Geld sofort verschwinden läßt. Auf diese Weise  ist eine Verkäuferin in der  Frankfurterstraße gestern wieder um 6 Mark geschädigt worden. Auch in anderen Teilen der Stadt haben sich die Zigeunerinnen lästig gemacht. Sie versuchen auch unter der Angabe , Spitzen verkaufen zu wollen, Einlaß in Privatwohnungen zu erlangen . Man sollte sie stets kurzweg  abweisen , da sie nur zu stehlen beabsichtigen. 


17. Dezember 1915


19. Dezember 1915


20. Dezember 1915


24. Dezember 1915

Weihnachtsfeiern.

In der festlich geschmückten Schulküche der Schule III hatten sich am Dienstag nachmittag die Leiterin Frl. Gast mit den Schülerinnen der  Sophienschule zu einer schlichten Weihnachtsfeier versammelt. Frisch erklangen die Weihnachtslieder zwischen den Festgedichten und Aufführungen. Herr Schulrat Proelß hielt eine zu Herzen gehende Ansprache. Nachdem die Feier zu Ende war, zu der sich außer den Müttern der Schülerinnen die  Damen des Kuratoriums und andere Gäste eingefunden hatten, ging es an die gedeckten Kaffeetafeln, um sich an den schönen Sachen zu laben, die die angehenden Hausmütterchen selbst gebacken hatten. - Am folgenden Abend erstrahlte in der Schulküche wieder der Weihnachtsbaum. Diesmal waren es die jungen Mädchen des Jugendbundes, die einmal wöchentlich dort zusammenkommen und nun eine Festfeier mit Festgedichten und Aufführungen, welche sie  mit viel Lust eingeübt hatten, veranstalten. Auch bei dieser Feier hatte Herr Schulrat Proelß die Ansprache übernommen, die er ausklingen ließ in dem Pauluswort:  Freuet euch in dem Herrn allewege und abermal sage ich: Freuet euch!  Die zahlreich erschienenen Mütter lauschten gern dem fröhlichen Spiel ihrer Töchter.


25. Dezember 1915

Eine besondere Weihnachtsfreude bereitete heute wieder  Herr Polizei - Inspektor Lück den Bedürftigsten unter den Bedürftigen. Aus eigenen Mitteln und mit Unterstützung von einigen Geldspendern und von Geschäftsleuten konnte er Frauen und Kindern mit verschiedenen Gebrauchsgegenständen, Kleidungsstücken, Schuhen, Strümpfen, Hemden, Wolle zum Stricken und Stopfen, sowie Eßwaren beschenken. Besonders reich waren die Gaben an Backwaren und Brot geflossen, auf Fleisch und Fleischwaren mußte angesichts der hohen Preise verzichtet werden. Besonders Bedürftigen konnte Herr Lück auch noch einen kleinen Geldbetrag einhändigen. Die Empfänger waren herzlichst dankbar für die willkommenen Weihnachtsgaben und sichtlich erfreut traten sie den Weg in ihr bescheidenes Heim an.


26. Dezember 1915

Stadttheater in Guben

Die Weihnachtsfeiertage brachten die Aufführung von zwei alten, aber immer noch amüsanten und zugkräftigen Lustspielen. Am 1. Feiertag ging das Stahl`sche Lustspiel „Zilli“ in Szene. Der Inhalt darf heute,  nachdem das Stück fast 80 Jahre lang gelegentlich immer wieder über die Bretter geht, als bekannt vorausgesetzt werden. Was in dem Lustspiel anziehend bleibt, sind der liebenswürdige Humor, der zierliche Dialog und die natürlich aufgebaute Handlung. Gespielt wurde im allgemeinen gut, wenn auch das Tempo weit flotter genommen werden konnte. Vielleicht mag das an der deklamatorischen Art gelegen haben , mit der Frl. Steinau sich in der Rolle der Bankiersfrau Thekla Rebus bewegt hat und an der gleichgültigen Auffassung der Rolle des Dr. phil. Müller durch Herrn Boese. In der Titelrolle zog die neu angestellte muntere Naive, Frl. Agnes Widlöf die Aufmerksamkeit auf sich. Sie konnte sich hier in ihrem besten Lichte zeigen. Ihr Spiel war voller Frische und Munterkeit.  Weiter soll es genügend sein, die Namen der Herren Prell , Kempner , Bergen und der Damen Friedrich , Mawick und Rank zu nennen und zu bemerken, daß mit ihnen recht anzuerkennenden Leistungen verbunden waren.

Der zweite Feiertag brachte das ebenso alte wie viel gespielte , aber allerliebste Verslustspiel l „Renaissance“ von Schönthan und Koppel-Ellfeld . Als „Vittorino“ war hier Frl. Anne Röhl der Liebling des Publikums. Sie war ein anmutiger, molliger Junge, dem man von Herzen gut sein konnte. Ihr bis ins Kleinste fein abgetöntes Spiel war der Grundpfeiler des Gelingens der Aufführung.  Frl. Mannstädt war eine vornehme Marchesa und Herr Jarocki ein nicht nur würdiger, sondern auch liebenswürdiger Benediktinerpater. Herr Barre machte aus dem erst verbissenen und verbüffelten,  dann aber übermenschlich verliebten  Magister Severino eine Prachtfigur;  besonders im dritten Akt wußte er große Heiterkeit zu entfesseln, ohne in der Farbenauftragung zu viel des Guten zu tun. Eine recht hübsche Leistung bot auch Herr Hagen als Silvio und in den kleineren Rollen waren Frau Emmel, Frl. Rameau und Frl. Cabisius bestens am Platze.  Die Ausstattung des Lustspiels war glänzend, das Bühnenbild stimmungsvoll und die Kostüme ausnehmend geschmackvoll. Die Aufführung unter Leitung des Herrn Barre stand im ganzen unter einem günstigeren Stern als die am ersten Feiertage unter Leitung des Herrn Prell.  Das Publikum war an beiden Tagen in bester Stimmung  und hielt mit Beifall nicht zurück; an beiden Tagen war das Haus fast ausverkauft.