Gubener Zeitung

Die Gubener Zeitung, von 1871 bis 1944 kann auf Rollfilm in den Räumlichkeiten der Stadtbibliothek Guben eingesehen werden.

1915

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5. November 1915

Die unzulängliche ärztliche Versorgung der Stadt Guben.

Stadtv.- Vorsteher Justizrat Hoemann teilte mit, er sei bei einer der letzten Vorversammlungen zu den Stadtverordnetenwahlen ersucht worden, einen tiefgreifenden  Uebelstand hier zur Sprache zu bringen. Es betreffe dies die völlig unzulängliche ärztliche Versorgung der Stadt Guben. In der betr. Wählerversammlung sei ausgesprochen worden, daß bezüglich der ärztlichen Versorgung geradezu traurige Zustände hier beständen und daß es dringend wünschenswert sei, daß hier Wandel geschaffen werde. Den bisherigen Bemühungen des Oberbürgermeisters sei ein Erfolg nicht beschieden gewesen. Für die Ortskrankenkasse sei im Etat ein jährl. Pauschale von 42000 M ausgeworfen unter der Voraussetzung, daß 10 Aerzte für die Krankenkasse wirken. Dieses Pauschale sei auch zur Auszahlung gekommen, doch sei die Zahl der gegenwärtig vorhandenen Aerzte so gering, daß den Hilfesuchenden kaum eine ärztliche Versorgung zuteil werde. Indem er seines Auftrages sich hiermit entledige, frage er den Oberbürgermeister, ob er in der Lage sei, über die angeregten Verhältnisse näheres mitteilen zu können.

Oberbürgermeister Dr. Glücksmann bemerkte hierzu u.a.: Als wir uns das letzte Mal mit dieser Angelegenheit beschäftigt haben, wurden die besonderen Verhältnisse, die es dem Minderbemittelten schwierig machten, ärztliche Hilfe zu erlangen, dadurch zu beseitigen versucht, daß wir die Einzelbezahlung für ärztliche Bemühungen eingeführt haben. Es muß jedoch zugegeben werden, daß nicht nur für die Unbemittelten allein, sondern für die gesamte Stadt jetzt unbefriedigende Verhältnisse hinsichtlich der ärztlichen Versorgung, ganz besonders auch der Krankenkassenmitglieder, vorliegen. Die mit der Kriegslagge zusammenhängenden ungünstigen Verhältnissen sind noch verstärkt worden durch den Umstand, daß von den wenigen Aerzten, die hier noch vorhandenen sind, einzelne infolge besonderer Verhältnisse ganz oder teilweise an der Ausübung ihrer Privatpraxis behindert sind. Namentlich die Nachtversorgung hat sich recht ungünstig gestaltet. Ich habe s. Zt. angeregt, einen Nachtturnus einzurichten, derart, daß jeweils ein Arzt zur Nachtzeit sich zur Verfügung hält, der auch durch die Polizeiwache bzw. durch die Unfallstelle herbeigerufen werden kann. Die Aerzte haben diesen Weg als ungangbar bezeichnet und es ist auch von der gemischten Kommission s. Zt. anerkannt worden, daß man den Aerzten bei ihrer gegenwärtigen Ueberbelastung einen Nachtdienst nicht gut zumuten kann. Dennoch wäre es nochmals der Erwägung Wert, ob es nicht im eigensten Interesse der Aerzte und des Publikums liegen würde, den vorgeschlagenen Weg der Einrichtung eines Nachtturnus zu beschreiten. Diejenigen Aerzte aber, die aus irgend einer Veranlassung des Nachts nicht gestört zu werden wünschen, sollten dies durch geeignete Maßnahmen, wie z.B. Ueberkleben ihrer Nachtglocke durch einen Papierstreifen oder ähnliches, kenntlich machen und nicht einfach das Läutewerk abstellen und die Hilfe- suchenden vergebens warten lassen. Um dem Uebelstande etwas abzuhelfen, ist Fürsorge getroffenen worden, daß in dringenden Fällen dem Publikum in den beiden hiesigen Krankenhäusern Hilfe zuteil wird. Es fragt sich auch, ob die Stadtverwaltung als Eigentümerin des städtischen Krankenhauses noch insofern etwas mehr tun kann, als der dort amtierenden Assistenzärztin die Teilnahme an der Versorgung der Privatkranken allgemein gestattet wird. Ich glaube, daß es möglich ist, daß der ärztliche Dienst im Krankenhause anders verteilt wird, so daß die Assistenzärztin entlastet wird und dann gleichzeitig mit zur Verfügung des Privatpublikums steht für die Zeit des gegenwärtigen Notstandes. Auch scheint es mir dringend notwendig, die weitere Niederlassung von Aerzten in Guben zu begünstigen. Insbesondere hat die Ortskrankenkasse Anspruch darauf, dass auch seitens der Aerzteorganisation eine weitere Zulassung von Aerzten genehmigt wird. Der vom Roten Kreuz im Vereinslazarett in der Hindenburgschule angestellte Arzt wird demnächst frei werden, weil das Vereinslazarett in ein Militärlazarett umgewandelt wird und dann durch das Sanitätsamt ärztlich versorgt wird. Dieser Arzt wird nicht abgeneigt sein, die Privatpraxis hier aufzunehmen. So könnte durch Heranziehung weiterer Aerzte der ärztliche Notstand hier abgeschwächt werden.

Es setzte hierauf eine rege Erörterung der Angelegenheit ein. Stadtv. Cohn (Mitglied des Vorstandes der Ortskrankenkasse) erklärte, die Ortskrankenkasse habe an Arzthonoraren im letzten Jahre über 54000 M und von Januar bis Oktober dieses Jahres bereits 35000 M ausgegeben, dafür habe sie doch wohl Anspruch auf eine angemessene Gegenleistung seitens der Aerzte. Es wäre vielleicht zu erreichen, daß das Sanitätsamt in Berlin in anbetracht des hier bestehenden Notstandes, wo die wenigen vorhandenen Aerzte nicht nur die Stadt, sondern auch den Landkreis mit versorgen müßten, seine Zustimmung dazu geben würde, daß die vorhandenen Militärärzte auch Zivilpraxis übernehmen. – Stadtv. Thiele teilte mit, daß infolge der ungenügenden ärztlichen Versorgung der Vorstand der hiesigen Ortskrankenkasse schon vor einigen Monaten beim Versicherungsamt vorstellig geworden sei, jedoch die Antwort erhalten habe, daß der Aerztemangel z.Zt. allgemein sei und baldige Abhilfe nicht geschaffen …


9. November 1915


12. November 1915


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