Gubener Zeitung

Die Gubener Zeitung, von 1871 bis 1944 kann auf Rollfilm in den Räumlichkeiten der Stadtbibliothek Guben eingesehen werden.

1901

Juni Juli August September Oktober November Dezember

3. Juli 1901

Die Theilnehmer der hiesigen Fernsprecheinrichtung sind zum Sprechverkehr mit Kunzendorf (Niederlausitz) und Petersdorf (Kreis Lebus) zugelassen worden. Die Gebühr für ein gewöhnliches Dreiminutengespräch beträgt nach Kunzendorf 25 Pfennig und nach Petersdorf 50 Pfennig.

Als gefunden wurde gestern der Polizei eine Wurst und ein Tuch mit Kirschen übergeben. Wenn der Eigenthümer die Sachen nicht schleunigst abholt, werden sie natürlich ungenießbar.


4. Juli 1901

Eine große Schlägerei entspann sich heute Vormittag, als verschiedene Personen von der Neißebrücke herab den unten beschäftigten Rammern Schimpfworte zuriefen. Diese kamen herauf und in der nun entstandenen Schlägerei erhielt einer der Rammarbeiter eine blutende Verletzung am Kopfe, anscheinend mit einem Schlüssel. Der Verletzte glaubte, daß ein gewisser Max B. ihn geschlagen habe und seine Genossen wollten B. gewaltsam zur Polizei schleppen, worauf B. ein furchtbares Geschrei erhob, sodaß die Menschenansammlung immer größer anwuchs und der Tumult sich bis zum Markt hinzog. Herr Polizeiinspektor Bunzel kam hinzu und nahm die Hauptbeteiligten zum Verhör mit; es stellte sich heraus, daß nicht B. den Rammarbeiter verletzt, sondern höchstwahrscheinlich der Spinner Max W. Die Sache wird wohl ein gerichtliches Nachspiel haben.


7. Juli 1901


9. Juli 1901


10. Juli 1901

Bresinchen.  Als wie es alljährlich geschieht, am 6. Juli das hiesige Mühlenfließ behufs Räumung abgelassen wurde, konnte man hier im Kleinen sehen, was im Großen, z. B. an den Ufern der Nordsee, wenn zur Ebbezeit das Meer von denselben zurückgetreten ist, sehen kann. Dort eilen bekanntlich die Anwohner auf den bloßgelegten Meeresboden, um einzufangen, was an Fischen, Krebsen, Krabben, Austern u. dgl. sich nicht in die große Meeresfluth rettete. Auch hier bei uns eilen Groß und Klein in das entwässerte  Bett des Fließes, um zu fischen. Und mancher ist so glücklich, einen tüchtigen Aal, einen fetten Karpfen oder auch nur ein kleineres Fischlein, die wohl alle ihre Geburtsstätte und Wiege in den Lübbinchener Fischteichen hatten, zu erbeuten. Ein Bewohner unseres Fließes, der früher auch reichlich vorhanden war, ist aber leider gänzlich verschwunden, der Krebs. Seit der bösen Krebspest, die ja wie auch anderswo, unsere heimischen Gewässer von diesen beliebten Krustenthieren entvölkerte, sind alle Bemühungen, den Krebs hier wieder einzupflanzen, vergeblich gewesen.


13. Juli 1901


16. Juli 1901


19. Juli 1901

Hitze und Eis.  Es ist unbegreiflich, so schreibt dem Berliner Lok. Anz. ein Leser, der lange Jahre in Amerika lebte, warum der Eisverbrauch bei uns in den Haushaltungen so langsame Fortschritte macht. In den Vereinigten Staaten besitzt jede bessersituirte Familie, nicht nur des Mittel- sondern auch des Arbeiterstandes, ihre Eiskiste, und regelmäßig jeden Morgen erscheint der Eismann und liefert ein Stück Eis ab. Das geht ohne jede Störung vor sich. Er trägt das Stück die Hintertreppe – dort hat jede Wohnung zwei Treppen – hinauf, legt es selbst in den Eisschrank, macht an einem neben dem Schranke hängenden Wandkalender einen Strich und verschwindet. Das Stück Eis von zwanzig Pfund kostet 5 Cent (15 Pfg.) und das ist eine Ausgabe, die sich sehr gut bezahlt. Fleisch, Butter, Gemüse, Alles wandert in die Eiskiste und hält sich dort Tage lang, man kann jeder Zeit einen kühlen Trunk haben, und die kluge Hausfrau hat beständig eine mit Thee, Kaffee oder Wasser gefüllte Flasche auf dem Eis liegen. Und wie mundet so eine Flasche Bier frisch vom Eis, oder eine saftige Wassermelone, die 24 Stunden auf dem Eis gelegen hat! Daß die Eispreise in den Vereinigten Staaten so niedrig sind, kommt daher, daß jede Stadt ihre Eisfabrik hat, in der Eis auf künstlichem Wege hergestellt wird. Natureis wird im  Haushalte fast gar nicht verwendet. Ebenfalls sind die Eiskisten, die jetzt statt der Eisschränke wieder mehr in Gebrauch kommen, da sie practischer sind, sehr billig. Für 2 1/2 bis 3 Dollar kann man schon eine für einen kleinen Haushalt ausreichende Eiskiste (ice chest) bekommen. Sie haben etwa die Form und Größe der Truhen unserer Voreltern.


25. Juli 1901

Die hiesigen Fernsprechtheilnehmer sind zum Sprechverkehr mit Altona (Elbe), Bergedorf, Blankenese, Brandenburg (Havel), Dessau, Hamburg und Harburg (Elbe), zugelassen worden. Die Sprechgebühr beträgt 1 Mark.

Die Schaustellung von Barnum & Bailey gab, wie bereits mitgetheilt, statt der angekündigten zwei Vorstellungen nur eine, und zwar um 2 Uhr Nachmittags, eine nicht sehr günstige Zeit. Mehrere tausend Menschen waren trotzdem und trotz der Hitze hinausgewandert. Zunächst gelangte man in das große Manegeriezelt, das thatsächlich eine prachtvolle zoologische Ausstellung enthält. Man sieht dort, wie bereits gestern erwähnt, eine Schaar Kameele und eine beträchtliche Anzahl riesiger Elephanten. Ferner Raubthiere aller Art, kostbare Vögel und andere lebende Wesen aus allen Zonen, die zum Theil in mit reichen Verzierungen geschmückten Wagen untergebracht sind. Ferner befindet sich in diesem Zelte in der Mitte auf einer erhöhten Schaubühne eine Anzahl menschlicher Mißgeburten und Abnormitäten, die in Amerika wohl mehr Anziehungskraft ausüben als in Deutschland, wo die meisten dieser zur Schau gestellten Menschen für unglückliche Wesen angesehen werden, die unser Mitleid verdienen. Von diesem Zelt gelangt man in das große Zelt für die Schaustellungen, das in seiner Größe selbst die höchsten Erwartungen übertrifft. Die paar tausend Menschen verschwanden geradezu in diesem Riesenraume; viele tausende Plätze blieben unbesetzt. Amphitheatralisch bauen sich die Sitze rings auf, so daß man wohl von jedem Platze aus gut sehen kann – wenn das Auge soweit reicht. Drei Manegen und dazwischen zwei Bühnen sind aufgestellt, und es kommt oft vor, daß nicht nur an allen diesen zu gleicher Zeit gearbeitet wird, sondern daß man auch noch an den zahllosen Seilen, Trapezen und Strickleitern u.s.w., die von oben herabbaumeln, überall arbeitende Künstler sieht. Das Auge vermag der Fülle und Mannigfaltigkeit des Dargebotenen gar nicht zu folgen, und während man seine Aufmerksamkeit einer Production zuwendet, die man gerade ins Auge gefaßt, wird man durch lauten Beifall von der anderen Seite darüber belehrt, daß dort ein Kunststück ausgeführt worden ist, das man völlig übersehen hat. Von Akrobaten wimmelt es in der Luft und auf dem Boden. Keine Pause giebts, ununterbrochen reiht sich eine Production an die andere an drei, vier, einem halben Dutzend verschiedenen Stellen, sodaß die Zuschauer kaum zu Athem kommen und nicht wissen, wohin sie ihre Aufmerksamkeit wenden sollen. Was nun die Güte der Leistungen anbetrifft, so werden fleißige Cicusbesucher gewiß schon speziell die Reitkünste ebenso gut und besser in den bekannteren deutschen Circussen gesehen haben. Hier, bei Barnum und Bailey, soll die Masse wirken, die Güte der einzelnen Productionen leidet darunter, allerdings nicht immer, so z.B. leisten die Luftakrobaten Außerordentliches. Auch die rätselhaften Bewegungen eines Menschen in der geschlossenen Kugel, der waghalsige Rutsch eines Japaners auf einem Seil von fast ganz oben zur Erde und vieles andere, was wir gar nicht aufzählen können, sind durchaus interessante Leistungen. Viele dieser Productionen bekommt man in größeren Spezialitätenbühnen gewiß ebenfalls zu sehen, in solcher Reichhaltigkeit und Mannigfaltigkeit allerdings nicht. Mit zum Besten gehörten die verschiedenen Wettrennen in dem großen freien Raum zwischen Manegen und Bühnen und dem Zuschauerraum, wobei sich nur das Terrain stellenweise etwas hinderlich erwies. Das Terrain bildete überhaupt den wunden Punkt und hat bekanntlich auch die Direktion veranlaßt, die Abendvorstellung ausfallen zu lassen. Da sie selber den größten Schaden davon hatte, indem für die zweite Vorstellung mit Sicherheit auf einen viel stärkeren Besuch zu rechnen war und der Circus nun doch einmal aufgebaut war, wird man ihren Angaben wohl Glauben schenken müssen, daß sie lediglich der in der That miserablen Zufuhrwege und des sandigen unebenen Terrains wegen die Abendvorstellung ausfallen ließ, um noch bei Tage die Wegschaffung des gesammten Materials zu ermöglichen; das Wegräumen erforderte hier trotzdem viel mehr Zeit, als die Circusleitung gewöhnt ist; wäre Abends noch gespielt worden, so wäre der ganze genau festgelegte Reiseplan gefährdet worden. Ist uns doch von Augenzeugen versichert worden, daß bis 22 starke Lastpferde vor einen Wagen gespannt werden mußten, um ihn auf festen Boden zu schaffen. Die zahlreichen Besucher von auswärts, die gegen Abend eintrafen, waren allerdings nicht wenig entrüstet, daß ihre Reise umsonst war. So mangelhaft das Terrain war, ein Uebelstand hätte unseres Erachtens aber doch beseitigt werden müssen; der Zugang führte von der Straße weg direkt über eine Schuttabladestelle, auf der noch allerlei Gerümpel, Topf- und Glasscherben und dergl. lag; über alles das musste das Publikum hinweg. Wen hier die Schuld trifft, wissen wir nicht, halten es aber für eine große Rücksichtslosigkeit, daß diese Stelle nicht gesäubert worden war.


27. Juli 1901

Dunkel ist der Begriff „Dunkelheit“. Ein Radfahrer war auf Grund einer Oberpräsidialverordnung angeklagt worden, die u.a. vorschreibt, daß die auf öffentlichen Straßen benutzten Fahrräder während der Dunkelheit beleuchtet werden müssen. Der Angeklagte war eines Abends bei Mondschein auf seinem Rade ohne eine brennende Laterne umhergefahren. Er hielt sich nicht für verpflichtet, sein Rad bei Mondschein zu beleuchten. Das Landgericht sprach den angeklagten Radfahrer auch von Strafe und Kosten frei, da von Dunkelheit dann nicht die Rede sein könne, wenn der Vollmond am Himmel stehe und die Straßen hell beleuchtet seien; anders würde der Fall liegen, wenn in der Verordnung vorgeschrieben würde, die auf öffentlichen Straßen benutzten Räder seien in der Zeit von Sonnenuntergang durch eine Laterne zu beleuchten. Diese Entscheidung focht die Staatsanwaltschaft durch Revision beim Kammergericht an, das auch die Revision für begründet erklärte und den Angeklagten mit der Begründung zu einer Geldstrafe verurtheilte, Dunkelheit bedeute die Zeit, während der das Tageslicht fehle.