Gubener Zeitung

Die Gubener Zeitung, von 1871 bis 1944 kann auf Rollfilm in den Räumlichkeiten der Stadtbibliothek Guben eingesehen werden.

1901

Juni Juli August September Oktober November Dezember

2. Juni 1901

Für und wider die Katzen. Bei dem kürzlich in Wien abgehaltenen Bundestage des österreichischen Bundes der Vogelfreunde wurde ein allgemeiner Vernichtungskrieg gegen die Katzen beantragt und beschlossen, die Bevölkerung durch Flugblätter über die Schädlichkeit der Katzen aufzuklären und die Katzen im Interesse der Vögel für „vogelfrei“ zu erklären. Fast gleichzeitig hielt der „Verein für Katzenschutz und Katzenpflege in Deutschland“ in Dresden seine Jahresversammlung ab, wobei Preise für die Pflege der Katzen vertheilt und die Gründung von Asylen für Katzen besprochen wurde, ungefähr zu derselben Zeit hatte Halle seine Katzenausstellung! Wie soll sich nun die Bevölkerung gegenüber so widerstreitenden Anschauungen verhalten? Soll man die Katzen schonungslos vertilgen oder soll man sie schützen und pflegen? Das Richtige wird wohl in der Mitte liegen. Die Katze ist ein beliebtes Hausthier, und wenn man sie  auch nicht mehr wie die alten Ägypter als geheiligtes Thier betrachtet, so genießt sie doch, namentlich in Frauenkreisen, warme Sympathien und ist ein angenehmer Hausgenosse, der sich fast mit derselben Treue wie der Hund dem Menschen angeschlossen hat. Sie rücksichtslos vertilgen,  wäre ungerecht, aber das darf man verlangen, daß die Katzenbesitzer auf ihre Thiere achtgeben und sie verhindern, Schaden anrichten. So wie die Jagdherren jeden frei im Walde herumschweifenden Hund mit dem Tode bedrohen, so werden ja auch vagirende Katzen eingefangen.


4. Juni 1901

Schiffbarmachung der Neiße. Um eine Basis für den in nächster Zeit in Angriff zu nehmenden Bau der Umschlagstelle in Guben zu gewinnen, hat die Rhederei vereinigter Schiffer A.G. Breslau am Sonnabend mit dem Dampfer „Königin Louise“ , der zu diesem Zwecke eigens nach Ratzdorf beordert wurde, eine Informationstour unternommen, die leider ein negatives Resultat zeitigte. Das Ergebnis der Informationsreise ist ein derartiges, daß an eine Aufnahme der Schifffahrt zunächst nicht zu denken ist, wenn nicht seitens der Regierung energische Maßnahmen getroffen werden, welche die Herstellung einer schiffbaren Wasserstraße gewährleisten. – So nahe dem Ziel, scheint mit einem Male wieder alles in Frage gestellt. Voraussichtlich werden die Interessenten, namentlich die städtischen Behörden, bei der Regierung mit aller Energie auf Abhilfe dringen, damit die Schiffbarmachung der Neiße, für die so viel Geld aufgewendet ist, auch zur Thatsache wird. Die Eröffnung der Schifffahrt, mit der man schon in einigen Monaten rechnete, ist auf jeden Fall noch weit hinausgeschoben.


6. Juni 1901

Betreffs der körperlichen Züchtigung der Schulkinder hat die königl. Regierung zu Frankfurt a.O. auf Grund der im letzten Schuljahr darin gesammelten Erfahrungen  an die Kreisschulinspektoren kürzlich nachstehende, allgemeines Interesse erregende Verordnung erlassen. „Einzelne Lehrer haben auf die Ausübung der körperlichen Züchtigung überhaupt verzichtet. Hiergegen würde nichts zu erinnern sein, wenn festgestellt werden kann, daß durch sonstige geeignete Mittel eine gute Schulzucht aufrecht erhalten worden ist. Als Art der Züchtigung wurden in den Straflisten mehrfach Ohrfeigen verzeichnet gefunden. Wo dies beobachtet wird, ist von der zuständigen Schulaufsichtsstelle sofort mit ernsten Weisungen einzuschreiten. Eine solche Art der körperlichen Züchtigung ist in keinem Falle für statthaft zu erachten, sondern als grober pädagogischer Mißgriff abzustellen und zu untersagen. Mehrfach hat sich ergeben, daß die körperliche Züchtigung viel zu oft vollzogen wird, als daß sie noch als eine nur für Ausnahmefälle bestimmte Maßregel betrachtet werden oder den Schülern erscheinen könnte. Als Grund der Züchtigung wird oft ein durch Thatsachen nicht weiter belegtes und gerechtfertigtes Urtheil angegeben: „Wegen Faulheit, Ungehorsam, Unaufmerksamkeit und dergl.“ Dies ist nicht ausreichend und zur Prüfung und  Anerkennung der Nothwendigkeit der vollzogenen körperlichen Züchtigung ziemlich bedeutungslos. Es wird überall darauf hinzuwirken sein, daß der  zu Grunde liegende und für die Ausführung der Strafe bestimmend gewesene Thatbestand  genau in der Liste verzeichnet wird.“


15. Juni 1901

Bärenklau. Gestern früh glückte es dem Jagdaufseher Kunschke in Pinnow, mit einem wohlgezielten Schuß 2 Hirsche zur Strecke zu bringen, nämlich einen Acht- und einen Sechsender. Die Jagd gehört Herrn Eckert in Guben, früher Lübbinchen.


15. Juni 1901


18. Juni 1901

Der Cirkus E. Blumenfels Ww. gab Sonnabend Abend seine erste Vorstellung in unserer Stadt, der am Sonntag zwei weitere folgten. Heute ist der Circus bereits wieder abgereist. Die Ankündigungen des Circus sagten in der That nicht zu viel; er ist einer der besten Reisecircusse, die hier gewesen sind. Er imponirt vor allem durch sein sehr reichhaltiges, gediegenes Pferdematerial. Gleich der erste Piece rief  den denkbar günstigsten Eindruck hervor: Die ganze Manege voller Pferde -  wie viele es waren, konnte man garnicht zählen - , die prächtig dressirt in genau vorgeschriebener Bewegung  zum Theil von links nach rechts, zum Theil in umgekehrter Richtung rannten. Die folgenden Nummern verstärkten den guten Eindruck. Herr Goudsmidt und Frl. Olympia zeigten sich in der Liebeswerbung zu Pferde als hervorragende Künstler. Nicht minder gefiel die Reitpiece von Herrn Ludwig und Frl. Grace. Sehr anmuthig nahm sich der von Herrn Ludwig Blumenfeld zur hohen Schule dressirte Schimmelhengst Germinal aus; das Original-Freiheits-Potpourri, vorgeführt von Herrn Direktor A. Blumenfeld, rief allgemeine Bewunderung hervor. Für Unterhaltung sorgten verschiedene Clowns, auch eine „Clowneuse“; ein Kinematograph zeigte eine Reihe lebender Bilder, zumeist humoristischem  Genres. Am schwebenden Bambusrohr producirte Herr Harry seine staunenerregenden Kunststücke. Doch es ist unmöglich, alle Einzelheiten aufzuzählen; genug, das Publikum zeigte sich höchst befriedigt und gab seiner Anerkennung wiederholt lebhaften Ausdruck.


19. Juni 1901

Zum heutigen Viehmarkt waren 569 Pferde und 1559 Rinder aufgetrieben, wofür 425,60 Mark Standgeld eingenommen wurden.

Verbesserung des Wetternachrichtendienstes. Der Professor R. Börnstein hatte einen aus landwirthschaftlichen Kreisen kommenden Wunsch zur Kenntnis des Reichspostamts gebracht, der dahin geht, daß im Besitze eines Fernsprechanschlusses befindlichen Landwirthen der Provinz Brandenburg die Wettervorhersage von den in Betracht kommenden Telegraphenanstalten durch den Fernsprecher mitgetheilt werden möchte. Diesem Wunsche ist vom Reichspostamte entsprochen worden. Für diese neue Bezugsweise der Wettervorhersage ist die Abonnementsgebühr auf 3 M. für den Kalendermonat oder einen Theil desselben, d.h. auf denselben Betrag festgesetzt, der zu entrichten ist, wenn schriftliche Ausfertigungen der Wettervorhersage von den Telegraphenanstalten abgeholt werden. Wird neben der Übermittlung durch den Fernsprecher noch eine schriftliche Ausfertigung der Wettervorhersage gewünscht, so sind außerdem die für die Abholung oder Zustellung der Wettervorhersage festgesetzten Gebühren zu entrichten.


26. Juni 1901

Die hiesigen Fernsprechtheilnehmer sind zum Sprechverkehr mit Neuzelle, Annahütte, Lichterfeld (Niederlausitz), Oppelhain, Radach (Neumark), Sallogast, Wormlage und Jannowitz (Schlesien) zugelassen worden. Die Sprechgebühr beträgt im Verkehr mit Neuzelle 20 Pfg., Jannowitz 1 Mk. und mit den übrigen Orten 50 Pfg.


28. Juni 1901

Heute haben wir den Siebenschläfertag. Der Siebenschläfer hat gleich vielen anderen Tagen seinen Namen aus der Kirchengeschichte. Nach alten Überlieferungen verbargen sich die sieben Märtyrer Maximanus, Malchus, Martinianus, Diopnysius, Johannes, Serpion und Constantinus im Jahre 251 n. Chr. In einer Felsenhöhle, um den Verfolgungen des römischen Kaisers Dezius zu entgehen. In seinem Zorn ließ Dezius diese Höhle vermauern. Die sieben Märtyrer aber verfielen in einen tiefen Schlaf, so daß sie weder Speise noch Trank bedurften und erst 446 n. Chr. wieder aus diesem Schlafe erwachten. In dieser Zeit aber herrschte der milde Kaiser Theodosius II. Ob dieses Wunders wurden die sieben Märtyrer heilig gesprochen und der 27. Juni, der Tag ihres Erwachens, zu ihrem ewigen Andenken, kalendarisch festgesetzt. Der Volksglaube knüpfte an diese Legende den Glauben, daß wenn es am Siebenschläfer regnet, es während der nächsten  sieben Wochen weiter regnen muß. Wörtlich heißt die betreffende Bauernregel: „Regnets am Tag der Siebenschläfer, so regnet es noch sieben Wochen.“ So wenig sich diese alte Wetterregel auch bewahrheitet hat und so oft auch schon die Unglaubwürdigkeit derselben nachgewiesen worden ist, man ist wieder gar zu gern geneigt, am 27. Juni mit prüfendem Blick zum Himmel zu schauen und die Wolkengebilde mit gespannter Aufmerksamkeit zu betrachten. Und mit dem Laubfrosch, der wohlgemuth in seinem Glashause sitzt, werden ob seiner wetterprophetischen Talente so enge Beziehungen angeknüpft, daß der treue Bello, welchem man am Siebenschläfer höchstens daraufhin einige Beachtung schenkt, ob er – statt an einem Knochen herumzuknabbern – lieber Gras frißt, - daß dieser Bello schier eifersüchtig auf den grünbefrackten Gesellen in seiner gläsernen Villa werden möchte. Und je nachdem die Wetterorakel ihren Spruch verkünden, je nachdem die Wolken sich nicht als mittheilsam erweisen oder die „Ausschüttung der Masse“ herbeiführen, je nachdem  legt sich auch das Antlitz der Beobachter in düstere Falten, oder sie träumen für die nächsten sieben Wochen von lachendem Sonnenschein und balsamischer Luft. So mancher Unfug ist und wird heute noch mit Wetterprophezeihungen getrieben. Die Geschichte der Wetterprognosen giebt darüber manchmal Ausweis. Astrologischer Aberglauben und heidnische Culte bildeten die Basis des 1654 von dem Bamberger Abt Mauritius Knauer verfaßten Volksbuches, welches Calendarium perpetuum betitelt war. Die Reminiscenzen dieses Buches, das eine ungeheuere Verbreitung gefunden haben muß, sind in verschiedene, sogar wissenschaftliche Werke übergegangen und haben sich in der Form von Sprüchen und Reimen  fest in das Volksgedächtnis eingeprägt.