1901
Juni Juli August September Oktober November Dezember1. Oktober 1901
Über die diesjährige Obsternte hat Herr Winkler ein Stimmungsbild entworfen – worin er folgendes ausführt: Bei den Obstzüchtern, wie bei den Händlern ist die Stimmung sehr gedrückt, denn die Obsternte war hier in unseren hochgelegenen Bergen außer den Süßkirschen doch eine zu geringe und obendrein so, dass die vielen hierorts ansässigen Händler zu wenig erhalten und nicht wissen, was sie versenden sollen. Während in den niedrig gelegenen Gärten und umliegenden Dörfern die Pflaumenbäume zum Brechen voll waren und auch die Apfelbäume eine Mittelernte ergaben, war in den hiesigen Bergen nahezu eine Missernte zu verzeichnen. Infolge der fortwährenden Dürre und Trockenheit dieses Sommers wurden die zum Theil angesetzten Früchte der Apelbäume wurmstichig und fielen vor der Zeit ab. Birnen, die sich theilweise besser erhalten hatten, gaben nur auf vereinzelten Bäumen wenige Sorten. So fehlten die hier am meisten angebauten Frühbirnen, las Magdalene, Margarethe, Sparbirne, Holde Miene, Gute Graue u.s.w.fast ganz, während Claps Liebling, Williams Christ, Bosls Flaschenbirne, Prinzeß Marianne, Köstliche von Charneu u.s.w. in manchen Lagen zum Theil gut angesetzt hatten. Die Preise variirten für letztere pro Centner von 15 bis 25 Mark. Auch die Aepfel, die in den niedriger gelegenen Gärten und den umliegenden Ortschaften immerhin noch eine Mittelernte ergaben, waren nicht so schön, als in anderen Jahren und wurden größtentheils zum Mosten pro Centner zu 3 bis 4 Mark verkauft, während die besseren Früchte, wie Goldparmäne, Muskatreinette, Ananasreinette u.s.w. zum Preise von 10 bis 15 Mark abgegeben werden. Die Versammlung hielt diesen Stimmungsbericht für richtig. Herr Winkler referirte noch über die Potsdamer Obst- und Gartenbauausstellung, über die wir schon mehrfach berichtet haben, sodaß wir auf die Einzelheiten des Referates nicht einzugehen brauchen. Die Obstausstellung war hervorragend. Die ersten Obstzüchter hatten das Beste herbeigebracht. Guben hatte nur wenig ausgestellt, aber es war auch sehenswerth. Die Gmüseausstellung bot nichts Besonderes; sie war nicht halb so hervorragend, wie die vorjährige Gemüseausstellung hier.
Die Heilsarmee beabsichtigt, demnächst auch nach Guben zu kommen. In der Salzmarktstraße im Hause des Bäckermeisters G. hat sie bereits einen Saal gemiethet, in dem sie ihre Versammlungen abhalten will.
3. Oktober 1901
Erweiterung des Fernsprechverkehrs
Mit folgenden Orten ist neuerdings Guben telephonisch verbunden:
Altona, Bergedorf, Blankenese, Brandenburg a. H., Dessau, Fuhlsbüttel, Hamburg,
Harburg (Elbe), Königsberg (Neumark), Kohlfurt, Neucunersdorf (Neumark), Rothenburg (Oder), Schiffbeck, Sonnenburg (Neumark), Woldenberg, Wandsbeck, Bärwalde (Neumark).Die Gebühr für ein Gespräch von 3 Minuten beträgt nach Rothenburg (Oder)
25 Pfg., nach Kohlfurt, Neucunersdorf und Sonnenburg (Neumark) 50 Pfg., nach allen übrigen Orten 1 Mark.
Decimalwaage für Wochenmarktbesucher
Seit Beginn dieses Jahres ist an jedem Montags - Wochenmarkttage am Eingang zur Turnhalle I eine Decimalwaage zur beliebigen Benutzung für das Publikum aufgestellt. Vermuthlich ist das nicht genügend bekannt und daraus erklärt sich die geringe Benutzung dieser Einrichtung. Die Benutzung der Waage ist bei einem Gewichte unter 5 kg gebührenfrei; bei einem Gewichte von 5-10 kg sind 5 Pfg. Gebühren, bei einem Gewichte über 10 kg 10 Pfg. Gebühren gegen Quittung zu entrichten.
6. Oktober 1901
11. Oktober 1901
Von der Steiner´schen Ruine fiel heute ein schwerer Stein mit rissigen Kanten herab; bei einem Haar wäre er einem vorübergehenden jungen Mann auf den Kopf gefallen. Die Ruine bildet also nicht nur eine schauderhafte Verunzierung unserer Stadt, sondern sie ist auch lebensgefährlich. Irgend welche Maßnahmen zu ihrer Beseitigung sieht man schon lange nicht mehr. Die Jahre kommen und gehen, aber die Ruine bleibt bestehen!
12. Oktober 1901
13. Oktober 1901
In der Steinerschen Ruinenangelegenheit werden wir um Aufnahme der nachstehenden Zeilen ersucht: Unbegreiflich ist es, was sich eine ganze Stadt von einer einzelnen Person gefallen lassen muß. Magistrat, Stadtverordneten-Versammlung und Polizeiverwaltung scheinen machtlos zu sein, gegenüber dem Willen der Besitzerin des Grundstücks, welches seit nahezu fünf Jahren unsere innere Stadt in einer Weise verunziert, wie es hier noch nicht vorgekommen ist und an anderen Orten auch kaum vorkommen wird. Ein Sommer nach dem anderen vergeht, aber mit dem Bau wird nicht begonnen. Die Stadt hat ein Recht, über die Lage der Angelegenheit Aufklärung zu verlangen, denn durch die von derselben eingegangenen Garantie bei dem Bau der kostspieligen Schutzmauer ist der Besitzerin des Grundstücks ein so wesentliches Geschenk gemacht worden, wie wohl keinem andern Besitzer irgend eines durch Naturereignisse beschädigten Grundstückes, erhielt sie doch auf Verwendung der städtischen Behörden einen Staatszuschuß zum Bau, der die Kosten desselben zum größten Theile gedeckt haben dürfte. Die Besitzerin hat ferner von dem Comité zur Unterstützung der Ueberschwemmten dem Vernehmen nach eine größere Summe erhalten, die ihr doch jedenfalls als Beihilfe zum baldigen Wiederaufbau des Gebäudes gewährt worden ist. Jeder Fremde glaubt die Nichtbeseitigung des scheußlichen Zustandes unserer städtischen Verwaltung zur Last legen zu müssen, und dadurch wird das Ansehen derselben und der ganzen Stadt schwer geschädigt. Wie verlautet, soll die Besitzerin des Grundstückes sich der Einhaltung der festgestellten Straßenfluchtlinie widersetzen; ist das wirklich der Fall und will sie sich nicht den gesetzlichen Bestimmungen fügen, was doch jeder andere Grundstücksbesitzer thun muß, dann wird es doch Mittel und Wege geben, sie zu zwingen, die Ruinen zu beseitigen, den Platz einzuebenen und den hässlichen Bretterverschlag durch eine anständige Umfriedung zu ersetzen. Wünschenswerth wäre es, wenn seitens des Magistrats, der zu einem energischen Vorgehen der Zustimmung der ganzen Bürgerschaft gewiß sein kann, eine Klarlegung der Angelegenheit in der Stadtv.-Versammlung erfolgte.
17. Oktober 1901
Groß Gastrose
Alljährlich veranstaltet die königl. Oberförsterei Jänschwalde in den Taubendorfer Eichbergen gemeinsam mit dem Pächter der daranstoßenden bäuerlichen Jagd Fabrikbesitzer Herrn E. Lehmann eine Treibjagd. Trotz des strömenden Regens wurden diesmal einige 60 Hasen und 2 starke Rehböcke zur Strecke gebracht.
19. Oktober 1901
Jetzt ist die rechte Zeit, Schutzvorrichtungen gegen die Verheerungen durch Apfelblütenstecher zu treffen. Ein sehr einfaches und billiges Fangmittel sind um die Baumstämme geschlungene Heuseile, über welche man mehrfach zusammengefaltetes Zeitungspapier mit Bindfaden befestigt. Diese einfachen Fallen bieten schädlichen Insecten trockenen Unterschlupf, und die Erfahrung hat gelehrt, daß sich eine große Menge derselben darin sammelt. Die Heuseile werden im Februar von den Bäumen abgenommen und sammt den gefangenen Apfelblütenstechern verbrannt. So sehr empfehlenswerth diese Art der Bekämpfung auch ist, so erübrigt sie doch nicht das Abklopfen der Schädlinge in untergehaltene Tücher im Frühjahr. Dies ist schon deshalb nothwendig, weil die Thiere zur Zeit der Eierablage direct in die Baumkrone fliegen. Es ist ein großer Fehler, wenn die Leimringe zu spät angebracht werden. Die meisten Obstbaumbesitzer warten damit bis in den November und December hinein. Das Besteigen der Stämme z. B. durch das Weibchen des Frostspanners beginnt in normalen Jahren schon in der letzten Octoberwoche. Auf einen Uebelstand sei endlich noch aufmerksam gemacht, der bei Bäumen, die noch an Pfählen stehen, häufig vorkommt und Veranlassung giebt, dass die Anlegung des Leimringes ganz illusorisch wird. Der Pfahl muß auch einen Leimring erhalten! Sonst kriecht das Insekt einfach am Pfahl in die Höhe und geht über das Baumband in die Krone. Baum- und Pfahlleimbänder müssen außerdem genau in derselben Höhe sitzen! Sitzen sie verschieden hoch, so kann man sich leicht vorstellen, wie dem Thiere Gelegenheit gegeben wird, durch Hin- und Herkriechen vom Baum zum Pfahl und umgekehrt, die ihm verderblichen Leimringe zu vermeiden.
23. Oktober 1901
Das endgiltige Ergebniß der Volkszählung am 1. Dez. 1900 für die Stadt Guben ist folgendes: Ortsanwesende Bevölkerung: a.m.15 162, b.w.17960, zusammen also 33 122. Darunter sind 25 aktive Militärpersonen. Dem Religionsbekenntnisse nach sind: 1) Evangelische: 14142 männl., 17105 weibl. (Davon evangelische Landeskirche [unirte] 13940 m., 16850 w., Evangelisch-Lutherische 149 m., 185 w., Evangelisch- Reformirte 3 m., 8 w., Alt-Lutheraner 50 m., 62 w.,). 2) Katholische ( durchweg römisch-katholische) sind in unserer Stadt 742 m., 612 w., 3) Andere Christen sind 152 m., 144 w., (Davon Brüdergemeinde, Herrnhuter, 8m., 18 w., englische und schottische Hochkirche, Presbyterianer 1w., Methodisten und Quäker 7 m., 3 w., apostolische Kirche (Irvingianer) 112m., 110 w. – Freireligiöse 8 m., 5 w., Dissidenten 17 m. 7 w.,) 4) Juden 126 m., 99 w. – In der Stadt sind vorhanden 2370 bewohnte Wohnhäuser, 32 unbewohnte Wohnhäuser, 23 andere bewohnte Baulichkeiten, Hütten, Zelte, Schiffe u. dergl. – Haushaltungen sind vorhanden: 1)gewöhnliche Haushaltungen von 2 und mehr Personen: 7556, 2) einzeln lebende männliche Personen mit eigener Haushaltung 202, 3) einzeln lebende weibliche Personen mit eigener Haushaltung: 727, 4) Gasthöfe, Gasthäuser, Herbergen mit Gästen (Einlogirern) 13, 5) Andere Anstalten aller Art : 28; demnach Summe aller Haushaltungen und Anstalten 8526.
Die Heilanstalt für Alkoholiker Wiesenhof in Klein-Drenzig bei Guben versendet ihren Jahresbericht für die Zeit vom 1. Juli 1900 bis 30. Juni 1901. Wir entnehmen daraus folgendes: Die Anstalt blickt nunmehr auf ein 12 jähriges Bestehen zurück. Noch nie ist die Anstalt so stark besucht gewesen, wie im verflossenen Jahre. Die Frequenzübersicht stellt sich wie folgt: Bestand 1. Juli1900: 11 Pfleglinge, Zugang 17, zusammen also 28 Pfleglinge, Abgang 14, mithin Bestand am 30. Juni 1901 14 Pfleglinge. Von den 14 abgegangenen wurden sechs geheilt, einer gebessert, vier waren rückfällig, bei drei Pfleglingen wurde das Resultat bisher nicht bekannt. Zur Erzielung der Heilung gehört Geduld. Wenn die kürzeste Dauer des Aufenthalts eines Pfleglings in der Anstalt 28 Tage war, so ist diese Frist eine sehr kurze; als längste steht ihr eine solche von 427 Tagen gegenüber. Der durchschnittliche Aufenthalt der im letzten Jahre ausgeschiedenen Pfleglinge belief sich auf 166 Tage, ein recht günstiges Resultat, wenn man die Ungeduld und das Unvermögen mancher Patienten in Betracht zieht. Im ganzen kann man nur wünschen, dass sich der Patient auf einen Jahresaufenthalt einrichte. Unter den 28 Patienten , die im Berichtsjahre in der Anstalt waren, waren 7 Beamte, 5 Kaufleute, 5 Landwirthe, 2 Hoteliers, je ein Bäckermeister, Buchhändler, cand.med., Fabrikant, Lehrer, Pastor, Photograph, Professor, Rechtsanwalt. Bis auf 2 Ungarn und 1 Böhmen waren alle Pfleglinge Reichsangehörige und evangelisch. 18 Pfleglinge entstammten der Provinz Brandenburg . – Im Ganzen sind bisher mit den noch in der Anstalt befindlichen 14 Pfleglinge 110 Alkoholiker erstmalig aufgenommen worden. Von ihnen sind 15 wiederholt aufgenommen worden, sodaß die Gesammtzahl der Aufnahmen bis 30. Juni 1901 133 Personen betrug. Entlassen wurden 96, von diesen sind geheilt 47 und außerdem noch 6 gebessert. Wollte man verstorbene und nicht normale Pfleglinge bei der Berechnung abziehen, so erhielte man noch ein weit günstigeres Resultat; dann wären nämlich von 81 Pfleglingen 46 geheilt. Die auf 12 jährige Erfahrung gegründete Berechnung ergiebt, dass die Aussicht auf Heilung für diejenigen am günstigsten ist, die sich für einen Jahresaufenthalt in der Heilanstalt entschließen.
29. Oktober 1901
Dauermarsch: Eine ganz ungewöhnliche Leistung im Gehen vollbrachte am vergangenen Sonntag Herr Buchhalter C. Sasse, Mitglied des hiesigen Vereins Turnerschaft. In Begleitung eines Radfahrers und eines jüngeren Mitgliedes des Vereins ging Herr S. früh 2 Uhr 3 Minuten von der Stadtmühle weg und kam um 5 ¾ Uhr in Crossen a.O. an. Während hier der jüngere den Marsch aufgab und nach Hause fuhr, setzte Herr S. seinen Weg nach Grünberg in Schl. Fort, dass er Vormittag 10 Uhr erreichte. Nach 3 stündiger Rast trat Herr S. den Heimweg an und kam Abends 9 ¾ Uhr in bester Verfassung hier wieder an. Herr S. hat hiernach für den ganzen Weg (120 Kilometer) nur 16 ¾ Stunden gebraucht. Nicht jedem ist ein solcher „Spaziergang“ zu empfehlen, er zeigt aber, was bei vorheriger Uebung und Willenskraft auf diesem Gebiet geleistet werden kann.
31. Oktober 1901
Horno: Der Fabrikbesitzer L. aus Forst, der auf der Briesnigker Feldmark die Jagd gepachtet hat, pürschte dort nach Rehböcken umher ; gerade wo zwei Geschwister, ein 14 jähriges Mädchen und ein 7 jähriger Knabe, Kinder des Häuslers N. von hier, das Vieh hüteten, kam ein Rehbock aus dem Dickicht heraus. L. feuerte eine volle Ladung Rehposten nach dem Rehbock ab, traf jedoch eine Kuh, der er ein Horn gänzlich abschoß, auch trafen mehrere Posten den Knaben, sowie das Mädchen; zum Glück waren die Verletzungen der Kinder nicht schwer.