Gubener Zeitung

Die Gubener Zeitung, von 1871 bis 1944 kann auf Rollfilm in den Räumlichkeiten der Stadtbibliothek Guben eingesehen werden.

1909

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7. Februar 1909

Der Eisgang auf der Neiße begann heute vormittag. Oberhalb des Wehres am Winkel stauten sich die Eismassen und drängten die ankommenden Schollen und das Wasser nach der Egelneiße zu. Diesem gewaltigen Druck konnte das Wehr nicht widerstehen, es barst, und der Hauptstrom ergoß sich nun durch die Egelneiße, diese bis zum Rand füllend. Es ist ein Glück, daß die Egelneißebrücke standhaft gebaut ist, eine hölzerne Brücke hätte dem Druck des Wassers und der Eisschollen, die sich an der Brücke zeitweise stauten, wohl kaum Stand gehalten.

Die Koenigsche Privatbrücke über die Egelneiße ist weggerissen. Der Poetensteig war an einigen Stellen überschwemmt. Der Schaden wird sich erst übersehen lassen, wenn das Wasser sich verlaufen haben wird. Die Brücke bei Lehmann und Richter ist arg in Mitleidenschaft gezogen. 2 Pfeiler von 12 sind gebrochen, der dritte droht jeden Augenblick zu brechen. Die Brücke ist für Fuhrwerke gesperrt, Fußgänger dürfen sie noch überschreiten.

An der Böschung hinter der Brücke ist ein großes Loch gerissen, mehrere große Bäume sind umgebrochen und mit fortgerissen. – Teilweise wird das Eis, so gut es geht, durch den Hauptstrom abgeleitet. Der größte Teil des Eises scheint bereits weg zu sein. Der Wasserstand der Neiße hat noch durchaus keine beunruhigende Höhe erreicht, lediglich dem Umstand, daß der größere Teil des Wassers durch die schmale Egelneiße fließt, ist es zuzuschreiben, dass in der Klostervorstadt einige Besorgnis eingetreten ist. Hoffentlich erweist sich diese als unbegründet. – Aus Görlitz wird gemeldet, dass die Neiße gestern abend bei starkem Regen wieder zu steigen begann.


9. Februar 1909

Das Hochwasser der Egelneiße, das durch den Bruch des Wehres am Winkel entstand, hat mannigfachen Schaden angerichtet. In der Hutfabrik am Winkel wurden nur ein paar Keller überschwemmt, in denen Chemikalien und andere Sachen lagerten, ohne daß sonderliche Schäden angerichtet wurden. Das Wehr am Winkel wurde noch Sonnabendabend durch Einbau von Balken provisorisch wiederhergestellt. Wäre dieses nicht gelungen, so war die Herberufung von Pionieren beabsichtigt. Ein Telegramm, das die Hilfe von Pionieren erbat, war sogar schon abgesandt, sie konnten aber wieder abbestellt werden. Das Wasser unterspülte auf beiden Seiten das Erdreich, sodaß große Löcher entstanden, an deren Befestigung noch mit allen Kräften gearbeitet wird. Unmengen von Sandsäcken sind bereits versenkt. Am Ufer oberhalb der EgelneißeBrücke sind die Keller voll Wasser gelaufen. Größer sind die Schäden am Poetensteig und auf der gegenüberliegenden Seite. Vom Poetensteig ist ein beträchtliches Stück völlig verschwunden; wo früher der Weg war, fließt jetzt das Wasser; andere Strecken des Poetensteigs sind stark unterspült. Natürlich wurde der Weg abgesperrt; ein Witzbold hatte ein Plakat angebracht: „Zeppelinstraße. Nur für Luftschiffer“. Von dem Fabrikgrundstück, wo sich die von Herrn Lißner errichteten Familienhäuser befinden, und vom Grundstück des Gärtners Herrn Petzold ist nicht nur der Poetensteig völlig weggerissen, sondern das Terrain ist noch auf 5 bis 10 Meter stark unterspült; mehrere Lauben sind von den Fluten mitgerissen. Ebenso sind sämtliche Privatbrücken über die Egelneiße der anliegenden Grundstücksbesitzer teils völlig weggerissen, teils stark beschädigt. In der Tuchfabrik von Julius Schlief musste der Betrieb Sonnabend nachmittag um 2 Uhr eingestellt werden. Der Fabrikbrunnen ist von Grund auf völlig durch Eisschollen zerstört, abgestoßen und versandet. Heute früh konnte der Betrieb aber wieder aufgenommen werden. Das Wasser wird aus der städtischen Wasserleitung entnommen und es ist eine provisorische Einrichtung geschaffen worden; statt mit Niederdruckdampf wird mit  Hochdruckdampf gearbeitet. Volle Kraft lässt sich aber nicht erzeugen, es muß einstweilen mit einer Minderleistung von etwa 5 Prozent gearbeitet werden. Am Ufer ist ein großes Loch gerissen, zu dessen Ausfüllung mindestens 200 Kubikmeter Erde gehören. Die Beschaffung der Erdmassen, die hier und an den anderen beschädigten Stellen des Ufers gebraucht werden, wird den Grundstücksbesitzern vielleicht noch Schwierigkeiten bereiten. Der Tuchfabrik von F. W. Schmidt hat das Wasser keinen Schaden bereitet; vom Schmidtchen Park sind aber mehrere Meter des Ufers fortgerissen, wobei auch einige hübsche Baumgruppen in den Fluten verschwanden. Das Gärtner-Wohnhaus ist unbewohnbar, die Fundamente sind unterspült, das Haus zeigt breite Risse und ein Stück der  Mauer ist bereits eingestürzt. Auf dem Grundstück der Englischen Stofffabrik Reißner, Wohl u. Co. ist ein Brunnen verschüttet, ein gemauerter Tiefbrunnen ist aber erhalten geblieben. Der Betrieb brauchte bisher keine Störung erleiden. Ein Stück des Ufers ist auch hier weggerissen, der Zaun ist zerstört. Ebenso hat der Schuhwarenfabrikant Herr Rohde beträchtlichen Schaden durch Zerstörung der Uferböschung usw. ahlreiche Bäume an den Böschungen der Egelneiße sind durch die Eisschollen stark beschädigt, sodaß manche eingehen dürften. Am augenfälligsten zeigt sich die zerstörende Kraft des Wassers am Grundstück der Firma Lehmann und Richter. Auf der Strecke der alten Poststraße bis zur Neiße ist ein breites Stück des Ufers völlig weggerissen; eine große Anzahl stattlicher Bäume, die das Ufer umsäumten, ist in den Fluten verschwunden. Hier erschien die Position recht gefährlich, denn gierig leckte das Wasser an der Uferböschung, Stück um Stück abreißend und Baum um Baum verschlingend. Mit Aufbietung aller Kräfte wurde gearbeitet, um der Zerstörung Einhalt zu tun. Auch die gegenüberliegenden Grundstücke haben arg gelitten. Der Betrieb in der Fabrik von Lehmann und Richter ist nicht gestört. Die Feuerwehr hatte von Sonnabend mittag an bei den Abwehrarbeiten gegen die Wirkungen des Hochwassers schwere Arbeit. Sonnabend abend gegen ¾ 10 Uhr ertönte die Feuerglocke. Tausende strömten auf die Straße. Aber die Glocke war lediglich geläutet worden, um noch mehr Feuerwehrleute für die Arbeiten zu bekommen, da das Wasser abends noch gestiegen war und wieder große Eismassen weggingen. Im Laufe der Nacht gelang es, das Wasser mehr und mehr nach dem Hauptstrom abzulenken, wo es ohne Gefahr abfloß. Sonntag früh war in der Egelneiße das Wasser um über einen Meter gefallen, in der Neiße selbst stieg es nach und nach. Bei dem klaren Frostwetter, das Sonntag eingetreten war, wanderten Tausende nach dem Wehr am Winkel hinaus, sich die Zerstörung anzusehen, sodaß auf dem Damm zeitweise kaum vorwärts zu kommen war, ebenso war der Poetensteig und die Brücke bei Lehmann und Richter das Ziel vieler, die sich die Zerstörungen anschauten, ein kleines Abbild der furchtbaren Hochwassser-Verwüstungen, von denen weite Teile des Reiches wieder betroffen sind. An der Brücke bei Lehmann und Richter hat das Wasser noch nachträglich ein Loch gerissen, an dessen Ausfüllung heute gearbeitet wurde. Die Brücke ist erhalten geblieben, obwohl mehrere der Holzstützen fortgerissen sind und das Mauerwerk Risse zeigt.

Die Einführung der ungeteilten Unterrichtszeit ist am Gymnasium und der Realschule beabsichtigt, um den begründeten Klagen über die verschiedenen Zeiten, zu denen die höheren Knabenschulen und die höhere Mädchenschule ihren Unterricht schließen, abzuhelfen .Die Genehmigung der Schulaufsichtsbehörde hat das Einverständnis der Mehrzahl der Eltern zur Vorraussetzung. Eine entsprechende Umfrage ist eingeleitet. Um bis zu sechs Unterrichtslektionen auf den Vormittag legen zu können, wird die Dauer der Unterrichtsstunden auf 46 Minuten herabgesetzt.


10. Februar 1909

Die Einführung der ungeteilten Unterrichtszeit ist am Gymnasium und der Realschule beabsichtigt, um den begründeten Klagen über die verschiedenen Zeiten, zu denen die höheren Knabenschulen und die höheren Mädchenschule ihren Unterricht schließen, abzuhelfen. Die Genehmigung der Schulaufsichtsbehörde hat das Einverständnis der Mehrzahl der Eltern zur Vorraussetzung. Eine entsprechende Umfrage ist eingeleitet. Um bis zu sechs Unterrichtslektionen auf den Vormittag legen zu können, wird die Dauer der Unterrichtsstunden auf 45 Minuten herabgesetzt. 


11. Februar 1909

Gr.-Gastrose (vom Hochwasser) Der Eisgang hat das Mühlenwehr in Gr.-Gastrose glatt weggerissen und den Neißearm, welcher die Mühle treibt, mit Eisschollen und Sand gänzlich verstopft, so daß das Lehmann`sche Fabriketablissement zum Stillstand gebracht ist. Der Schaden, den das Wasser an dem Ausbau der Neiße angerichtet hat, lässt sich nicht übersehen.


12. Februar 1909

Gr.-Gastrose(Richtigstellung.) Herr Mühlenbesitzer Lehmann in Gr.-Gastrose teilt dem F.T., dem die gestrige Notiz über die Beschädigung des Wehres entnommen war, mit, dass eine Beschädigung des Mühlenwehres nicht stattgehabt hat. Trotz des hohen Wasserstandes und des starken Eisganges gingen Wasserfluten und Eisschollen außerordentlich glatt ab, so daß der Betrieb des Mühlenetablissements bereits am Montag  vormittag wieder in vollem Maße aufgenommen werden konnte.


18. Februar 1909


21. Februar 1909


23. Februar 1909

Ein Strafantrag wegen Tierquälerei ist in Forst gegen einen Forster und einen G u b e n e r  Fleischermeister gestellt worden. Der eine hat, wie das Forst. Tagebl. mitteilt, sein Fleischergespann von abends 6 bis nachts ¼ 12 Uhr, der andere ein Hundegespann von morgens 8 bis nachmittags 3 Uhr ununterbrochen in Wind und Wetter auf der Straße vor Wirtshäusern stehen lassen, ohne die Zugtiere auch nur m geringsten mit Decken oder anderweitig vor den Witterunbilden zu schützen.


24. Februar 1909

Herberge zur Heimat : In den neu eingerichteten Zimmern der Herberge zur Heimat haben im Jahre 1908  3835 Personen aller Konfessionen Aufnahme gefunden. Die Gebühren von 10, 20, 25, 30, 50 und 75 Pfg. für die Nacht ergaben insgesamt eine Einnahme von 940,15 M. Die Zahl der ständigen Kostgänger betrug durchschnittlich 5 in der Woche. Die Herberge hat jetzt 8 neu eingerichtete Schlafräume mit 29 Betten.. Der Wirtschaftsbetrieb erbrachte eine Einnahme von 4790,95 M., denen Ausgaben von 5611,45 M. gegenüberstehen.


26. Februar 1909

Eine furchtbare Tragödie wird uns aus Gr. Gastrose gemeldet. Heute Vormittag wurden der Lehrer Ernst Dommascht und seine Schwester, die ihm die Wirtschaft führte, in der Küche tot aufgefunden. D. hatte seiner Schwester tödliche Messerstiche am Halse und an der Brust versetzt und dann sich selbst den Hals mit einem furchtbaren Schnitt nahezu total durchgeschnitten. D. trug sich schon seit längerer Zeit  mit Selbstmordgedanken und sprach oft vom Tode, sodaß die Schwester wiederholt ihrer Furcht vor ihrem Bruder Ausdruck gab. Sein Nervensystem war total zerrüttet. Die Kinder hatte er heute früh nach Hause geschickt, wobei er sagte, er hätte sie gerne noch sehen wollen, jetzt könnten sie gehen. D. stand in der Mitte der dreißiger Jahre und stammte aus der Umgebung von Calau. Seine Eltern wurden von dem unheilvollen Ende ihrer beiden Kinder sofort benachrichtigt. Heute nachmittag 2 Uhr sollte von hier eine gerichtliche  Kommission in Gr. Gastrose eintreffen.