Gubener Zeitung

Die Gubener Zeitung, von 1871 bis 1944 kann auf Rollfilm in den Räumlichkeiten der Stadtbibliothek Guben eingesehen werden.

1902

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1. November 1902

Professor Falb ist der Ansicht, daß wir einen milden Winter zu erwarten haben. Alle Anzeichen sprechen dafür. Vereinzelte kurze Kälteperioden sind selbstverständlich dabei nicht ausgeschlossen. Für die nächste Zeit verkündet Falb folgende Prognose:

1. bis 7. November. Nach dem kritischen Termin des 31. Oktober, der sich durch Regen- und Schneefälle in den Höhen  bemerkbar machen dürfte, bleibt es ziemlich regnerisch. Die Temperaturen stehen allenthalben über der normalen und erreichen zuletzt eine sehr bedeutende Höhe. Schneefälle dürften kaum eintreten.

8. bis 21. November. Es wird sehr trocken. Nur um den kritischen Termin des 15. (1. Ordnung) stellen sich unbedeutende Regen ein, worauf  jedoch das Wetter sofort wieder schön wird. Die Temperatur, welche zuerst meist nahe der normalen liegt, steigt zur Zeit des kritischen Termins ungewöhnlich hoch über dieselbe, fällt aber voraussichtlich bald darauf wieder. Schneefälle sind auch in diesen Tagen nicht zu erwarten. Dagegen sollen in der Zeit vom 22 bis 30. November ausgebreitete Regen, besonders in Österreich und Frankreich eintreten; in den ersten Tagen werden sich auch  viele Schneefälle einstellen, an deren Stelle später Gewitterneigung  tritt.

Der 30. November ist ein kritischer Termin 3. Ordnung, der auch in Deutschland stellenweise bedeutende Niederschläge bringt.


2. November 1902

Mit Kindern gesegnet ist ein in dem schweizerischen Wallfahrtsorte Einsiedeln wohnhaftes Ehepaar. Dieser Tage wurde der 28. Sprößling zur Taufe getragen. Von den Kindern sind 25 am Leben, 14 Knaben und 11 Mädchen.


7. November 1902

Eine merkwürdige Versicherung. Der Tenorist Jushin von der Moskauer Hofoper hat bei der Versicherungsgesellschaft "Equitable" seine Stimme für 25.000 Rubel versichert.

Sobald der Künstler seine Stimme verliert, d.h. große Rollen nicht mehr singen kann, ist die Gesellschaft verpflichtet, ihm die angebliche Summe auszuzahlen. Damit eröffnet sich für die Versicherungsbranche eine neue Aera. Es ist nur zu befürchten, daß so Mancher eine Stimme versichert, die er gar nicht besitzt.


9. November 1902

Sommerfeld: Im städtischen Schlachthause wurden im Oktober geschlachtet: 11 Pferde (im Vorjahr 14); 77 Rinder (106); 439 Schweine (443); 187 Kälber (199); 45 Schafe (77); 25 Ziegen (30); 7 Zickel (4). An Schlachtgebühren wurden vereinnahmt 1.855,50 Mark (im Vorjahr 2.107,50 Mark). - Also auch hier ein starker Rückgang.

Ein exzentrischer Badegast: Die Jahreszeit, in der gewöhnliche Sterbliche in den Fluten unserer Meere Erquickung zu suchen pflegen, ist längst vorüber. Aber aus Zoppot ist erst jetzt der letzte Badegast abgereist. Es war dies eine Dame Fürstin Obolenski aus Petersburg, die bisher täglich in dem eiskalten Wasser der Ostsee gebadet hatte. Das Damenbad war für das Publikum schon seit Mitte September geschlossen, aber die Fürstin brachte ihrer Passion ein Opfer und unterhielt den ganzen vorgeschriebenen Dienstapparat im Bade auf ihre Kosten weiter.

Spitzbubenpech: Ein hübsches Geschichtchen, bei dem man schadenfroh lachen darf, erzählt die in Glogau erscheinende "N.N.Ztg." in Folgendem: Hervorragendes Pech hatten kürzlich mehrere Leute, die nächtlicher Weise einem Rauschwitzer Krautfelde  einen Besuch abstatteten. Sie ernteten ohne gesät zu haben; einer hatte aber das Unglück, dabei sein Portemonnaie, in dem sich 12 Mark befanden, zu verlieren. Bei der "Erntearbeit" war der Verlust nicht bemerkt worden, sondern erst, als man zu Hause angelangt war. Da der Ertrag der "Ernte" dem gleichzeitigen Verlust nicht entsprach, konnte nur ein Vortheil von der nächtlichen Exkursion gezogen werden wenn man das Portemonnaie wiederfand. Man begab sich also, mit einer Laterne bewaffnet, in der nächsten Nacht auf die Suche. Inzwischen hatte der Besitzer des Feldes bemerkt, daß sein Krautbestand erheblich abgenommen habe. Dabei hatte er auch das Portemonnaie gefunden und stellte in der berechtigten Erwartung, daß man den Geldbeutel wieder suchen werde, Wachen aus. Und richtig, der Verlierer suchte nach dem Portemonnaie und gerieth in die Falle. Sein Treiben in " lauschiger Nacht" wird demnächst an das Licht der Gerichtsstätte gelangen.

Die größte Stadt des Deutschen Reiches: Nach den Feststellungen des Dresdener Vermessungsdirektors Gecke ist die Stadt Dresden nach den am 1. Januar 1903 vollzogenen Einverleibungen verschiedener Vororte die größte Stadt des Reichs, was den Flächeninhalt anbetrifft, rund um 500 Hektar größer als Berlin. Hinsichtlich der Einwohnerzahl wird Dresden vom gleichen Zeitpunkte an unter den deutschen Städten an 4. Stelle stehen.


13. November 1902

Die Kunst, lange zu leben: Ein niederhessischer Pfarrer hatte, so schreibt man der "Frkf. Ztg." in seiner Gemeinde einige räudige Glieder, die der Branntweinflasche unmäßig zusprachen und die zu bessern sein eifriges Bemühen war. Zu ihnen gehörte auch ein mehr als siebzig Jahre alter Schäfer. Eines Tages traf nun der Geistliche auf seinem Spaziergange besagten Schäfer bei seiner Heerde und beschloß, die Gelegenheit zu benutzen und dem Alten, der erst kürzlich völlig berauscht in seiner Schäferhütte aufgefunden worden war, ins Gewissen zu reden. Da er aber kein zorniger Eiferer war, sondern durch milde und lehrreiche Ermahnungen zu wirken suchte, begrüßte er sein verirrtes Gemeindemitglied mit freundlichen Worten, sprach mit ihm über Wetter, Ernte und dergl. und sagte dann wie beiläufig:" Nun ist ja der alte R. auch zur ewigen Ruhe eingegangen. Vierundachtzig Jahre alt! Ein schönes Alter!" "Do hon Se Recht, Herr Parr", bemerkte der Hüter der Schafe beifällig winkend - "Er hat aber auch", fuhr der Pfarrer fort, indem er den Schäfer ernst ins Auge faßte, "in seinem Leben nie einen Tropfen Branntwein getrunken." - Der brave Schäfer nickte wieder zustimmend und erwiderte treuherzig: "Wissen Se, Herr Parr, ich hon schont so bi me gedacht, wann he alsemol en Schnäpschen getrunken hätte, viellichte lewete he dann noch."

Durch diese unerwartete Bemerkung verblüfft, und belustigt zugleich, verabschiedete sich der Geistliche lächelnd, ohne seine sanfte Strafpredigt vollendet zu haben.


16. November 1902

Sein Bett mit dem Schweinetrog verwechselt hat, wie aus Kolmar in Posen geschrieben wird, ein arg berauschter Schuhmacher in dem Dorfe Kamionke. Die Frau war zum Kartoffelgraben auf Lohnarbeit gegangen, ihrem Manne dabei die Fürsorge für das Hauswesen und besonders für das Mutterschwein nebst Sprößlingen warm ans Herz legend. Der Mann benutzte aber die gute Gelegenheit zu einem kleinen Ausflug nach der Dorfschänke und zu einem ausgedehnten Frühschoppen. Spät erst besann er sich auf seine Pflicht und wankte nach Hause. In dem weichen Pfuhl der Borstenthiere muß es recht wohlig gewesen sein, denn er entschlummerte dort sanft. Sein plötzliches Erwachen war aber sehr unangenehm: die ungeduldige Sau hatte ihm alle Fingerglieder der einen Hand abgefressen.


22. November 1902

Die strenge Kälte hält an. Gestern in den Mittagsstunden stieg das Thermometer bis auf 3 Grad C. unter Null; mit dem Verschwinden der Sonne sank aber das Quecksilber langsam wieder, und heute früh waren wieder fast (minus) 12 Gr. Dagegen hat sich der schneidend kalte Wind völlig gelegt. Auf der Neiße, die gleich nach der ersten strengen Frostnacht oberhalb des Wehres zugefroren war, tummeln sich die Schlittschuhläufer...


27. November 1902

Raubanfall: Auf der Chausseestrecke Guben - Cottbus bei der Schenkendöbern´schen Haide ist am vergangenen Sonntag, gegen 6 Uhr Abends der von Guben kommende 22 Jahre alte Knecht Friedrich Sehfeld aus Schenkendöbern von zwei unbekannten Männern, die plötzlich aus der Haide hervortraten, angefallen worden. Sehfeld hat zuerst den einen und dann den anderen Angreifer mit seinem Knüttel abgewehrt und ist hierauf, von demselben  noch eine Strecke verfolgt, davongelaufen. Eine strenge polizeiliche Beaufsichtigung dieser und der angrenzenden Gegenden ist unumgänglich nothwendig, weil sich daselbst viel lichtscheues Gesindel umhertreibt und ähnliche Vorfälle in letzter Zeit wiederholt vorgekommen sind.