Gubener Zeitung

Die Gubener Zeitung, von 1871 bis 1944 kann auf Rollfilm in den Räumlichkeiten der Stadtbibliothek Guben eingesehen werden.

1902

Januar Februar März April Mai Juni Juli August September Oktober November Dezember

8. Juli 1902

Der Export nach den Vereinigten Staaten von Nord-Amerika von den Orten Guben, Sorau mit Frauenmühle bei Goldbach und Seifersdorf, Forst, Sommerfeld, Döbern und Fürstenberg betrug: Aus obigen Gegenüberstellungen der Ausfuhrwerthe ist ersichtlich, daß in Leinenwaaren eine Abschwächung der Konjunktur zu verzeichnen ist. Das Minus gegen das 2. Quartal 1901 beträgt ca. 25.000 Mark. Alle anderen Branchen haben erfreulicherweise ein Anziehen ihres Exportgeschäftes aufzuweisen.


16. Juli 1902

Atterwasch: Münzenfund: Ein hochinteressanter Fund wurde am Montag von dem 12jährigen des bei dem Mühlenbesitzer Bähr in Atterwasch angestellten Vogtes Gumkrecht gemacht. In Gesellschaft mehrerer gleichaltriger Kameraden begab sich der Knabe auf den dicht bei Atterwasch gelegenen Schießstand, um die bei dem am vorangegangenen Sonnentage veranstalteten Büchsenschießen abgefeuerten Bleikugeln aufzusuchen. Bei dieser Arbeit stieß der Knabe plötzlich auf einen irdenen Krug von ziemlicher Größe. Als der Versuch, den Krug zu heben, mißlang, wurde er zerschlagen. Wer beschreibt das Erstaunen des Knaben, als beim Zerspringen des Gefäßes eine ungeheure Masse alter Münzen, theils in gut erhaltenem Zustande, theils vom Grünspan zerfressen, zum Vorschein kam. Die Münzen sind im 17., 18. und 19. Jahrhundert geprägt worden. Die meisten tragen die Jahreszahl 1810. Die ältesten Ortseinwohner betrachten es als ein heimliches Vermächtnis eines früheren ortseingesessenen Offiziers aus jener Zeit. Nach in Atterwasch verbreiteten Gerüchten, soll in der Umgegend des Ortes vor den Freiheitskriegen viel Geld vergraben worden sein.


19. Juli 1902

Atterwasch: Weitere Neuigkeit zum Münzenfund in Atterwasch: Das Geld ist im Jahre 1802 von dem Bauer Christoph Richter in seinem Weinberge vergraben worden, vielleicht des drohenden Krieges wegen, vielleicht auch noch aus anderen Gründen. Den Versteck des Geldes theilte er seinen Kindern nicht mit. Erst etwa 15 Jahre nach seinem Tode fanden sein Sohn und seine Tochter nach langem Suchen 1.000 Thaler von dem vergrabenen Gelde wieder auf. Sie und weitere Nachkommen waren überzeugt, daß noch mehr Geld vergraben sein müsse, aber es war nicht zu finden. Im Jahr 1944 wurde der Weinberg zur Gemeindesandgrube gemacht.


20. Juli 1902

Das hiesige Stadtmuseum (Markt 12) hat im Laufe der letzten Wochen vielfache Bereicherung erfahren. Die Ausstattung eines der Zimmer mit Möbeln auf der Zeit von 1730-50 ist erweitert worden. In demselben Raum ist das Modell, nach welchem 1836 die Kirchthurmfahne gearbeitet worden ist, in deren wirklichen Größe ausgestellt; einer der von Herrn Wuttge geschenkten Schränke enthält die Anfänge einer Sammlung von altmeißner Porzellan, das in Gubener Familien in Gebrauch gewesen ist. Ebenda ist eine seltene Zusammenstellung von Zierpapieren aus Nürnberger und Augsburger Fabriken vom Endes des 17. Jahrhunderts zur Schau gestellt; die in Gold gedruckten Bilder geben Scenen aus dem Leben, Heiligengestalten, wilde Thiere und Arabesken wieder und sind so wohlerhalten, als hätten sie kaum die Presse verlassen. Dieser Zustand erklärt sich durch die ungestörte Aufbewahrung in alten Magistratsakten. Interessante Zeitungsblätter über Vorgänge der Jahre 1848-50, 1878 u.a., hiesige alte Theaterzettel für bemerkenswerthe Aufführungen, ferner Andenken an hervorragende Angehörige des Stadt- und Landkreises, z.B. ein viertes Bild von Corona Schröter, 1751 in Guben geb., in Ilmenau am 23. Aug. 1802 gestorben, eine Medaille auf der Gubener Rektor C. A. Böttiger geprägt, Siegel und Handschrift des Dichters Chr. D. Freiherr von Schoenaich auf Amtitz, (gest. 1805) und Ansichten bemerkenswerther Baulichkeiten, die z. Th. dem Abbruch entgegensehen, sind hinzugekommen.

Das Museum ist allsonntäglich von 11 - 1 Uhr zur unentgeltlichen Besichtigung geöffnet.

Neueste Nachrichten: Berlin: Das Berliner Tageblatt erfährt, daß im Befinden des in Schirke im Harz sich aufhaltenden Professors Virchow eine Verschlimmerung eingetreten sei. Virchow hatte in den letzten Tagen bedrohliche Schwächeanfälle.


22. Juli 1902

In dem Befinden Rudolf Virchows, der sich in Harzburg aufhält, ist eine wesentliche Besserung eingetreten. Geheimrath Virchow hat allerdings in der letzten Zeit mehrfach an Athemnoth gelitten, doch gab sein Zustand keineswegs zu irgendwelchen Besorgnissen Anlaß. Dieser Tage wurde von Berlin ein Krankenwärter berufen, welcher aber nur den jetzigen Pfleger ablösen soll. In der Villa laufen täglich Briefe und Telegramme ein, durch welche Erkundigungen über das Befinden des berühmten Gelehrten eingezogen werden.


26. Juli 1902

Fräulein Dr. Else Neumann, die am 18. Februar 1899 als erste Dame an der Berliner Universität zum Doktor promoviert wurde, fand man Mittwoche tot in einem Laboratorium, wo sie mit chemischen Arbeiten beschäftigt war. Frl. Neumann war beinahe 30 Jahre alt. Durch ihr bescheidenes Wesen gewann sie auch manchen Gelehrten, der von der modernen Frauenbewegung nicht allzu viel wissen wollte. Offenbar ist sie durch einen unglücklichen Zufall, vielleicht durch Einathmen giftiger Dämpfe, ein Opfer ihres wissenschaftlichen Dranges geworden.

Cottbus:

Bittere Erfahrungen in der Ehe macht ein seit etwa dreiviertel Jahren verheirateter hiesiger Eisenbahnbeamter. Er hatte vor 14 Tagen sein Frau zum Besuche ihrer Eltern in die Provinz gesandt, damit sie gleichzeitig auch ein Erbtheil in Empfang nehmen sollte, das zum Kaufe eines Grundstückes benötigt wurde. Am Sonntag wollte der Mann seine Gattin abholen,  erfuhr aber bei seiner Ankunft, daß sie nur 2 Tage bei ihren Eltern gewesen ist und nach Empfang des Betrages von 2.400 Markt wieder abgereist war. Nachträgliche Erkundigungen ergaben, daß die "treue Lebensgefährtin" mit einem früheren Verehrer das Weite gesucht hat.


30. Juli 1902

Das hiesige, unter dem Projektorat der Frau Prinzessin Reuß Marie Alexandrine Herzogin zu Sachen stehende Komitee für das Corona Schröter-Denkmalverfügt bis jetzt in runder Summe über 1.700 Mark. Die öffentlichen Sammelungen sollen mit dem hundertjährigen Todestage der 1751 in Guben geborenen Künstlerin, dem 23. August d. Js. beginnen. Dem Komitee sind unlängst der Geheime Rath Ruland, der Vorsitzende der Goethe-Gesellschaft, und Dr. Suphan, der Direktor des Goethe-Schiller-Archivs, beide zu Weimar, wie der Professor für deutsche Literatur an der Universität Berlin, Dr. Erich Schmidt, beigetreten. Vorsitzender ist bekanntlich Justizrath Hoemann hierselbst.