Gubener Zeitung

Die Gubener Zeitung, von 1871 bis 1944 kann auf Rollfilm in den Räumlichkeiten der Stadtbibliothek Guben eingesehen werden.

1902

Januar Februar März April Mai Juni Juli August September Oktober November Dezember

2. September 1902

Corona Schröter-Denkmal: Zufolge des am 23. August veröffentlichten Aufrufs des Denkmal-Komitees sind demselben bereits von mehreren Seiten Beiträge zugegangen, darunter von Ihrer Majestät der Königin von Rumänien (Carmen Sylva) 50 Mark, von Seiner Majestät dem Könige Oskar von Schweden und Norwegen 200 Mark. Am 23. August 1902, dem 100jährigen Todestage der großen Künstlerin, hat die gesammte deutsche Presse in umfangreichen Aufsätzen die hohe Bedeutung Coronas gefeiert. Das Interesse für die Ehrung ihres Andenkens ist dadurch allenthalben, wo deutsche Kunst und deutsche Literatur gewürdigt werden, wachgerufen worden. Die Bürgschaft Gubens wird, wie wir hoffen, nicht zögern, für die, sie zunächst berührende Denkmalsangelegenheit durch zahlreiche und reiche Spenden ihre Antheilnahme ebenfalls zu bethätigen.

Die Amtliche Ausgabe der neuen deutschen Rechtschreibung ist jetzt im Druck erschienen.

Die Einführung in den Schulen soll zu Ostern des nächsten Jahres erfolgen.

Der leitende Grundsatz, nach dem bei der Neubildung unserer Rechtschreibung gearbeitet wurde, war, Orthographie zu schaffen, in der alle deutschen Länder, auch Österreich und Schweiz, mit den Eigenthümlichkeiten ihrer Schreibweisen möglichst zu ihrem Rechte kommen. Von den Einzelbestimmungen der neuen Rechtschreibung sei erwähnt, daß th in den deutschen Wörtern nicht mehr geschrieben wird; es heißt also fortan tun anstatt thun und Tür anstatt Thür. Ausgenommen von dieser Regel sind aber einige deutsche Eigennamen, von denen einige das h behalten müssen, einige jedoch auch ebenso gut verlieren wie behalten dürfen.

Am vielseitigsten und schwierigsten bleibt auch in der neuen Rechtschreibung das Kapitel über die Anfangsbuchstaben. Im allgemeinen ist die Stimmung für die kleinen Anfangsbuchstaben gemäß der Vorschrift: In zweifelhaften Fällen schreibe man mit kleinen Anfangsbuchstaben. Indessen soll z.B. die Anrede du und ihr in Briefen auch in Zukunft groß geschrieben werden.


4. September 1902

Briefmarken-Automaten dürften in absehbarer Zeit auch auf den Bahnsteigen größerer Eisenbahn-Stationen zu finden sein. In Folge geäußerter Wünsche hat nämlich der  Minister der öffentlichen Arbeiten die Eisenbahndirektionen um gutachtliche Äußerungen darüber ersucht, ob die Ausstellung von Briefmarken-Automaten auf den Bahnhöfen zuzulassen wäre und ob ein Bedürfniß oder ein allgemeines Interesse hierfür anzuerkennen sei. Die Bedürfnißfrage dürfte ohne Bedenken zu bejahen sein, denn nichts ist unangenehmer, als die Verlegenheit des Reisenden, für einen schnell abzusendenden Brief eine Marke zu erlangen.

Die Bedienung am Bahnhofsbuffet hält sich naturgemäß nicht gern mit dem Markenverkauf auf und dem Stations- und Fahrpersonal kann man kaum zumuten, auch noch Postalische Geschäfte zu besorgen. Die Briefmarken-Automaten würden am besten ihren Ort neben dem Briefkasten der Station finden.

Es ist nicht gut, daß der Mensch allein sei, so dachte der nahezu achtzig Jahre alte Renten-Empfänger Kaszynski in Gnesen und führte, nachdem der unerbittliche Tod ihm bereits drei Frauen entrissen, in der Person der verwittweten Gemüsehändlerin Gramse seine vierte Ehefrau heim. Hoffentlich wird dieser Vernunftheirath ein ungetrübtes Glück erblühen.


7. September 1902

Rudolf Virchow

Der Geheime Medizinalrath Prof. Dr. Rudolf Virchow ist in Berlin verstorben.

Am 18. Okt. vorigen Jahres feierte der unvergleichliche Gelehrte, der Nestor und Pfadfinder der medizinischen Wissenschaft, in voller körperlicher und geistiger Frische seinen 80. Geburtstag, zu dem ihm die gelehrte Welt ganz Europas ihre Glückwünsche darbrachte und auch der Kaiser mit seiner Anerkennung nicht zurückhielt.

Wenige Wochen später that Virchow den unglücklichen Fall von der Straßenbahn, von dem er sich nicht wieder zu erholen vermochte. Zwar gelang es einem seiner besten Schüler, dem berühmten Chirurgen Prof. Dr. Werner Körte, des Meisters schweren Beinbruch zu heilen; doch wenn auch hernach der Schenkel des bis dahin so zähen Greises wieder leidlich in der Hüfte sich dreht, die alten Kräfte kehrten nicht wieder, und mit dem Leibe siechte auch die Seele dahin. Virchow hatte einen leichten Tod und entschlummerte sanft. Was Virchow als Gelehrter und als Forscher geleistet hat, das zu sagen, müßte man eine Geschichte der Medizin des verflossenen halben Jahrhunderts schreiben. Virchow war aber nicht nur der erfolgreichste Forscher auf medizinischem Gebiete, er war gleichzeitig auch der bedeutendste Archäologe seines Jahrhunderts.


10. September 1902

Das Leichenbegängniß Virchows findet im Anschlusse an die Trauerfeierlichkeit im Rathhause heute, Dienstag, zwölf Uhr Mittags statt.

Der Trauerzug wird durch ein Musikkorps eröffnet, dem Vereine, Konporationen vor dem Leichenwagen folgen. Hinter dem Leichenwagen kommen nach den Angehörigen mit dem Oberbürgermeister und dem Stadtverordnetenvorsteher die Mitglieder des Magistrats und der Stadtverordnetenversammlung u.s.w.

Der Sarg wird im großen in einen Palmenhain verwandelten Festsaal vor der Rednerbühne, umgeben von Palmen und Lorbeerkränzen, aufgebahrt. (Weitere Inform. Gubener Zeitung 5., 10. und 11. Sept. 1902)


12. September 1902

Das grüne Laub ist bei den meisten Bäumen verhälthnismäßig früh dem Tode geweiht. Sehr interessante Untersuchungen über die durchschnittliche Entwicklungsdauer der Vegetation veröffentlicht die würtembergische statistische Landesanstalt.

Vom Ausschlagen bis zur Laubverfärbung verstreichen z.B. bei den Roßkastanien und den Birken 168, bei den Buchen 164 und bei den Eichen nur 158 Tage.

Die Zeit vom Ausschlagen bis zum völligen Ergrünen muß man, je nach dem Standort der Bäume, auf 8 bis 23 Tage schätzen; in vollem Grün zeigen sich also die Laubbäume nur etwa in einem Zeitraum von zwei Fünfteln des Jahres.


14. September 1902

Der älteste Lehrer Deutschlands ist der Lehrer Schlie im Dorfe Totenwinkel bei Rostock. Der alte Herr ist jetzt 90 Jahre alt und versieht immer noch mit Energie und Erfolg seinen schweren Dienst in einer mit 60 Kindern besetzten Schulklasse. Zur Zeit hat der 66 Dienstjahre hinter sich. Ein schwerer Schlag war es für den alten Schulveteranen, als er vor einigen Wochen seinen im 60. Lebensjahre verstorbenen Sohn, den Direktor des Großherzoglichen Museums in Schwerin, Geh.Rath Prof. Dr. Schlie, zur letzten Ruhe geleiten mußte.


24. September 1902

Fräulein Buchbindermeister: Eine junge Dame, die seit Jahren auf Veranlassung des Lette-Vereins in Berlin, London, Düsseldorf, Hamburg in der Buchbinderei ausgebildet wurde und zuletzt als Geselle in Hamburg thätig war, hat in dieser Stadt vor Kurzem die gesetzliche Meisterprüfung bestanden. Das Fräulein Meister wird nunmehr nach Berlin übersiedeln und in dem neuen Lette-Hause eine Buchbinderwerkstätte leiten.