Gubener Zeitung

Die Gubener Zeitung, von 1871 bis 1944 kann auf Rollfilm in den Räumlichkeiten der Stadtbibliothek Guben eingesehen werden.

1902

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10. Juni 1902

Wie nothwendig es ist, mit dem Kampf gegen die Trunksucht schon in der Schule zu beginnen, zeigt das "Eingesandt" eines Lehrers im Kölner Stadtanzeiger:

Durch auffallende Schläfrigkeit und geistige Trägheit meiner Schulneulinge veranlaßt, stellte ich kürzlich montags Nachforschungen über den Alkohol- und Nikotingenuß der 6jährigen Knaben an, welche zu folgendem überraschenden, zugleich schrecklichen Ergebniß führte: Von den 54 Schülern des ersten Schuljahres waren 19 am Sonntag vorher im Gasthause gewesen, 20 hatten Wein, 24 Bier, 19 Schnaps, 17 Wein und Bier, 14 Wein, Bier und Schnaps getrunken. Zehn gaben an, betrunken gewesen zu sein, neun so, daß sie zu Boden fielen, acht hatten Erbrechen infolge des Alkoholgenusses, 19 hatten geraucht, und zwar 12 auf Veranlassung des Vaters, 4 auf Veranlassung von Brüdern und 5 auf Veranlassung von Soldaten, 1 hatte sich selbst Cigaretten gekauft

Wenn auch manches Schlückchen und mancher Zug aus des Vaters Cigarre harmlos gewesen sein mag, so ist doch die Traurigkeit der Thatsache nicht zu verkennen. Man bedenke nur: vierzehn Kinder haben an einem Tage Wein, Bier und Schnaps getrunken und neun waren nachweislich sinnlos betrunken.

Was sollen wir Lehrer mit solchen Kindern anfangen und was wird aus ihnen werden?


11. Juni 1902

Eine ergötzliche Szene hat sich letzthin in einem hessischen Amtsgericht abgespielt. In der Prozeßangelegenheit eines Händlers war dessen Sohn zur Vernehmung geladen worden. Als aber der etwa vierzehn Jahre alte Junge bei seinem Aufruf im Saal erschien, brach eine unbändige Heiterkeit los, und selbst der Richter hatte große Mühe, ernst zu bleiben.


12. Juni 1902

Groß-Gastrose: Ein Dampfwagen der Firma Schwarzkopf-Berlin ist hier wieder eingetroffen. Er ist größer gebaut als der vorige und soll, wenn alles gut geht, 800 bis 900 Centner täglich vom Bahnhof Kerkwitz nach Gastrose befördern können. Die Fuhrwerksbesitzer freilich sehen dieses neue Beförderungsmittel mit nicht gerade liebevollen Augen an, da sich ihre Pferde durchaus nicht an den Anblick gewöhnen können. Scheute doch gestern ein Pferd der Fahrpost zwischen Kerkwitz und Groß-Gastrose dermaßen, daß es zu verwundern ist, daß nicht größeres Unglück angerichtet wurde. Das Lederzeug war freilich etwas sehr defekt geworden.


20. Juni 1902

Von dem Vorsitzenden des Komitees für das Corona-Schröter-Denkmal, Herrn Justizrath Hoemann, erfahren wir, daß Ihrer Hoheit, Prinzessin Marie Alexandrine von Sachsen-Weimar, Gemahlin des Prinzen Heinrich VII  Reuß-Trebschen das Protektorat über das Komitee übernommen und dem Denkmalfond 500 Mark überwiesen hat. Die Goethe-Gesellschaft in Weimar, deren Leiter dem hiesigen Komitee angehören, hat, wie wir kürzlich mittheilen konnten, den gleichen Betrag hergegeben. Das Komitee beabsichtigt in Kurzem, die hiesige Bürgerschaft und weitere Kreise zur Unterstützung des schönen Unternehmens aufzufordern, welches nunmehr seiner Ausführung mit raschen Schritten entgegengehen dürfte.


24. Juni 1902

Während der Gerichtsverhandlung gegen den Grafen Pückler und seinen Inspektor hatte Graf Pückler sich bekanntlich besonders entrüstet gezeigt während der Aussage des ärztlichen Sachverständigen, Geh. Sanitätsraths Dr. Neumann, der in seinem Gutachten über den Geisteszustand des Angeklagten diesen für nicht ganz normal erklärte und seine Unterbringung in eine Landesirrenanstalt zur Beobachtung beantragt hatte.

Graf Pückler hat durch seinen Inspektor den Geh. Sanitätsrath Dr. Neumann, einen 70 Jahre alten Herrn, befragen lassen, ob er sich mit ihm duelliren wolle. Geheimrath Neumann lehnte die Forderung selbstverständlich ab, indem er auf sein Alter und darauf hinwies, daß er seinen Schwur als Sachverständiger geleistet habe und als solcher sein Gutachten vor Gericht nach bestem Wissen und Gewissen erstatten mußte.

Jetzt lesen wir in der Staatsbürgerzeitung folgenden Erguß des Grafen Pückler: "Gleich nach der Sitzung habe ich den Sanitätsrath Dr. Neumann eine Pistolenforderung gesandt, welche derselbe jedoch ausgeschlagen hat. Der Mann kann wohl anständige Leute beleidigen, hat jedoch nachher nicht den Muth, für diese seine Worte einzutreten. Ich erkläre daher den Dr. Neumann in Glogau öffentlich für einen ...."

Das Blatt, für das Graf Pückler gelegentlich verantwortlich zeichnet, bemerkt dazu: "Die auspunktirten Schlußfolgerungen haben wir aus preßgesetzlichen Gründen nicht gebracht." Die Nummer 262 der Staatsbürgerzeitung, die in einer Extraausgabe die in den Concordiasälen gehaltene Rede des Grafen Pückler enthielt, ist auf Grund des § 130 des Str.-G-B wegen Aufreizung zum Klassenhaß beschlagnahmt worden.


25. Juni 1902

Grießen: Am 22 d. M. früh 3 Uhr ist das hiesige Schulgebäude total niedergebrannt, ein Nachbar, Winkler, bemerkte das Feuer zuerst und weckte die Schwester des Lehrers (dieser war nicht anwesend) und eine andere junge Dame, die im Schulhaus übernachtete. Das Schlafzimmer war schon voll Rauch, Winkler brachte beide Damen in Sicherheit. Die meisten Mobilien konnten gerettet werden. Wie das Feuer entstanden ist, ist unbekannt. Das Schulzimmer war abgetragen, es sollte ein neues aufgebaut werden. Dieser jetzt niedergebrannte Theil war stehengeblieben, da er noch nicht baufällig war.


27. Juni 1902

Alterthumsfund: Der Bauer Kunigk, genannt Noack, in Horno fand kürzlich beim Steinegraben auf seinem Revier auf dem Windmühlenberge einen seltenen Stein, der Herrn Professor Jentsch-Guben übergeben und dem hiesigen Museum, einverleibt wurde. Der mittelgroße, sehr harte und durch seine abnorme Schwere auffallende Stein wurde vor mehr denn 1000 Jahren von unseren heidnischen Vorfahren zum Gießen von Bronzegeräthen und Waffen gebraucht.

Das Metallgießen, welches von in der Gemeinde hochangesehenen Personen ausgeführt wurde, fand gewöhnlich auf Anhöhen und Hügeln statt, wo ein frischer Wind die Flammen stärker zu entfachen vermochte. Die beiden Flachseiten dieses früher heilig gehaltenen  Gießsteines sind glatt abgeschliffen und zeigen auf der einen Seite den Abdruck eines sichelförmigen Geräthes und auf der anderen Seite die Form eines großen Messers. - Die Hornoer Feldmark ist übrigens reich an Funden aus prähistorischer Zeit. So wurde vor längerer Zeit ein Steingrab abgedeckt.

In den Aschenurnen fand man Bronzeperlen und Spangen. Das Steingrab war ringsherum von kleinen Hügeln umgeben, welche die Aschenreste von Kinderleichen bargen, wie mit Bestimmtheit aus den Knochenresten und Metallschmuckgegenständen geschlossen werden konnte.