Gubener Zeitung

Die Gubener Zeitung, von 1871 bis 1944 kann auf Rollfilm in den Räumlichkeiten der Stadtbibliothek Guben eingesehen werden.

1903

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1. Februar 1903

Das Testament: Daß nicht allein die Phantasie ewig neu bleibt, sondern auch das Leben eigenartig Neues bietet, beweist folgendes seltsame, einzig dastehende Erlebniß des jüngst verstorbenen Amtsgerichtsraths R. in einem mittelschlesischen Städtchen.

Eines Tages wurde der genannte Herr in eine entlegene Ortschaft zur Aufnahme eines Testaments gebeten. Nachdem der begleitende Referendar den Schriftsatz den gesetzlichen Bestimmungen gemäß fertiggestellt hatte, wurde die Testirende, eine bejahrte Wittwe, aufgefordert, anzugeben, wo die Vermögensobjekte, über die sie eben Bestimmung getroffen hatte, angelegt habe resp. ob sie überhaupt vorhanden seien. Die Frau gerieth darob in Erstaunen und meinte:" Vermögen habe ich keins. Ich dachte, wenn das Gericht ein Testament aufnimmt, dann bringen die Herren vom Gericht das Geld auch mit." - Der Herr Amtsgerichtsrath soll von dieser Stunde an bei der Aufnahme von Testamenten ein anderes Verfahren eingeschlagen haben.


4. Februar 1903

Die Unglückszahl 13: Im Anschluß an das Geschichtchen, welches aus dem Kasseler Hausbesitzerverein erzählt wurde, theilte man der Frkf. Ztg. mit, daß die internationale Unglückszahl 13 in sämmtlichen Kurhäusern von Langenschwalbach ausgelassen, oder durch 12a ersetzt wurde. Sogar in der königl. Bade-Anstalt trägt die frühere Badezelle Nr. 13 jetzt die Bezeichnung 12a. Somit ist die ominöse Zahl als Unglückbringerin also gewissermaßen staatlich anerkannt.

Der schwerste Mann Deutschlands, ja vielleicht der ganzen Erde, ist unstreitig der Hotelbesitzer Hans Fromm zu Willenberg in Ostpreußen. Obwohl aus einer ganz normal gebauten Familie stammend, hat sich sein Körpergewicht nach und nach auf 502 Pfund emporgeschwungen. Diesen Rekord von 5 Zentnern zwei Pfund dürfte so leicht niemand zu schlagen im Stande sein.


5. Februar 1903

Gestohlene Kanonen: Ein merkwürdiger Diebstahl wird aus der jütländischen Stadt Aarhus berichtet: Als eines Morgens die Lotsenwache am Hafen des Nebels wegen aus den auf der Hafenmole aufgestellten beiden Kanonen Signalschüsse abfeuern wollten, waren die Geschütze spurlos verschwunden! Die aus Messing gearbeiteten Kanonen sind von recht bedeutendem Gewicht und haben somit einen nicht geringen Metallwerth. Die Geschütze waren auf ihrer Steinunterlage befestigt, sodaß die "Entführung" so ganz glatt nicht hat von statten gehen können. Zuerst nahm man an, daß sie von übermüthigen Passanten nächtlicherweise ins Meer geworfen seien, was schon einmal früher vorgekommen sein soll; aber die von Tauchern vorgenommenen Untersuchungen am Meeresboden blieben ergebnißlos. Es steht demnach anzunehmen, daß die Kanonen ihres Metallwerthes wegen gestohlen sind. Die Polizei vermochte bisher irgend welche Spur nicht ausfindig zu machen.


7. Februar 1903

Groß Gastrose: Da auf dem Kaltenborner und Deulowitzer Jagdrevier Wilddiebe schon längere Zeit ihr Unwesen treiben, so unternahmen Herr v. D. und ein Gendarm eine Streife durch die Schonungen, um vielleicht durch die Auffindung von Schlingen oder sonstigen Jagdutensilien Anhaltspunkte gegen einige Verdächtige zu finden. Hierbei unterzogen sie auch eine alte baufällige Ziegelscheune auf Kaltenborner Gebiet einer eingehenden Untersuchung. Wenn auch kein Gewehr zum Vorschein kam, wie erst vermuthet wurde, so wurde ihnen doch eine Ueberraschung zu theil, sie fanden nämlich ein Fahrrad. Bei Besichtigung der Satteltasche fand sich noch die Fahrkarte, welche über den rechtmäßigen Besitzer Aufschluß gab. Es war das dem Fleischermeister Bölke gehörige Rad, das ihm vor einigen Wochen aus dem Hausflur gestohlen worden war. Dem Besitzer konnte somit sein schon verloren gegebenes Vehikle wieder zugestellt werden. Freilich wie launisch das Glück oft ist zeigte sich auch hier. An demselben Tage, an welchem die Nachricht von der Auffindung des Rades kam, hatte sich der Meister ein neues zugelegt. Jedenfalls ist der Entführer des Rades in der Nähe des Fundortes zu Hause und wagte es bisher noch nicht, sich mit dem genau beschriebenen Rade öffentlich zu zeigen.


8. Februar 1903

Eine einjährige Bierreise: Von einer Bierreise um 3000 Mark erzählt die Münchener "Allg. Ztg.": "Wie am Biertisch von allem Möglichen und Unmöglichen gesprochen wird, so kam jüngst am Stammtisch einer Wirthschaft die Sprache auch auf die große Zahl der zur Zeit in München bestehenden Wirthschaften. Einer der Gäste, ein behäbiger Privatier, warf die Frage auf, wie lange man wohl brauchen würde, um die sämmtlichen Wirthslokale der Stadt nebst einverleibten Vororten zu besuchen und dabei jedesmal eine kleine Zeche zu machen. Man stritt sich um verschiedene Zeitpunkte, bis schließlich ein Kollege des Privatiers meinte, er würde im Zeitraum eines Jahres die sämmtlichen Wirthschaften abthun. Das wurde aufs lebhafteste bestritten, so daß der endlich in Harnisch gebrachte Mann eine Wette vorschlug. Er fand einen Partner in der Person eines Großhändlers, und nach längerer Zeit wurde die Wette so festgestellt, daß der Privatier innerhalb Jahresfrist sämmtliche Wirthschaften und Restaurants, in denen Bier ausgeschenkt wird, zu besuchen und in jeder mindestens ein Glas Bier zu trinken habe. Ueber den vollzogenen Besuch hat er jeweilig eine Bestätigung des Wirthes beizubringen, die dann immer am folgenden Tage nachkontrollirt wird. In welcher Reihenfolge er den Besuch der Wirthschaften regeln will, bleibt ihm überlassen. Als Wettbetrag wurden beiderseitig 3000 Mark festgesetzt, die in einem Bankhause bereits hinterlegt wurden. Am 1. Februar begann der Mann mit der Durchführung der Wette."  - Es giebt auch in unserer nüchternen Zeit wenigstens im bierfrohen München noch Idealisten!


10. Februar 1903

Ein Idyll von einer Hochzeitsreise. Auf einer Hochzeitsreise nach Wien befanden sich dieser Tage der Kaufmann I. Wachsberg aus Jaroschowa mit seiner ihm eben angetrauten Frau. Im Eisenbahnkoupee gesellte sich ein schneidiger junger Mann zu ihnen und knüpfte mit der jungen Frau eine rege Unterhaltung in französischer Sprache an. In Jarnow, wo umgestiegen werden mußte, schütze die junge Frau einen Gang nach der Stadt vor. Der junge Ehemann und der Kavalier warteten erst Stunden lang auf ihre Rückkehr und gingen dann unter der Verabredung, sich auf dem Bahnhof wieder treffen zu wollen, auf die Suche nach ihr. Aber weder die junge Frau, noch der schneidige Kavalier kehrten zurück. Nachdem der junge Ehemann noch einige Tage nach den beiden geforscht hatte, erfuhr er, daß seine junge Frau mit dem Fremden, der Ingenieur und ein früherer Liebhaber der Frau war, über Deutschland nach Holland geflohen sei. 4000 Gulden Reisegeld hatte die Frau mitgenommen.


11. Februar 1903

Ein Dummerjungenstreich einer alten Frau. In Jena hat eine schon bejahrte Frau einen losen Streich verübt, der leicht hätte großes Unheil im Gefolge haben können. Bei der allen Jenenser Studenten bekannten Papiermühle, dem Endpunkte einer Linie der elektrischen Straßenbahn, wurde ein Pferdegespann scheu, und der Führer einer der dort haltenden "Elektrischen" sprang ab, um den Thierchen in die Zügel zu fallen. Inzwischen aber bestieg die in Jenenser Studentenkreisen wohlbekannte alte "Semmelfrau" den elektrischen Wagen, drehte in aller Gemüthsruhe den Strom an und freute sich Anfangs über alle Maßen, als der Wagen so schnell davonfuhr. Der Motorwagen raste aber die Kaiser Wilhelmstraße hinauf nach der Stadt. In einer engen Quergasse gerieth er aus den Schienen, prallte gegen eine Hausecke und stürzte um, die Gasse vollständig versperrend. Die Frau, die sich allein auf dem Wagen befand, kam mit einigen leichten Verletzungen davon. Der Verkehr aber war stundenlang unterbrochen.


15. Februar 1903

Am Kronleuchter im Stadttheater zeigte sich gestern Abend eine Undichtigkeit. Bekanntlich werden im Theater keine Glühstrümpfe verwendet, sondern das Gas brennt mit offener Flamme in weißen kerzenähnlichen Brennern. Während eines Zwischenaktes, als das Gas hochgeschraubt war, bemerkte man plötzlich unterhalb eines Brenners eine größere Flame, die eine intensive Hitze entwickelt haben muß, denn man sah von Zeit zu Zeit einen Tropfen flüssiges Metall herabfallen, was für die darunter Sitzenden recht bedenklich war. Einer Dame soll durch einen solchen Tropfen ein Loch ins Kleid gebrannt sein, Verletzungen von Personen sind glücklicher Weise nicht vorgekommen. Schon bemächtigte sich des Publikums eine gewisse Aufregung, da wurde zum Glück der Zuschauerraum verdunkelt und die Flame erlosch. Ob ein Brenner zerplatzt war oder worauf sonst die Erscheinung zurückzuführen war, konnte man vom Zuschauerraum aus nicht erkennen.


17. Februar 1903

Vom Wetter. "Gutes und Böses prophezei´n - durcheinander muß der Prophet; - Eins von Beiden trifft immer ein, - daß er nie mit Schanden besteht!" Dieses Wort Friedrich Rückerts sollten die Wetterpropheten sich künftig als Lehre dienen lassen. Denn alle, die das Wetter für den Winter 1902/03 vorausgesagt haben, sind schlechte Propheten gewesen; die einen meinten, wir würden einen sibirischen Winter bekommen, die anderen sprachen von einem warmen Winter. Nun erleben wir, daß keiner Recht hat; zeitweise war uns strenger Frost beschieden, dann wieder wehte fast Frühlingsluft. Am tollsten aber treibt es der Februar; goldigster Sonnenschein lockte schon, so daß einige Vorwitzige bereits vom Frühling sprachen, kaum aber war das Wort heraus, verfinsterte sich der Himmel und Regenmassen gingen hernieder. Auch heftige Stürme setzten ein, und hierauf kamen Graupelschauer und Schneefälle. Das alles hinderte indessen nicht, daß bald darauf Frau Sonne uns wieder anlächelt und das Quecksilber im Thermometer plötzlich 5 Grad unter den Nullpunkt sinkt. Der April könnte nicht launischer sein als dieser Februar, der dafür sorgt, daß der tückische Gast Influenza bei uns bleibt und sich recht breit macht, sehr zu unserem Verdruß.

Wie Moltke über lange Reden dachte. Es ist bekant, daß Moltke den Offizieren des Generalstabes, die ihm statt kurzer Arbeiten voluminöse Hefte überreichten, sie mit dem Bemerken zurückgab, sie hätten heute wohl nur wenig Zeit gehabt, da sie so viel geschrieben hätten. Neu dagegen ist die Unterhaltung mit dem "großen Schweiger", die ein ehemaliger Parlamentarier in der "Köln. Ztg." über Moltkes Kritik des Redeflusses mittheilte. Er erklärte, er verstehe einfach nicht, wie Abgeordnete so unbescheiden und rücksichtslos sein könnten, ihren Kollegen des Anhören langweiliger Reden zuzumuthen. Das sei geradezu die kostbare Zeit der Zuhörer gestohlen. Wer eine Rede wohldurchdacht und gründlich vorbereitet habe, könne durchweg innerhalb höchstens 20 Minuten die wichtigsten parlamentarischen Fragen erörtern; wer länger rede, pflege in der Regel seinen Stoff nicht zu beherrschen, sei unklar im Denken oder sei zu faul, um rechtzeitig seine Rede vorzubereiten und gründlich durchzuarbeiten.


18. Februar 1903

Wassermangel herrscht in Bromberg. Hierzu bringt das "Bromb. Tgbl." folgenden Schmerzensschrei:

"Die städtischen Behörden sollten doch nun endlich unumwunden erklären, wie lange der Wassermangel noch anhalten kann, oder fehlt dazu der nöthige Muth?

Recht eigenthümlich wirkt es, wenn die Kasse des Wasserwerkes Mahnzettel zur Zahlung des Wasserzinses(!!) unter Androhung der Zwangsvollstreckung jetzt zustellt. Aber das Sprichwort sagt ja: Ein Unglück kommt selten allein." - Ein "Eingesandt" der "Ostdt. Presse" schildert die Kalamität in humoristischer Weise wie folgt:

Zur Wassernot

O, Varus, Varus, gieb uns unsere "Wasserpumpen" wieder! denn

In Milch koch ich Kartoffeln,

Das Fleisch in Bier - auf Ehr`,

Den Kaffee in Champagner -

Die Fische in Likör!

Um Wassersupp`zu kochen,

Da nehm ich Moselwein.

Mich waschen oder baden -

Das laß` ich jetzt ganz sein!


25. Februar 1903

Was ist ein Schubiak? In einer Stadt Süditaliens gingen kürzlich zwei deutsche Herren vor den Kadi, und zwar verklagte der eine den anderen, weil er ihn einen Schubiak genannt habe. Der italienische Richter wünschte natürlich zu wissen, was ein Schubiak sei, da er doch sonst die Schwere der Beleidigung nicht ermessen könne, allein kein Mensch konnte es ihm erklären. Der Kläger, ein Berliner, versicherte, daß Schubiak in Norddeutschland ein höchst ehrenkränkender Titel sei, aber eine Definition könne er nicht geben; der Beklagte antwortete dasselbe. Schließlich wurden Sachverständige aus der deutschen Kolonie vorgeladen; sie betonten gleichfalls den beleidigenden Charakter des Ausdrucks, aber weiter kamen sie auch nicht. Und da die Parteien einen Vergleich ablehnten, so verurtheilte schließlich der Richter den angeklagten zu fünf Lire Geldstrafe, aber was ein Schubiak ist, hat er nicht erfahren.

Ein Theurer Hahn: Das "Mainzer Tageblatt" erzählt die Geschichte eines Mannes, der böse hineinfiel, als er einen Bauern zum besten haben wollte. Der Bauer kam in eine Wirthschaft auf der hinteren Bleiche und hatte einen Hahn bei sich, den ein Gast kaufen wollte.  Als der Bauer sagte, das Thier sei ihm nicht feil, erbot sich der Gast, soviel mal eine Mark für den Hahn zu bezahlen, als er in der ersten Viertelstunde krähe. Darauf ging der Bauer vergnügt schmunzelnd ein und ahmte im nächsten Augenblick täuschend das Gegacker einer Henne nach. Einen Augenblick blieb alles still, dann hob der Hahn den Kopf, schüttelte sich und ließ fünfmal ein lautes "Kikeriki" hören.  Ein homerisches Gelächter erfolgte. Der Käufer wollte Einwendungen machen. Da aber der Bauersmann auf Zahlung bestand, wie "Shylock auf seinem Schein", so mußte der Gast 5 Mark für den Hahn bezahlen.


26. Februar 1903

Wie man faule Schuldner zum Zahlen bringt. Wie aus New York gemeldet wird, hat eine neue Agentur, die es sich zur Aufgabe gemacht hat, das Geld von faulen Schuldnern einzutreiben, ihre Tätigkeit begonnen; sie hat ein etwas sensationelles Mittel gewählt, um auf die säumigen Leute einzuwirken. Die Gesellschaft verwendet große rothe Wagen mit der Aufschrift "Sammler schlechter Schulden", die auf jeder Seite weithin sichtbar aufgemalt ist. Diese Wagen fahren vor das Haus des Schuldners und stehen dort vor der Thür, während ein Agent bei dem Schuldner vorspricht. Bei jedem folgenden Besuch bleibt der Wagen solange stehen, bis die Schuld eingetrieben ist. Das Erscheinen der Wagen erregt allenthalben große Heiterkeit.


28. Februar 1903

Ein Verein der Entlobten ist im Berliner Vorort Zehlendorf gegründet worden. Eingeladen zu der konstituirenden Versammlung waren nicht nur die Entlobten, sondern auch alle, "die es werden wollen". Thatsache ist, daß in dem beliebten und vergnügungslustigen Vorort in letzter Zeit auffallend viele Verlobungen wieder aufgehoben worden sind, und daß diese Epidemie der Entlobungen etwas ernüchternd auf die männliche und weibliche Jugend gewirkt hat.