Gubener Zeitung

Die Gubener Zeitung, von 1871 bis 1944 kann auf Rollfilm in den Räumlichkeiten der Stadtbibliothek Guben eingesehen werden.

1903

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1. April 1903

Die Baumblüthe kann in diesem Jahre unter Umständen schon mit dem Osterfeste zusammenfallen. Vereinzelt blühen schon jetzt Pfirsich- und Aprikosenbäumchen. Bei den Spillingen, Kirschen, Pflaumen und Frühbirnen sind die Knospen vielfach schon so weit entwickelt, daß man ihr Aufbrechen in Kürze erwarten darf. Ein tüchtiger warmer Regen würde jetzt ein ungestümes tropisches Wachsthum erzeugen und die Obstbäume in kürzester Zeit zum Blühen bringen. Solche Voreiligkeit ist in den meisten Fällen verderblich.

Nicht nur im April, noch im Mai sind die alljährlichen Nachtfröste eingetreten. Je weiter die Entwicklung fortgeschritten ist, desto verhängnisvoller ist der Schaden, den ein Sinken der Temperatur unter den Nullpunkt anrichten kann....

Seit 55 Jahren ist ein so zeitiger Frühling nicht zu verzeichnen gewesen, wie in diesem Jahre. 1848 zeigte der Monat März eine ähnliche Temperatur, die in den Tagen vom 16. bis 20. zwischen 18-19 Gr. R. schwankte. Es wurden Versammlungen im Freien abgehalten und Ende März wurde die Hitze fast unerträglich empfunden. Und wie der Frühling, so war auch der Sommer. Eine anhaltende Hitze, die von einer großen Trockenheit begleitet war und bis spät in den September hinein anhielt, gestaltete den Sommer verhängnißvoll für die Landwirthe. Wie damals, ist auch in diesem Jahre der Pflanzenwuchs außerordentlich vorgeschritten und in seiner Entwicklung um einen vollen Monat verfrüht.

Zum heutigen Viehmarkte waren 897 Pferde und 1112 Rinder aufgetrieben. Für Standgeld wurden 419,80 Mark eingenommen, außerdem an Standgeld für Buden 74,75 Mark.


4. April 1903

Übergabe der Strecke Cottbus - Guben. Am Sonnabend fand die Übergabe der Eisenbahnstrecke Cottbus - Guben an die Direktion Posen statt. Die an der Übergabe beteiligten Personen, es waren ihrer acht, fuhren mit einem Revisionszuge um 10.31 Uhr von Cottbus ab und stationierten nacheinander in Neuendorf, Peitz-Ost, Jänschwalde, Kerkwitz und Guben. Um 12,45 Uhr Mittags kehrte der Zug schon wieder zurück.


5. April 1903

Granow: Granow. Zu beiden Seiten des Weges Granow-Wilschwitz hatte der Besitzer auf Granow vor einigen Jahren eine Birkenpflanzung anlegen lassen, die zu einer lieblichen Schonung herangewachsen war. Leider wurde diese in voriger Woche von frecher Bubenhand vernichtet. An einem Abend knickte der Frevler mittels Messer 33 dieser Stämmchen und wenige Tage später 51. Es scheint ein Racheakt vorzuliegen, der aber, da man dem Täter auf der Spur ist, bald seine Sühne finden dürfte.


7. April 1903

Ein "Antischalenklub" hat sich in London gebildet. Die Mitglieder müssen sich, wie es in dortigen Blättern heißt, verpflichten, 1. niemals Aepfel-, Zitronen- und Orangenschalen auf das Steinpflaster zu werfen; diese Fruchthüllen, wenn sie sie auf dem Bürgersteig finden, von dort zu entfernen; 3. Personen, die Obstschalen auf das Pflaster werfen, darauf aufmerksam zu machen, daß sie dadurch die Gesundheit und geraden Glieder ihrer Mitbürger gefährden. Eine derartige Vereinigung würde auch in anderen Städten ein reiches Feld für ihr nützliches Wirken finden.


12. April 1903

Die Witterungsverhältnisse verheißen für Ostern nichts Gutes. Der frühzeitlich eingetretenen Lenz ist noch einmal durch den Winter verdrängt worden. Rauh weht der Nordwind und das Quecksilber im Thermometer erhebt sich nicht viel von dem Nullpunkt. Es hat ganz den Anschein, als ob es uns nicht besser ergehen sollte, wie im vorigen Jahre, wo uns der erste Feiertag mit Regengüssen und einem schauerlichen Orkan traktierte und der zweite abwechselnd Schneegestöber und Sonnenschein bei empfindlicher Kälte brachte.

Eine eigenartige Katastrophe wird aus Amerika gemeldet. Ein Teil der Bahnlinie der Südpacificbahn an der nördlichen Seite des großen Salzsees in Utah beginnt im Flugsand zu versinken, welcher sich erst kürzlich unerwartet gebildet hat. Zwölf Arbeiter, die die Bahnstrecke reparieren sollten, haben bereits ihr Leben verloren, da eine Rettung unmöglich ist. Zirka 10 bis 15 Meilen der Bahnstrecke sind vollständig verschwunden. Die Arbeiter weigern sich, nach dem Unfall dort zu arbeiten, sodaß die ganze Strecke in der Nähe des Sees, deren Bau 16 Millionen Mark gekostet, aufgegeben und ein großer Umweg einige Meilen nördlich gebaut werden muß.


15. April 1903

Lübbenau: Das Spreewalddorf Lehde war bis jetzt noch nie im Besitz einer Feuerspritze. Jetzt hat sich die Gemeinde eine solche zugelegt, sie wurde am Mittwoch im Beisein des Stabes der Lübbenauer Feuerwehr geprobt. Sie stammt von der Firma Kolbe-Luckenwalde und kostet ca. 900 Mark. Es ist eine sogenannte Abprotzspritze und die Art dieser Konstruktion ist gerade für das Wasserdorf Lehde sehr notwendig, da ja die Spritze fast immer per Kahn zur Feuerstelle transportiert und deshalb von den Rädern abgeprotzt werden muß. Obgleich die Häuser des Dorfes Lehde heute noch vielfach aus Holz bestehen und mit Rohr gedeckt sind und früher ausschließlich aus diesem sehr feuergefährlichen Material gebaut waren, so hat das Dorf doch seit mindestens zwei Jahrhunderten keinen Hausbrand gehabt, sodaß die Haltung einer Feuerspritze eigentlich überflüssig geworden war. Hoffentlich wird das Dorf auch nach Anschaffung der Spritze noch recht lange von Feuersbrünsten verschont bleiben

Eine lustige Hahnengeschichte beschäftigte dieser Tage das Oberverwaltungsgericht. In Homburg v.d.H. lebt ein Rentner Theodor Küllmann, dessen Lieblingsbeschäftigung die Hühnerzucht bildet, die er in großem Maßstabe betreibt. Besonders stolz ist er auf 15 Hähne, welche bei den Nachbarn nicht besonders beliebt sein sollen, da sie schon in den frühesten Morgenstunden ihre Stimmen im Chor erschallen lassen. Eine Nachbarin beschwerte sich besonders über den Chorgesang der Hähne bei der Polizeibehörde und behauptete, sie würde durch die Hähne bisweilen schon vor 3 Uhr morgens in ihrem Schlafe gestört. Die Polizei stellte darauf dem Rentner eine Verfügung mit Strafandrohung zu, worin ihm zur Pflicht gemacht wurde, das gesundheitsschädliche Krähen der Hähne auf ein erträgliches Maß zurückzuführen. Der Rentner führte Beschwerde beim Regierungspräsidenten und Oberpräsidenten von Hessen-Nassau, erhielt jedoch abschlägigen Bescheid. Der Oberpräsident erklärte, das Geschrei der Hähne in den frühen Morgenstunden erscheine geeignet, die Nachtruhe der Nachbarn zu stören und eine Gesundheitsschädigung herbeizuführen.

Alsdann strengte Küllmann gegen den Oberpräsidenten Klage vor dem Oberverwaltungsgericht an und hob hervor, durch das Krähen der Hähne könne unmöglich die Gesundheit der Nachbarn geschädigt werden; ferner aber erscheine die polizeiliche Auflage auch unausführbar.

Den Hähnen könne das Krähen nicht untersagt werden; schalldichte Wände seien noch nicht erfunden. Der erste Senat des Oberverwaltungsgerichts setzte die polizeiliche Verfügung außer Kraft, weil sie zu unbestimmt sei. In der Verfügung werde nicht angegeben, in welchen Stunden das Krähen der Hähne herabgemindert werden soll; ferner aber sei nicht klar, was unter einem erträglichen Maße verstanden werde.

Ein musikalischer Wolkenkratzer. Eine eigenartige Statistik stellt ein amerikanische Blatt auf. In Minneapolis gibt es ein vierzehn Stock hohes Haus, in dem man 129 Klaviere, 23 Orgeln, 7 Geigen, 37 Celli und verschiedenen andere Instrumente im Besitz von Einwohnern gezählt hat. Die Hausordnung dieses Wolkenkratzers verbietet es wenigstens, vor acht Uhr morgens und nach zehn Uhr abends Musik zu machen. Aber es muß auch in dem Hause schön zu wohnen sein, wenn innerhalb dieser Stunde alle diese Instrumente in Tätigkeit gesetzt werden.


16. April 1903

Der Neubau der Lutherischen Kirche schreitet rüstig der Vollendung entgegen. Während des Winters ist der innere Ausbau in Angriff genommen worden und jetzt im wesentlichen fertig gestellt. Altar, Kanzel, Gestühl, Chor, Heizungsanlage usw. sind bereits vorhanden. Demnächst wird auch die Orgel, welche von der Firma Sauer in Frankfurt a. O. gebaut wird, zur Aufstellung gelangen. Noch kurz vor dem Osterfeste sind zur Zierde des Gotteshauses zwei große Wandgemälde angebracht worden: "Der Herr ist mein Hirte" und "Siehe, ich verkündige Euch große Freude." Beide sind von dem Maler Paul Thumann (geb. 1834 in Tzschacksdorf in der Lausitz) ausgeführt worden. Der Bau soll so gefördert werden, daß das Gotteshaus im Juni d. J. der lutherischen Gemeinde übergeben werden kann, die darin endlich ein festes Heim finden wird.

Sonderlinge. Dieser Tage wurde in Gries bei Bozen ein Mann zu Grabe getragen, der wohl den Beinamen eines Sonderlings verdiente. Es war dies der 64 Jahre alte ehemalige Lehrer Herman Thile aus Halle a. S Zwanzig Jahre lang lebte er im Gasthause "Zum Baumgarten" in Gusidaun in einem Zimmer des Stockwerks, das er nie verlassen hat. Seine Menschenscheu ging so weit, daß ihm seine Mahlzeiten auf einen Tisch außerhalb der Tür gestellt werden wurden. Hatte sich die bedienende Person entfernt, so holte er sich das Essen, um nach eingenommener Mahlzeit das Geschirr hinauszustellen und sich wieder in seinem Zimmer zu verschließen. So lebte der Einsiedler, wie gesagt, 20 Jahre. Dabei dachte er doch der Allgemeinheit, und aus seiner Hand floß für allgemeine Zwecke manche reiche Spende, so daß manches Auge feucht wurde, als die Leiche des sonderbaren, aber edlen Mannes dem Schoß der Erde überliefert wurde.


17. April 1903

Ein wirksames Gebet. Der aus Lodz kommende Eilzug wurde dieser Tage einige Stationen vor Warschau durch einen originellen Zwischenfall aufgehalten. Mitten auf dem Gleise kniete ein Mann mit entblößtem Haupte und betete, ohne sich von der Stelle zu rühren, obwohl der Zug mit rasender Geschwindigkeit herankam. Dem Zugführer, der den sonderbaren Beter wahrgenommen hatte, gelang es noch rechtzeitig, den Zug zum Stehen zu bringen. Als man den Man wegen seines seltsamen Benehmens zur Rede stellte, meinte er, er habe in Warschau dringend zu tun, und da der Zug hier nicht hält, so habe er sich auf das Gleis gekniet zu Gott gebeten, daß der Zug hier halten möge, und nun habe der gütige Gott diese Bitte tatsächlich erhört.

Wozu ein Fundbureau gut ist. Eine heitere Geschichte hat sich unlängst in Avignon ereignet und wird dort viel belacht. Vor ungefähr vier Jahren verschwand ein Postsack mit Wertpapieren in Höhe von 19.500 Francs, welche von London an ein Bankhaus in Avignon gesandt worden waren. Es wurde eine große Untersuchung eingeleitet, nach allen Richtungen hin recherchiert, und man bot die Nummern der Papiere auf. Doch alle Bemühungen waren umsonst. Das Packet blieb verschwunden, und die französische Postverwaltung mußte den ganzen Betrag als Schadenersatz an das Bankhaus in Avignon bezahlen, da die englische Postbehörde den Nachweis erbringen konnte, daß in Calais der Postsack der französischen Post übergeben worden war. Jetzt, nach vier Jahren sollte sich das Rätsel lösen und die Sendung im  Polizeifundbureau von Avignon entdeckt werden! Damals hatte nämlich ein Kaufmann aus Avignon am Bahnhof dieser Stadt den Postsack gefunden und ihn im Polizeibureau abgegeben. Hier lagerte das Packet ruhig, und den Polizeibeamten war es nicht eingefallen, einmal den Sack zu öffnen. Aber das Fundstück wäre gewiß auch jetzt noch nicht der Öffentlichkeit übergeben worden, wenn der Finder sich nicht abermals bei der Polizei gemeldet und den Fundgegenstand als sein Eigentum reklamiert hätte, da sich nach der gesetzlich vorgeschriebenen Zeit der wahre Eigentümer nicht gemeldet habe. Jetzt erst stellte die Polizei eine Untersuchung an, deren Resultat eben die Enthüllung brachte, daß dieses Fundstück identisch sei mit dem vor vier Jahren verschwundenen Postbeutel.


21. April 1903

Ein Baumblütensonntag, wie ihn Guben schwerlich jemals erlebt hat, war der gestrige Tag. Frühkonzert in Germersdorf, Matinee auf Kaminskys Berg war angekündigt, bei einigermaßen leidlichem Wetter konnte man auf Besucher zur Baumblüte von auswärts rechnen, wenn auch noch nicht zu erwarten stand, daß sie in großer Zahl eintreffen würden. Die Hoffnung, daß der ersehnte Witterungsumschlag endlich kommen würde, schwand allerdings Sonnabend Nachmittag, als ein eisiger Nordwind wie im November durch die Straßen fegte und das Quecksilber im Thermometer so ziemlich bis auf den Gefrierpunkt sinken ließ; aber auf das, was kam, war man doch nicht gefaßt. Von Schlesien wie vom Rheinlande, aus Österreich wie aus Frankreich wurden starke Schneestürme gemeldet, und in der Nacht zu Sonntag traf der weiße Schrecken auch hier ein. Sonntag früh zeigte der erste Blick zum Fenster hinaus, daß eine dicke Schneeschicht ausgebreitet lag und noch immer ging das Schneetreiben fort; den ganzen Tag hielt es ununterbrochen an, auch die Nacht hindurch, und heute schneite es noch bis Mittag. Solche ungeheuren Schneemassen sind seit vielen Jahren hier nicht niedergegangen.

Schülerverschwörung. Dieser Tage entdeckte der Direktor des Gymnasiums Sandomierz in Russisch-Polen unter den höheren Gymnasiasten eine Verschwörung und stellte einige hierüber zur Rede. Sofort fielen einige der jungen Männer über ihn her und schlugen ihn blutig; den hinzugeeilten übrigen Lehrern geschah dasselbe. Die Polizei nahm mehrere Verhaftungen vor; der Pedell [Hausmeister] wurde mitverhaftet, der der Urheber der Verschwörung war. - Eine gleiche Verschwörung erfolgte in der Domrowaer Bergschule unweit der preußischen Grenze. Auch hier wurden am Freitag der Direktor und die übrigen Lehrer von vier Bergschülern mißhandelt. Als die Polizei erschien, ergriffen die jungen Herren die Flucht, zwei von ihnen wurden festgenommen, zwei entflohen über die Grenze nach Preußen. Die Bergschule wurde vorläufig geschlossen.


22. April 1903

Groß-Gastrose: Stille Osterfeiertage waren fast allen Eltern unseres Dorfes bescheert, da die meisten Kinder an Masern erkrankt waren. Während sonst in den Ferien fröhlicher Kinderjubel in den Straßen herrschte, blieb diesmal alles still. Das so beliebte Wallein suchte man vergeblich, da ja bald Haus an Haus von der Krankheit heimgesucht worden war. Glücklicherweise nehmen die Masern normalen Verlauf und treten nicht bösartig auf. infolge der Masernepidemie war natürlich der Beginn des neuen Schuljahres ein sehr kläglicher, indem von beinahe 80 Schülern nur mit 12 der Unterricht begonnen werden konnte.


24. April 1903

Goß-Gastrose: Da die Masern leider immer weiter um sich greifen, so ist auf Veranlassung des Kreisphysicus, Medizinalrats Dr. Jungmann die Schule geschlossen worden.