Gubener Zeitung

Die Gubener Zeitung, von 1871 bis 1944 kann auf Rollfilm in den Räumlichkeiten der Stadtbibliothek Guben eingesehen werden.

1903

Januar Februar März April Mai Juni Juli August September Oktober November Dezember

5. Mai 1903

Duellierende Damen. In Moskau fand dieser Tage zwischen der Gattin eines hohen Militärs und der Arztwitwe Marie Wosikow ein Säbelduell statt, in dem die letztere eine schwere Verwundung am rechten Arm erhielt. Die beiden Duellantinnen schieden unversöhnt. Die Ursache des Zweikampfes bildete ein Wortwechsel, in dem die Arztwitwe ihre Gegnerin beschuldigte, Beziehungen zu einem jungen Offizier zu unterhalten. Als Zeugen fungierten bei dem Duell Freundinnen der beiden Duellantinnen.

Graf Zeppelins neueste Erfindung. Graf Zeppelin, der lange Zeit hindurch die aeronautische Welt in seinem lenkbaren Luftschiff in Aufregung erhielt, wird in nächster Zeit in Berlin eine von ihm gemachte Erfindung ausstellen, die ebenfalls in Fachkreisen großes Aufsehen erregt. Es ist dies ein Boot, welches mit einer außerhalb des Wassers rotierenden Schraube fortbewegt wird. Die fortbewegende Kraft erzielt diese Schraube durch Benutzung des Luftwiderstandes. Das Boot ist sehr leicht und flach gebaut, es hat nur 10 Zoll Tiefgang und ist imstande, 14 - 16 Knoten in der Stunde zurückzulegen. Der Erfinder hofft, daß sich besonders koloniale Kreise für das Boot interessieren werden, weil es in den meisten mit Wasser- und Schlingpflanzen angefüllten Tropengewässern unmöglich ist, ein gewöhnliches Schraubenfahrzeug zu verwenden.


6. Mai 1903

Für die bevorstehende Reichstagswahl sind in der Stadt Guben 7099 Wähler vorhanden. Die Stadt ist in 11 Wahlbezirke eingeteilt.

Zu ärgerlichen Szenen kam es - so wird aus Werder berichtet - anläßlich des vorgestrigen zweiten "Baumblüten-Sonntags", der viele Tausende von Berlinern per Dampfer und Eisenbahn dem freundlichen Städtchen zuführte. Verschiedentlich plünderten Besucher in rücksichtsloser Weise die herrlichsten Kirsch- und Pflaumenbäume, um sich in üblicher Weise mit den geraubten Trophäen zu schmücken. Natürlich ließen sich die erbitterten Besitzer diesen Vandalismus nicht ruhig gefallen und so kam es mehrfach zu höchst unliebsamen Szenen.

Auch hier (Guben) wird über dieselbe Rücksichtslosigkeit mancher Besucher unserer Baumblüte Klage geführt, wenn die Bäume auch nicht in der Weise heimgesucht sein werden, wie es wohl in Werder der Fall gewesen sein mag.

Eine originelle Anzeige bringt ein fränkisches Blatt.

Da heißt es: Gestern hat mir meine Frau zum Andenken an meinen Namenstag des rechte Trommelfell zerschlagen, so daß ich jetzt nicht gut höre; und weil ich nun schlecht höre, so leiste ich auch keine Zahlung mehr für dieselbe und warne jedermann, ihr auf meinen Namen etwas zu borgen. Gg. Schuberth, Bürstenmacher.


7. Mai 1903

Groß-Gastrose: Ein heiteres Vorkommnis wird von den Beteiligten noch viel belacht. Der Kriegerverein zu S. hielt am vorigen Sonntag seine Monatsversammlung im dortigen Schanklokal ab. Als die Versammlung zu Ende war und die Fidelitas beginnen sollte, beschlossen die wackeren Veteranen, ein Fäßchen, gleichzeitig zur Feier der herrlichen "Boomblut" anzustechen Gesagt, getan. Alles gibt sich in Gedanken schon dem erhofften Genusse hin; endlich wird das erste Glas gebracht. Aber was ist das, solch helles Bier?

Doch ein findiger Kopf, der mit den neuesten Bierprodukten Gubens schon vertraut ist, erkannte das edle Naß: "Weißes Bockbier", so jubilierte er. Doch umsonst war all die Freude, sie sollte gründlich zu Wasser werden.

Ein Faß des edelsten, reinsten - Wassers war angezapft worden. Wie die Verwechslung zustande gekommen, darüber schweigt des Sängers Höflichkeit. Da es aber das einzige Fäßchen im ganzen Keller war, so nahm man an, daß der Marketender des Kriegervereins  ein Antialkoholiker geworden und man bedauerte nur, ihn nicht als würdigen Vertreter nach Bremen auf den Anti-Alkoholkongreß gewählt zu haben.


8. Mai 1903

Die Nützlichkeit des Kuckucks ist zwar im allgemeinen bekannt, noch selten ist sie aber in so umfangreicher Weise bewiesen worden, wie durch eine Reihe von Untersuchungen, die vor einiger Zeit in der biologischen Abteilung der landwirtschaftlichen Staatsbehörde der Vereinigten Staaten Nord-Amerikas von den Professoren Beal und Judd vorgenommen wurden. Die Forscher hatten 109 Magen des gelbschnäbeligen und 46 des schwarzschnäbeligen Kuckucks zur Verfügung, deren Besitzer in der Jahreszeit von Mai bis Oktober gefangen worden waren. Nur einer von diesen 155 Magen enthielt auch Pflanzennahrung. Sonst bestand der Inhalt aus Käfern, Heuschrecken, Grillen, Wanzen, Ameisen, Wespen, Fliegen, Raupen und Sinnen. Heuschrecken und Raupen waren allein zu drei Vierteln vorhanden. Die meisten der vorgefundenen Insekten gehörten zu den schädlichen Arten. Der sonderbare Fund im Magen eines der geopferten Kuckucke war ein kleiner Laubfrosch, der als Ganzes verschlungen worden war.


12. Mai 1903

Die drei gestrengen Herren Mamertus, Pankratius und Servatius, die Eisheiligen, wie sie der Volksmund genannt hat, haben heute ihre Herrschaft angetreten. Sie haben von vornherein erkennen lassen, daß sie von ihren traditionellen Rechten keines aufzugeben bereit sind. Das Wetter wurde schon vor einigen  Tagen allgemein kühler, der Himmel bezog sich mit einem dichten Wolkenbehang und wolkenbruchartige Regengüsse gingen nieder, die zum Teil sehr große Verheerungen und furchtbare Überschwemmungen anrichteten....

Die Eisheiligen sind und bleiben schlimme Leute und gehen, ohne Unheil anzurichten, selten an uns vorüber. Glücklicherweise ist ihre Herrschaft zeitlich nur eng begrenzt; auf einen längeren Zeitraum als den einer Woche vermögen sie ihren Einfluß nicht auszudehnen. Der Wunsch, es möchte doch nun dauernd schönes Wetter eintreten, ist um so lebhafter, als Pfingsten immer näher und näher rückt, dessen weltliche Feier ohne die Gunst des Wetters gar nicht möglich ist. Es wird uns hoffentlich nicht zum zweiten Male gehen wie im vorigen Jahre, wo an den Pfingstfeiertagen den einzigen behaglichen Aufenthalt ein warm geheiztes Zimmer bot.

Der Buchstabe tötet. Ein höchst sonderbares Stückchen finden wir in der "Deutschen Juristen-Zeitung": Eine verschollenen Frau war im Aufgebotsverfahren für tot erklärt worden. Als die Verschollenen wiederkehrte und das Ausschlußurteil durch die Klage anfocht, weil sie noch am Leben und ihre Identität außer Zweifel sei, wies das Gericht die Klägerin ab, da die Frist zur Anstellung der Anfechtungsklage verstrichen war! Die Frau wollte natürlich wieder unter die Lebenden aufgenommen werden und verfocht ihre Sache bis zur letzten Instanz. Beinahe hätte sie sich bei ihrem Tode beruhigen müssen, denn jenen sachlichen Grund wollte das Reichsgericht auch nicht gelten lassen. Zum Glück fand sich ein formeller Grund: die Präklusivfrist [gerichtlich festgelegte Frist, nach deren Ablauf ein Recht nicht mehr geltend gemacht werden kann] zur Meldung war irrtümlich auf "Donnerstag, den 12, März 1901", anstatt auf "Dienstag, den 12. März 1901", anberaumt worden, also auf einen gar nicht vorhandenen Tag. Darin fand das Reichsgericht einen Formmangel, den das Gesetz als Anfechtungsgrund zulasse. Nun darf die Frau wieder "leben".


14. Mai 1903

Ein Berliner Original ist wieder dahingegangen: die "Harfenjule", die von Haus zu Haus zog. Ein Radfahrer fuhr die Siebzigjährige um, die an den Folgen des Unfalls bald darauf verstarb.


15. Mai 1903

Zu dem Tode der "Harfenjule", des bekannten Berliner Originals wird noch berichtet: Die alte Frau mit ihrer großen Harfe, die alltäglich auf den Höfen mit einer brüchig gewordenen Stimme einfache Lieder sang, kennt wohl jedermann; sie hat ca. 30 Jahre lang auf diese Weise ihr Leben gefristet. Ging es ihr in den ersten Jahren, als der Reiz der Neuheit noch vorhanden war, und als die Gaben reichlich flossen, ziemlich gut, so kehrte später doch oft die Not bei ihr ein. Vor zwei Jahren noch unternahm es eine Künstlerin, zum Besten der Harfenjule ein Konzert im Königshof in der Bülowstraße zu veranstalten, das einen reichlichen Ertrag brachte.

Dort war es auch, wo die Harfenjule zuletzt öffentlich auftrat und ein paar Lieder zum Besten gab. Die Harfenjule hieß eigentlich Anna Thormann und war früher eine wirkliche Künstlerin auf der Harfe. Der Tod der Frau ist auf einen Unglücksfall zurückzuführen. Sie wurde, wie bereits erwähnt, am Montag am Winterfeldtplatz von einem Radfahrer angefahren und ziemlich erheblich verletzt. Kurz nach ihrer Einlieferung in ein Krankenhaus starb sie bereits. In ihrem Nachlaß befindet sich nur ein wertvollest Stück; ihre Harfe.


19. Mai 1903

- Der Flieder hat in diesem Jahr - keinen Duft, so behauptet Johanes Trojan in der "Nat.Ztg.".

Nur ganz allmählich ist man zur Erkenntnis solcher unerfreulichen Tatsache gelangt. Zunächst glaubte jeder, er merke diesen Duft nicht, weil er einen Schnupfen habe. Herrschte doch auch eine Zeit lang eine Witterung, bei der dieser Erkältungszustand als der normale erschien. Deshalb wunderte man sich auch nicht weiter, wenn andere Leute gleichfalls nichts von einem Fliederduft merkten. Erst als man überhaupt niemanden fand, der sich an dem zarten, lieblichen Dufte des Flieders so wie früher erfreuen konnte, begann man stutzig zu werden. Es erschien höchst unwahrscheinlich, daß alle Menschen gleichzeitig einen Schnupfen haben sollten. Alle Menschen bekommen zwar auch die Masern, aber doch nicht gleichzeitig. Außerdem hätte wenigstens bei dem einen oder anderen diese Geruchsunempfindlichkeit schließlich ein Ende finden müssen. Die Schuld muß also auf der anderen Seite liegen.

Die Fliederblüten haben tatsächlich nicht den gewohnten Duft. Ganz in der Nähe merkt man zwar einen schwachen Fliedergeruch, aber die Duftwellen fehlen, die sonst um diese Zeit die laue Luft erfüllten. Anscheinend sind die Duftkeime den rauhen Winden und dem Schnee des April zum Opfer gefallen. Das ist sehr traurig. Denn was ist ein Flieder ohne Duft?


24. Mai 1903

Was ist ein Phänomen? Ein Leser der "T. Z." erzählt:

"In einem Schullesestücke kommt das schwierige Fremdwort "Phänomen" vor, und der Lehrer fragt, ob jemand wisse, was es bedeute; niemand weiß es. Darauf gibt der Lehrer folgende sachgemäße Erklärung:

"Kinder, ihr kennt doch alle einen Apfelbaum? Der Apfelbaum ist kein Phänomen!

Ihr habt doch alle schon eine Kuh gesehen? Eine Kuh ist auch kein Phänomen!

Aber wenn eine Kuh auf einen Apfelbaum klettert und mit dem Schwanz Aepfel pflückt, das ist ein Phänomen!"