Gubener Zeitung

Die Gubener Zeitung, von 1871 bis 1944 kann auf Rollfilm in den Räumlichkeiten der Stadtbibliothek Guben eingesehen werden.

1903

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2. Dezember 1903

Für das Corona-Schröter-Denkmal stehen ca. 6100 Mark zur Verfügung, von welcher Summe die Hauptbeträge vom Kaiser von Österreich (1000 Gulden) und durch Theaterdirektor Hänseler (ca. 900 M.) beigesteuert sind. Man hofft, daß sich der weiße Tiroler Marmor, der von Seiten der Künstler statt der anderweitig empfohlenen Bronze befürwortet worden ist, als wetterbeständig erweisen wird. Die Zeit der Aufstellung ist noch nicht bestimmt.


4. Dezember 1903

Das städtische Elektrizitätswerk wird am 15. Dezember zur Abgabe von Strom provisorisch in Betrieb gesetzt werden.

Lauban: Ein höchst sonderbar klingendes Inserat erläßt der frühere Bürgermeister unserer Stadt, Justizrat Feichtmayer, welcher jetzt in Berlin wohnt, in den hiesigen Zeitungen: "Am 20. März 1901 wurde mir hier mein nahe bevorstehender Tod prophezeit. Nach den Laubaner Zeitungen Nr. 65 ließ man mich dort am 15. März 1902 sterben. Eine fühlende Seele hatte dazu bemerkt, daß die Pensionierung des früheren Bürgermeisters Feichtmayer aber dem Stadtsäckel ca 65000 Mark gekostet hat. Ich muß nunmehr wohl abwarten, ob man mich nicht auch als neueste ägyptische Mumie Tabak rauchend gegen Entree in Lauban ausstellen wird, um dem geschwächten Stadtsäckel wieder auf die Beine zu helfen. Bis auf weiteres aber bitte ich um stille Teilnahme für meinen Leichnam und Publikation auf meine Kosten. Berlin, den 13. November. Der Justizrat Feichtmayer."


8. Dezember 1903

Über eine angeblich sittliche Gefährdung der Jugend durch den Automatenbetrieb hat es der  Unterrichtsminister für nötig gehalten, einen Erlaß an die Regierungen und an das Provinzialschulkollegium zu Berlin zu richten. Der Erlaß erklärt sehr vernünftiger Weise, daß es nicht durchführbar sei, den Kindern alle Versuchungen ersparen zu wollen, die das heutige Kulturleben mit sich bringt. Vielmehr müsse auch hier die Erziehung der Kinder angerufen und dabei auf die Mitwirkung der Schule gerechnet werden. Die Lehrer und Lehrerinnen sollen außerhalb des Unterrichts bei geeigneten Gelegenheiten Winke und Belehrungen über die "Gefahren" der Automaten anbringen. Der Minister wünscht, daß die Angelegenheit fortgesetzt im Auge behalten und über etwaige Beobachtungen berichtet werde.

Am Bau der Eisenbahn Guben - Forst wird bei dem günstigen Wetter flott weiter gearbeitet. Auf eine Strecke von 8 Kilometer, von Forst bis Briesnigk, ist das Schienengeleise bereits fertig gestellt, sodaß gestern der Herr Präsident der Eisenbahndirektion zu Halle a. S. die Strecke schon mit einem Revisionszuge befahren konnte.


12. Dezember 1903

Verteilung der Nobelpreise: Das Nobel-Komitee machte gestern dem norwegischen Storthing die Mitteilung, daß der Friedenspreis dem liberalen englischen Parlamentarier William Randall Cremer, Mitglied des Unterhauses für Haggerton, zuerteilt worden sei. - Der Nobelpreis für Chemie ist dem Franzosen Becquerel zusammen mit dem Ehepaar Curie-Paris verliehen worden, der Preis für Physik Arrhenius-Stockholm, für Medizin Finsen-Kopenhagen, für Literatur Björnstjerne Björnson-Christiania

Peitz: In der letzten Stadtverordnetensitzung wurde über den Ausbau des Festungsturmes verhandelt. Dieses alte Bauwerk ist recht schadhaft geworden. Im Innern ziehen sich durch die 4 - 5 Meter starken Mauern lange breite Risse, ebenso an der äußeren nach Westen gerichteten Seite. Man hatte nun, um zu prüfen, ob das Mauerwerk weiter sinken würde, Tonröhrchen über die Risse mit Gips befestigt, welche bei der geringsten Veränderung zerbrechen würden; wie aber schon vorausgesetzt wurde, hat sich nicht das geringste ereignet. Die Tonröhrchen sind unbeschädigt geblieben, der Turm steht und wird jedenfalls noch Jahrhunderte stehen. Da nun auch das Dach schadhaft, die äußeren sowie die inneren Treppen sehr viel zu wünschen übrig lassen, so ist die Stadt genötigt, diese Reparaturen vornehmen zu lassen. Hierbei tritt nun das Projekt, den Turm zu einem Aussichtsturm zu gestalten, wieder in den Vordergrund und da auch in diesem Falle die königliche Regierung 2/3 der Bausumme tragen würde, so konnte dies gern bewilligt werden. Es soll nun zum besseren Aufstieg an Stelle der äußeren Holztreppe eine Steintreppe mit Dachbedeckung erbaut, der obere Raum des Turmes über dem großen Gewölbe neu hergerichtet, der Fußboden mit Steinen belegt und das Dach umgedeckt werden. Die Kosten sind auf 2700 Mark veranschlagt, wobei 1/3 die Stadt, 2/3 die Regierung zu tragen übernommen hat. Jedenfalls wird an diesem Werke für unseren Verschönerungsverein auch noch ein Teil für seine Bestrebungen übrig bleiben.


18. Dezember 1903

Warnung: Von der Gesellschaft zur Fürsorge für die zuziehende männliche Jugend zu Berlin wird uns geschrieben: Alle Eltern, Lehrherren und Meister werden dringend gebeten, ihre Söhne, Lehrlinge etc. vor unbesonnenem Zuzug nach den großen Städten, besonders nach Berlin, zu warnen. Die Zahl der in Berlin ohne Arbeit langsam sinkenden und verkommenden Jünglinge ist erschrecklich groß. Ohne vorher eine Stellung zu wissen, mit wenigen Pfennigen in der Tasche, kommen Tausende jedes Quartal nach der Reichshauptstadt, hoffen auf Arbeit, aber finden keine, denken, diesem oder jenem Freund ist es durch Zufall geglückt, so könne es ihnen auch nicht fehlen. Bald aber erfahren sie im Gewirr der Großstadt bei ruhelosem Umherirren von einer Arbeitsstätte zur anderen, in mancher Stunde der Angst und Enttäuschung, unter Hunger, Durst und Frost, wie schwer sich Leichtsinn und Unbesonnenheit rächen. Sehr oft ist das Ende: Betteln bei Tage, im Asyl für Obdachlose des Nachts; aufgegriffen durch die Polizei, bestraft mit einigen Tagen Haft wegen Landstreichens und Bettelns, wenn nicht schlechte Gesellschaft und Hunger zum Diebstahl verführt haben und schwere Strafen bedingen. Selten überwindet der in Berlin zuziehende junge Mann ein falsches Scham- und Ehrgefühl und rafft die letzten Pfennige zusammen, um in die Heimat zurückzukehren und dort im altgewohnten Kreise die Arbeit wieder aufzunehmen. Es ist zu schwer einzugestehen: Ich fand in der Fremde nicht, was ich suchte, ich fand in Berlin keine Arbeit! Da spottet doch vielleicht mancher und meint, das Heimweh habe das Muttersöhnchen nach Hause getrieben. - Darum vorbeugen  ihr Eltern, Vormünder und Lehrherren und keinen Jüngling zur Großstadt senden, der nicht schon eine sichere Arbeitsstelle, wenn möglich auch Wohnung hat oder Aufnahme bei Verwandten findet.


20. Dezember 1903

Grießen: Am Donnerstag vormittag 11 Uhr fand die feierliche Einweihung des hiesigen neuerbauten Schulhauses statt. Die Schulkinder hatten sich mit der erwachsenen Jugend vereint und Ehrenpforten und Guirlanden geschaffen, um der Feier ein festliches Gepräge zu geben. Zahlreich beteiligten sich die Gemeindemitglieder an dem Festakte. Der Lokalschulinspektor, Pastor Herrmann aus Horno, hielt die Weiherede. Die Kinder sangen unter der Leitung des Lehrers Dommaschk: "Danket dem Herrn, der alles so herrlich gewendet!" Lehrer und Schüler sind froh, nach mancher Entbehrung seit dem Brande wieder mit neuer Hoffnung an eine geregelte Schularbeit gehen zu können.

In einem Warenhaus von Berlin O gibt es bei einem Einkaufe von 1,50 Mark an ein warmes Abendbrot - ein paar Warme Wiener mit Brötchen - gratis. Mehr kann man doch wirklich nicht verlangen. Das Publikum ist für eine solche Gratisspeisung sehr empfänglich. Mit den üblichen Waren oder Barrabatten begnügen sich jetzt die Geschäfte nicht mehr. Sie greifen zu stärkeren, unmittelbar wirkenden Mitteln und packen den Käufer bei seiner schwächsten Seite, - dem Magen. Hier gibt es warme Würstchen, in einem anderen Geschäft wurden Kaffee und Kuchen - natürlich mit Schlagsahne! - spendiert, und der "gespickte Hase" hat schon in mehreren Herren-konfektionsgeschäften als Zugabe Eingang gefunden. Diese neue Art des Rabatts eröffnet verlockende Aussichten. Wenn es bei 1,50 Mark schon ein Paar warme Würstchen gratis gibt, dann ist doch z.B. bei dem Kauf eines Herrenpaletots für 80 Mark eigentlich ein Souper fällig.


22. Dezember 1903

Die elektrische Zentrale konnte gestern Abend probeweise in Betrieb gesetzt werden. War schon ohnedies gestern, am letzten Sonntag vor dem Feste, auf einen lebhaften Verkehr in den Straßen und in den Geschäften zu rechnen, so nahm er großstädtischen Charakter an, als die vor zahlreichen Geschäftshäusern angebrachten elektrischen Bogenlampen aufflammten und die Straßen mit einer Fülle wahrhaft blendenden Lichtes überfluteten. Mit rastlosem Eifer ist an dem Bau des Elektrizitätswerkes gearbeitet worden, in wenigen Monaten ist es fertiggestellt worden. Unsere Stadt ist jetzt um eine großartige Anlage reicher, die der Stadt wie keine zweite einen neuen, modernen Charakter verleiht.

Bärenklau: Ein Unternehmen, das für die Zukunft von großem Nutzen sein kann, wird zur Zeit hier ausgeführt. Unweit unseres Ortes liegt der Tuschensee; um diesen See liegen ungefähr 100 Morgen grundlose, sumpfige und völlig ertraglose Wiesen, die nicht einmal betreten, geschweige befahren werden können. Schon lange plante man, dieses Terrain zu entwässern, in diesem Jahre ist der Plan zur Wirklichkeit geworden. Es wird fleißig daran gearbeitet, einen 1800 Meter langen und stellenweise bis über 31/2 Meter tiefen Graben auszuwerfen, der das Wasser ins Mühlenfließ abführen soll. Die Kosten sind auf 5000 Mark veranschlagt, sie werden von den beteiligten Besitzern aufgebracht, doch ist eine Beihilfe des Kreises zugesagt worden. So wird es hoffentlich gelingen, aus dem bisher öde daliegenden Sumpflande fruchtbare Wiesen zu schaffen.


29. Dezember 1903

Groß-Gastrose: Bei der am Weihnachtsabend in der hiesigen Schule abgehaltenen Christfeier wurde den zahlreich Erschienenen  am Schlusse eine große Freude bereitet. Vom Mühlenbesitzer Herrn Carl Lehman wurden nämlich der Schule drei prachtvolle Bilder geschenkt. Während schon früher die Bilder unseres seligen Kaisers Wilhelm I. und seiner Paladine  Bismarck und Moltke vom Fabrikbesitzer Herrn Emil Lehmann überwiesen wurden, kamen jetzt von Herrn Carl Lehmann die Bilder Kaiser Friedrichs und unseres jetzigen Kaisers  und ein herrliches Lutherbild hinzu, alle drei in wertvollem Eichenrahmen. Überhaupt hat sich die Schule schon öfter des Wohlwollens der Gebrüder Lehmann zu erfreuen gehabt. So verdankt sie ihnen auch einen herrlichen Globus, der wohl einzig ob seiner Größe in der ganzen Umgegend dasteht, mißt doch sein Durchmesser über 1 Meter. Mit Freuden muß man diese Anteilnahme an der Schule anerkennen, mancher Schulpatron könnte sich daran ein Beispiel nehmen.