Gubener Zeitung

Die Gubener Zeitung, von 1871 bis 1944 kann auf Rollfilm in den Räumlichkeiten der Stadtbibliothek Guben eingesehen werden.

1903

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3. Juni 1903

Die Pfingstmaien sind verdorrt und der Kalmus ist so ausgetrocknet, daß auch der geschickteste Junge nicht mehr auf ihm "piepen" kann. Das Fest, auf das wir uns so sehr gefreut haben, das sich diesmal sogar auf 2 Monate verteilte, ist wie im Fluge verrauscht. Frohe Stunden enteilen  eben noch geschwinder als traurige. Pfingsten trug selten mit so viel Berechtigung wie diesmal den Beinamen des lieblichen Festes. Das Wetter spielt an keinem Feste eine solche Rolle wie zu Pfingsten, und da das denkbar herrlichste Wetter herrschte, kaum ab und zu eine leichtes Wölkchen die es mit den Pfingstausflüglern fast zu gut meinende Sonne verhüllte, nahm diesmal das schöne Fest den günstigsten Verlauf.


5. Juni 1903

Lübben: Ein außerordentlich starker Verkehr herrschte während der Feiertage im Spreewalde. Die Folge war ein völliger Mangel an Fahrzeugen. Die noch aufzutreibenden Fährleute stellten, ohne sich nur im geringsten an die Fährmannsordnung zu binden, an die Touristen unverschämte Forderungen, z.. für die Waldtour Lehde, Wotschofska, Kannomühle, Eiche, Pohlenzschänke, Burgscher Kanal, Lübbenau 15 - 20 Mk., und nach Wotschofska 4 - 5 Mk. Kein Wunder also, wenn den Ankommenden bei diesen horrenden Preisen die Lust auf eine größere Fahrt verging und jeder, um wenigstens etwas vom Spreewalde gesehen zu haben, mit dem Omnibus nach Wotschofska oder Lehde zu gelangen versuchte. Im Glanzpunkte des Spreewaldes, im eigentlichen Hochwalde, herrschte ein Riesenverkehr. Eine ununterbrochene, fast endlose, bunte Reihe von Fahrzeugen zog unter dem grünen Waldesdome dahin. Die Briefkästen in den Lokalen vermochten die Unmasse der Ansichtspostkarten nicht mehr zu fassen und Hunderte mußten die Gastwirte dem Postboten persönlich übergeben.


6. Juni 1903

Das Automobil nimmt bekanntlich im Gegensatz zum Fahrrad Steigungen des Weges mit Leichtigkeit. So traf Sonntag früh ein Automobil mit einigen Insassen von Berlin hier ein; es machte eine Fahrt in die Berge und fuhr u. a. leicht und elegant nach Engelmanns Berg hinauf und ebenso wieder herab.


17. Juni 1903

Ein sonderbares Mittel, die Sperlinge von den Kirschbäumen zu vertreiben, wird dem Cottb. Anz. von einem seiner Abonnenten mitgeteilt. Dieser habe es angeblich selbst erprobt und empfiehlt es wegen seiner Einfachheit jedem dringend. Das Rezept lautet: Man hänge 2 - 3 Salzheringe in jeden Baum und sofort werden die frechen Räuber den Baum meiden.


18. Juni 1903

Lübbenau: Man hätte nach den letzten Berichten über den Sonntagsbesuch im Spreewalde glauben mögen, das Höchstmaß sei erreicht und eine weitere Steigerung nicht möglich. Daß diese Annahme eine irrige war, bewies der Besuch am letzten Sonntag. Ein Menschenstrom bewegte sich durch den Spreewald, wie ihn noch niemals ein Pfingststag gehabt hat. Der Hauptstrom kam über Burg und benutzte nur den hiesigen Bahnhof zur Heimreise. In Burg waren tatsächlich viermal so viele Fremde, als Kirchenbesucher. Trotzdem aber hatten die hiesigen Gasthäuser ihre Quartiere ebenfalls besetzt. Von 2 Uhr nachmittags ab war die Strecke zwischen der Wotschofska und dem königlichen Walde so dicht mit Kähnen besetzt, daß diese nicht nur eine, nein mindestens zwei nebeneinander laufende ununterbrochenen Linien bildeten. Aehnliches ist wohl noch niemals hierselbst beobachtet worden. Leider ist der Flußlauf vor dem Gasthaus in Lehde zu schmal, um einem solchen Verkehr gewachsen zu sein. Hier muß auf irgend eine Weise Abhilfe geschaffen werden.


20. Juni 1903

Ein eigenartiges Mittel, Füchse zu verscheuchen hat ein Hofbesitzer in Simmerhausen in Anwendung gebracht. Er hat nämlich dem Haushahn eine Glocke um den Hals gebunden, und gravitätisch stolziert nun der Gockelhahn damit unter stetem Klinglingling unter seinem Hühnervolke umher. Das Mittel soll sich vorzüglich bewähren, denn seitdem hat sich kein Fuchs mehr blicken lassen und kein Hühnchen ist dem listigen Räuber mehr zum Opfer gefallen.


23. Juni 1903

Kaum, daß die Kirschsaison herangerückt ist, kann man auch schon wieder die Wahrnehmung machen, daß von Kindern wie Erwachsenen beim Verzehr der Früchte die Kerne vielfach achtlos weggeworfen werden. Wer einen Kirschkern auf den Bürgersteig, den Hausflur oder sonst wohin wirft, wo eine Mensch darauf treten, ausgleiten und zu Boden stürzen kann, macht sich einer bodenlos leichtsinnigen und verwerflichen Handlung schuldig und kann, wenn seine Täterschaft nachweisbar ist, auch strafrechtlich sowie zivilrechtlich verfolgt werden. Ein älterer Herr in Legnitz kam dieser Tage auf dem Trottoir durch Kirschkerne zu Fall und zog sich erhebliche Verletzungen zu. Also Vorsicht!


25. Juni 1903

An alle Wähler in Stadt und Land richten wir nochmals die dringende Aufforderung, bei der Stichwahl am Donnerstag sich beim Kampfe gegen die Sozialdemokratie zu beteiligen. Wer für Gesetz und Ordnung, die Grundpfeiler des Staates, eintritt, der kann, gleichviel welcher Partei er angehört, keinem Sozialdemokraten seine Stimme geben. Die Sozialdemokraten machen unerhörte Anstrengungen, den Walkreis zu erobern, daher glaube Niemand, daß seine Stimme überflüssig sei. Jeder Wähler schreite zur Wahl mit dem Stimmzettel für Prinz von Schönaich-Carolath auf Amtitz.

Allerlei Wahlkuriosa. In einem Dorfe bei Lauban hatte vor Beginn des Wahlaktes der Wahlvorsteher laut und vernehmlich verkündet, daß jetzt die Wahl ganz geheim und versteckt sei. Als hierauf ein Wähler aus dem Nebenraum trat, wo der Stimmzettel in den Wahlumschlag zu legen war, kam er mit leeren Händen zurück. - Auf die verwunderte Frage des Wahlvorstehers, wo er das Wahlkuvert habe, erwiderte der Wähler, daß er es doch verstecken sollte, und da habe er es in das in dem Raume befindliche Bett gesteckt!

In Vetschau war ein etwas beschränkter Wähler mit dem ihm übergebenen Wahlkuvert unter Berücksichtigung der neuen Wahlbestimmungen glücklich in die "Wahlzelle", die in dieser Stadt in einem kleinen, nach dem Hofe gelegenen Zimmer besteht, hineinbugsiert worden - allein der Mann kam nicht wieder heraus. Er mochte annehmen, daß er in ein Arrestlokal gesperrt worden sei. Es vergingen 10 - 15 Minuten, bis dem Wahlvorstande angesichts der der Abstimmung harrenden Wähler, die sich in-zwischen angesammelt hatten, die Geduld ausging. Der Wahlvorsteher äußerte: "Der Man muß durch die Fenster entsprungen sein:" Die Tür wurde nun geöffnet - in der Mitte des Zimmers stand steif und unbeweglich unser Dauerwähler mit dem erhaltenen Wahlkuvert in der Hand und harrte der Dinge, die da kommen sollten. Mit Mühe konnte er bewogen werden, nunmehr seine Stimme im Wahllokal abzugeben. Bei der Stimmenzählung nach Schluß der Wahlhandlung stellte es sich heraus, daß ein Wahlkuvert keinen Stimmzettel enthielt. Allgemein wird nun angenommen, daß unser Dauerwähler es war, welcher trotz der reichlichen Muße keine Zeit gefunden hatte, seinen Stimmzettel in das Kuvert zu legen. Diese Vermutung wird noch dadurch unterstützt, daß sich der gute Mann nachträglich absolut nicht erinnern konnte, ob und welchen Kandidaten er gewählt habe.

In einem Wahllokal in einem zweiten Berliner Wahlkreise erregte es Heiterkeit, als ein Wähler seinen Diener mitbrachte, der ihm beim Einpacken seiner Stimmzettel behilflich sein sollte. Der Mann war entrüstet, als man ihm bedeutete, daß er als Staatsbürger sich dieser Pflicht selbst unterziehen müßte.

Der Vorsitzende eines Nürnberger Wahllokales, seines Zeichens Kaufmann und Ladenbesitzer, empfing einige gleichzeitig kommende Wähler mit der Frage: "Sie wünschen?", in der Meinung, hinter seinem Ladentisch zu stehen.

Ein Wähler tritt an die Urne, übergibt dem Wahlvorstand seinen Zettel und will schleunigst wieder gehen. "Halt, halt", ruft ihm der Vorsitzende zu, "bleiben Sie  nur noch hier. Bitte um Ihren Namen und wo wohnen Sie?" Darauf erwiderte der Wähler:" Ja, das ist doch eine geheime Wahl!"

In Bockelholm im Kieler Wahlkreis gelangte durch Versehen in die Wahlurne ein Umschlag mit dem Stimmzettel eines zur Wahl Erschienenen, der nicht in der Wählerlist eingetragen war. Der Wahlvorstand beschloß, die abgegebenen Umschläge und Stimmzettel samt und sonders zu verbrennen und die Wahlhandlung von neuem zu beginnen. So geschah es; die Wähler wurden wieder herangeschleppt.

In Bernau saß ein Wähler auffallend lange in dem geschlossenen Raum. Als man nachsah, meinte er, er glaubte warten zu müssen, bis er aufgerufen würde.

Das Wesen der Wahlzelle gleichfalls nicht recht begriffen hatte ein Wähler, der sein Wahlrecht in Frankfurt a. O. in der Dammvorstadtschule ausüben wollte. Dort hatte man die Wahlzelle auf das Katheder, das sonst als Sitzplatz des gestrengen Herrn Lehrers diente, gestellt. Der biedere Wähler begab sich an die Wahlzelle, steckte seinen Zettel in den amtlichen Umschlag - und versuchte nun, da er das Wahlgeheimnis in jeder Hinsicht gewahrt zu haben wünschte, mit allen Kräften, den so verhüllten Wahlzettel durch die Pultritze in das Katheder zu schieben, in der Meinung, daß dies zugleich als Wahlurne diene. Den Wahlvorstand, der das Gebaren des biederen Bürgers zunächst nicht begriff, kostete es nicht geringe Mühe, den Wähler von seiner irrtümlichen Auffassung abzubringen.

Im Schwabenland kam ein harmloser Wähler, dem ein ihm bekannter "Wahlbeeinflusser" auf der Straße einen Zettel in die Hand gedrückt hatte, mit den Worten an den Wahltisch: "An scheene Grueß vom Walther und do bring i mein Stimm!"


28. Juni 1903

Welches Interesse sich gegenwärtig dem Andenken Corona Schröters zuwendet, ist aus der hohen Schätzung der einzelnen Stücke ihres literarischen Nachlasses zu erkennen. Auf der letzten Berliner Handschriftenversteigerung wurde ein Brief der Künstlerin an ihre Schwester mit 276 Mark bezahlt; es ist dies ein Preis, der den Autographen literarischer und politischer Größen ersten Ranges entspricht.