Gubener Zeitung

Die Gubener Zeitung, von 1871 bis 1944 kann auf Rollfilm in den Räumlichkeiten der Stadtbibliothek Guben eingesehen werden.

1903

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4. Oktober 1903

Der Skatbrunnen in Altenburg: Seit einigen Tagen besitzt die Haupt- und Residenzstadt Sachsen-Altenburgs ein Monument, so originell wie kaum eine zweite Stadt der Welt: einen veritablen öffentlichen Skatbrunnen, errichtet aus einem 17000 Mark betragenden Legat des Altenburger Rentiers Stendemann, entworfen von Professor Pfeifer-München. Das Denkmal, das am 29. September enthüllt wurde, soll das edle Skatspiel, das "vornehmste, geistreichste, anregendste und weitesverbreitete Kartenspiel" verherrlichen und zwar in der Stadt, in wel-cher es nach allgemeiner Annahme von dem Advokaten Hempel anno 1817 erfunden wurde. Professor Pfeifer hat seine schwierige Aufgabe (an der Konkurrenz beteiligten sich 37, zum Teil namhafte Künstler) glänzend gelöst und das Ideal mit dem Derb-Volkstümlich-Humoristischen geistreich zu verbinden gewußt. Der graziöse Unterbau, in seinem oberen Teile in den vier Kartenfarben gehalten, trägt zunächst zwei Muschelbecken, in welche zwei kleine Schweine als Symbol des Glücks das Wasser speien, und sodann ein stattliches Postament mit den vier Wenzeln, die als vier robuste "Jungen" mit einander um den Sieg ringen und zum Teil sich in der Hitze des Gefechts drollig überpurzeln. Die Figuren, in Tone gehalten, zeichnen sich durch sehr lebendige Modellation aus. So symbolisiert das Denkmal glücklich den edlen Eifer des Spiels, aber auch die blinde Leidenschaft desselben.


6. Oktober 1903

Gegen die Annahme von Geschenken seitens der Volksschullehrer wendet sich eine Verfügung der Regierung zu Frankfurt a.O., worin auf eine Instruktion vom 10. November 1827 hingewiesen wird, die bestimmt, daß der Lehrer in keinem Falle durch Annahme von Geburtstags- und ähnlichen Geschenken seitens der Schulkinder oder deren Eltern sein Einkommen zu vergrößern suchen darf. Indem die Regierung diese alte Anordnung auffrischt, fügt sie erläuternd hinzu, daß, wenn sich irgendwo ein anderer Brauch herausgebildet haben sollte, die Schulkinder darüber zu belehren seien, daß, bei Anerkennung ihres guten Willens, dem Lehrer eine Freude zu machen und ihm ihre Liebe und Dankbarkeit zu beweisen, doch Sammlungen in ihrem Kreise zu dem bezeichneten Zweck nicht gestattet werden könnten und dargebotenen Geschenke abgelehnt werden müßten. Es sei eine durch vielfältige Erfahrung bezeugte Tatsache, daß durch Geldsammlungen zu dem in Rede stehenden Zwecke ein unliebsamer Druck ausgeübt werde, der für die ärmeren Kinder Gefühle der Demütigung und Beklommenheit zur Folge habe und auch Äußerungen des Unwillens bei den Eltern wachrufe. Noch übler sei es, daß sich leicht ein böser Argwohn, der die Geschenke in Verbindung mit anderen Vorgängen des Schullebens bringe und mit dem Scheine des Rechts die Unparteilichkeit und Gerechtigkeit des Lehrers anzweifle, zeigt.


8. Oktober 1903

Idyllische Zustände scheinen im Forster Theater zu herrschen, wie aus einem Bericht des Forster Tagebl. hervorgeht. Aeltere und junge männliche Personen kehrten sich in der Eröff-nungsvorstellung nicht an die durch Plakate bekannt gegeben Anordnung, im Theater nicht zu rauchen, sie pafften wacker während der Vorstellung. Noch angenehmere Theaterbesucher müssen einige Inhaber von Balkonplätzen (wohl Gallerie) sein; sie machten sich ein Vergnü-gen daraus, auf die Parterre-Besucher herabzuspucken, wobei eine Zuschrift an das Forst. Tagebl. bewegliche Klage führt. Allerdings trafen sie nicht die Köpfe, sondern nur die Stiefel der unten Sitzenden. Auch Zigarettenreste wurden herabgeworfen. Den Parterrebesuchern dürfte zu empfehlen sein, im Theater die Regenschirme aufzuspannen.


9. Oktober 1903

Mit dem Bau der Straßenbahn wird es jetzt ernst. Die Schienen sind eingetroffen und werden in den Straßen, durch die die Bahn gehen soll, bereits abgeladen. Mit einem Legen der Kabel für das Elektrizitätswerk ist in der Uferstraße gestern begonnen worden.


11. Oktober 1903

"Der stille Portier", eine in Großstädten allgemein bekannte Einrichtung, ist in neuerer Zeit von verschiedenen Hausbesitzern auch hier eingeführt worden. Auf einer Tafel im Hausflur sind Name und Stand jedes Mieters verzeichnet, nebst Angabe des Stockwerks, in dem er wohnt. Der Wirt entgeht dadurch zahlreichen Anfragen des suchenden Publikums, und dieses weiß sofort beim Betreten des Hausflurs, ob der Gesuchte in dem betr. Hause wohnt. Diese praktische Einrichtung sollte in jedem Hause, das Mieter beherbergt, angebracht sein.


13. Oktober 1903

Senftenberg. Der hiesige Totengräber war beim Kartoffeldiebstahl betroffen worden. Aus Gram darüber beschloß er, sich das Leben zu nehmen.  Er schaufelte sich selbst sein Grab und erhängte sich dann in einer Bodenkammer seines Wohnhauses. Er hinterließ einen Zettel mit folgender Inschrift: "So kommt das Unglück über einen, wenn man als Totengräber zu wenig zu tun hat. Mein Grab habe ich selbst gemacht, Zeit hatte ich genug dazu. Adje!"


15. Oktober 1903

Senftenberg. Der Senftenberger Anz. schreibt: Unser Totengräber hat weder Kartoffeln gestohlen noch sich erhängt. Die Geschichte kann, wenn sie überhaupt wahr ist, nur in Senftenberg in Böhmen passiert sein; denn unser Totengräber ist wohl und munter und macht solche Sachen nicht.


20. Oktober 1903

Der älteste Mensch, nicht allein in Amerika, sondern wohl auf der ganzen Erde befindet sich, wie wir im "Milw. Her." lesen, auf der Armen-Farm zu Pisrataway in der Nähe von Plainfield. Er heißt Noa Rabi und ist 132 Jahre alt. Bis er vor kurzem von den Masern befallen wurde, befand sich der Alte bei sehr guter Gesundheit und machte täglich einen Spaziergang. Auch hatte er bis dahin täglich drei Pfeifen Tabak geraucht, und zwar seit seinem 20. Lebensjahre. Seit seiner  neulichen Erkrankung an den Masern hat er jedoch diesem Vergnügen entsagen müssen. Die Matrone der Anstalt, Frau Nummer, ist der Ansicht, daß sein Ende nahe ist. Er kann das Bett nur noch auf kurze Zeit verlassen. Sein Erinnerungsvermögen hat nahezu vollständig aufgehört, und er spricht unzusammenhängend. - Daß der älteste Mensch der Erde gerade in Amerika entdeckt wurde, könnte die Mitteilung einigermaßen fragwürdig erscheinen lassen.


23. Oktober 1903

Der Gefahr, durch Silbermünzen erdrückt zu werden, entkamen mit knapper Not mehrere Beamte der Münze in Philadelphia. Sie hatten den Auftrag, eine große Summe Geldes nach-zuzählen, die seit Jahren in einem Gewölbe des Münzamts aufgespeichert lag. Bei der Öffnung des Gewölbes zeigte es sich, daß die Säcke, in denen die Silberstücke verwahrt wurden, vermodert waren und, sobald man den Versuch machte, sie aufzuheben, auseinanderfielen. Als einer der Beamten sich auf den Berg Geldes hinaufzuarbeiten versuchte, um die losen Stücke zu sammeln, platzte eine ganze Reihe von Säcken, und die ganze Masse Geldes setzte sich auf einmal in Bewegung, so daß die in dem Gewölbe befindlichen Beamten sich nur mit Mühe retten konnten. Der Sturz der Geldmassen, die eine Summe von zwei Millionen Dollar ausmachten, erschütterte das ganze Gebäude.


29. Oktober 1903

Wie Gänse einen Hund züchtigten, darüber wird aus einem Dorfe bei Eberswalde folgende ergötzliche Geschichte berichtet: Eine Bäuerin trieb auf der Dorfstraße eine kleine Herde von Gänsen vor sich her, als aus einem Hause heraus ein kläffender Rattenfänger sich auf die Schar stürzte. Im ersten Schreck stob die Herde laut schreiend auseinander. Dieser leichte Sieg mochte den Köter ermutigen; in schnellen Sätzen verfolgte er die geflügelte Schar. Da, eben hatte er eine der Gänse beim Flügel gepackt, drehte sich diese schwerfällig  herum und hieb mit dem Schnabel nach dem Hunde. Einen Augenblick stand dieser wie erstarrt da, dann wollte er sich auf den Gegner stürzen. Da aber wirbelten ihm auch schon die Flügel der Gans um die Ohren; sichtlich war dem Rattenfänger Hören und Sehen vergangen, er drehte sich bloß noch um seine eigene Achse. Angesichts der Tapferkeit ihrer Genossin mochten sich die übrigen Gänse ihres angstmeierischen Betragens schämen. In wirrem Knäuel stürzten sie mit weitgeöffneten Schnäbeln zischend heran; wie auf Befehl schlossen sie einen engen Kreis um den frechen Angreifer und nun regnete es auf den kläglich heulenden Hund von allen Seiten Schnäbelhiebe und Flügelschläge. Inzwischen hatte sich ein Häuflein Neugieriger um die kämpfende Gesellschaft gebildet. Mit Staunen verfolgten die den Verlauf des Kampfes, als sich durch die Menge ein junger Bursche Bahn brach, um den Hund, sein Eigentum, dem Verderben zu entziehen. Kurz entschlossen aber wendete sich die eine Hälfte der Gänse mit drohen aufgerissenen Schnäbeln gegen den Jüngling, der unter lautem Gelächter der Zuschauer zurückwich, während die andere Hälfte den Kampf mit dem heulenden Hund fortsetzte. Es war kaum noch eine Kampf zu nennen, richtiger war es ein regelrechtes Standrecht, das die schnatternden Vögel über den Friedensstörer abhielten. Der Rattenfänger wurde sichtlich matter unter den Schlägen, schon torkelte er wie ein Betrunkener hin und her, und nun legte er sich gar mit heraushängender Zunge auf die Seite. Die Rachsucht der geflügelten Schar war aber noch nicht befriedigt, und sicher hätte der Hund den kühnen Angriff auf die Ruhe der Gänse mit dem Leben bezahlen müssen, wen nicht jetzt die Bäuerin, die Eigentümerin der Gänse, dazwischengetreten wäre. Sie zwang mit kräftigen Schlägen ihre Schützlinge, die Züchtigung des Hundes einzustellen. Als dieser sah, daß er Luft bekommen hatte, erhob er sich mühsam und schlich mit eingeklemmtem Schwanze lautlos davon. Wie auf Befehl wendeten jetzt sämtliche Gänse ihre langen Hälse nach der Richtung, in der der Besiegte verschwand und brachen in eine betäubendes Schreien aus - ein ohrenzerreißendes Siegesgeschmetter!