1904
Januar Februar März April Mai Juni Juli August September Oktober November Dezember1. Dezember 1904
Eine Feuerlöschprobe mit dem Apparat Minimax veranstaltete gestern Nachmittag ein Vertreter der Apparat herstellenden Fabrik, wozu sich zahlreiche Zuschauer eingefunden hatten, namentlich aus dem Kreise der Fabrikanten, die selbst erschienen waren oder Vertreter geschickt hatten. Der Apparat besteht aus einem 6 Liter fassenden, nach oben zugespitzten Blechbehälter. Im Innern des Apparates befinden sich ein Metallkorb, in welchem eine an beiden Enden zugeschmolzene Glastube mit Säuren ruht. Der Apparat wird mit Wasser, in welchem man ein beigegebenes Quantum Salze vorher aufgelöst hat, gefüllt, der Korb mit der Tube wird hineingesteckt, der Verschlußknopf aufgeschraubt, und der Apparat ist gebrauchsfertig und in dieser Form unbeschränkte Zeit haltbar, weil sich nichts verändern kann. Bei eingetretener Feuersgefahr erfaßt man den Apparat einfach am Handgriff und stößt ihn mit kurzem harten Schlag auf den Boden oder gegen die Wand auf; die Säuretube wird dadurch zertrümmert und es entsteht Kohlensäure, die das Wasser zu einer kleinen Oeffnung an der Spitze in einem 12 bis 14 Mtr. langen Strahl aus dem Apparat hinaustreibt, sodaß man in gebührender Entfernung von Feuer und Qualm operieren kann. - Die Wirkung des Apparates war wirklich verblüffend. Es wurde zunächst ein mit Teer und Petroleum getränkter Holzstoß entzündet. Als er in hellen Flammen stand, nahm der Vertreter der Firma einen Minimax und setzte ihn in Tätigkeit. Wenige Augenblicke genügten, das Feuer abzulöschen. Als zweites Brandobjekt war eine Bretterbude errichtet worden, die gleichfalls mit Teer und Petroleum reichlich getränkt war; sie brannte unter gewaltiger Flammenentwicklung, und es wirkte geradezu verblüffend, wie die mächtige Flamme durch den dünnen Strahl in wenigen Augenblicken gelöscht war. Als drittes Brandobjekt wurde ein größerer Posten Teer gewählt, der zu diesem Zweck auf dem Platz ausgegossen war und der reichlich mit Petroleum begossen wurde, damit er besser brenne. Der brennende Teer entwickelte ungeheure Rauchwolken, während am Boden die hellen Flammen gefräßig weiter um sich griffen. In kürzester Zeit erstickte die Spritze eines Minimax das Feuer vollständig. Zu bemerken ist noch, daß das Wasser aus dem Apparat Kleiderstoffe etc. nicht angreift.
3. Dezember 1904
Der Kaiser passierte gestern Abend 7 Uhr 1 Minute auf der Rückreise von Schlesien nach Berlin den hiesigen Bahnhof. Der kaiserliche Sonderzug fuhr, wie immer, glatt durch.
4. Dezember 1904
Hoch- und Wasserbauten: Die wieder eingetretene milde Witterung, die vorübergehend einer milden Frostperiode Platz gemacht hatte, wird eifrig wahrgenommen, unfertige Bauten zur Vollendung zu bringen. In der Uferstraße ist das mächtige Fabrikgebäude der Berlin-Gubener Hutfabrik, vormals Cohn, mit seien vier Stockwerken und einer Frontlänge von fast 20 Fenstern zum größten Teile fertiggestellt; nur die Giebel ermangeln noch des Abschlusses. Beim Ueberschreiten der großen Neißebrücke erregen die im Wind und Wetter mit überraschender Schnelligkeit hochgeschossenen frischen Außenmauern des Turbinenhauses der Seydelschen Mühlen unsere Aufmerksamkeit. Hier ist es ganz besonders wichtig, das Gebäude unter Dach und Fach zu kriegen, weil davon die Aufstellung der Maschinen für den Mühlenbetrieb und die elektrische Zentrale abhängt. Eigenartig ist der Unterbau des Turbinenhauses. Er besteht aus fünf langen, starken Grundmauern, zwischen denen demnächst die Neißefluten in die Turbinen strömen werden. Die Grundmauerkronen sind durch starke Eisenträger miteinander verbunden und zugewölbt. Über den zementierten Wölbungen, an denen man zur Zeit noch arbeitet, wird sich als Oberbau das etwa zwanzig Meter im Geviert fassende Maschinenhaus mit seinen langen Oberlichtfenstern erheben. Noch ein dritter Bauplatz nimmt das allgemeine Interesse in Anspruch: die Rohrverlegung bei der Parkbrücke. Hier hat man jetzt glücklich das letzte Ende des ca. 70 Meter langen Eisenrohres unter die Flußsohle versenkt, nachdem man vorher je eine Hälfte des Stromes durch starke Spundwände und breite Dämme abgesperrt hatte. Am Achlachhofufer ist der ins Eisenrohr mündende Zementkanal von viel größerem Durchmesser als das Rohr; deshalb sind an seinem verjüngten Ausgange seitlich drei selbsttätige Eisenklappen angebracht, die sich bei eintretender Stauung der Abwässer, wie sie bei Regengüssen vorkommt, nach einem Notkanal öffnen, der die oberen sinkstofffreieren Wassermassen in das Flußbett abführt. Derartige Reserveauslässe zur Verhütung von Rückstauungen im Kanalnetze sind an verschiedenen anderen Stellen ebenfalls vorgesehen (Grüne Wiese, Kirschmarkt, Jungfernbrücke, Wilhelmsplatz etc.)
8. Dezember 1904
Eine Maschine im Gewicht von 600 Zentnern, die für das Elektrizitätswerk bestimmt ist, wurde heute mittag auf dem Güterbahnhof ausgeladen. Der Transport der Maschine nach dem Elektrizitätswerk sollte im Laufe des Nachmittags mit 10 Pferden erfolgen.
9. Dezember 1904
Ankauf von Schiedlo: Mit der Auflösung der durch die Oder- und Neißeüberschwemmungen in weiteren Kreisen bekannten Ortschaft Schiedlo wird jetzt der Anfang gemacht. Heute vor-mittag erfolgte im Grundbuchamte des königlichen Amtsgerichts hierselbst die Auflassung mehrerer Schiedloer Besitzungen an den Staat. Die Auflassung wurde von einem Kommissar der königlichen Regierung in Frankfurt a. O. entgegengenommen. Die übrigen angekauften Grundstücke sollen ebenfalls sobald als möglich aufgelassen werden. In diesen Fällen müssen aber vorerst noch verschiedene Formalitäten erfüllt werden.
11. Dezember 1904
Ergebnis der Viehzählung im Stadtkreise Guben. Es wurden gezählt 2543 Gehöfte, 1408 Gehöfte hatten Viehbestand. Die Zahl der Haushaltungen mit Viehbestand be-trug 1819. An Vieh wurden gezählt: 679 Pferde, 860 Stück Rindviehcher, 13 Schafe, 1418 Schweine, 2186 Ziegen.
17. Dezember 1904
Kein Fahrgast! Der Abendzug auf der Forst-Gubener Strecke hatte, wie dem Forst. Tagebl. mitgeteilt wird, am Mittwoch auf der ganzen Strecke von Guben nach Forst keinen einzigen Fahrgast. Es ist dies das erste Mal, daß ein Zug seit Eröffnung der Strecke passagierlos gefahren ist.
29. Dezember 1904
Groß-Gastrose: (Von der Eisenbahn.) Der zunehmende Güterverkehr auf hiesiger Station erforderte eine Erweiterung der Bahnhofsanlagen. Die Arbeiten, von der Firma Kusicke ausgeführt, sind in der Woche vor dem Feste beendet worden, sodaß sich jetzt die Güterwagen auf einem Gleise von 350 Metern Länge bewegen können. Der genannten Firma sind von der Eisenbahnverwaltung noch weitere Nebenarbeiten auf der Strecke Forst-Guben übertragen worden. So soll demnächst mit der Einrichtung neuer Haltestellen bei Horno und Mulknitz begonnen werden. Das Neißetal wird dadurch weiter erschlossen, und die Vorteile, welche die Bahn seinen Bewohnern bietet, sind von eminent wirtschaftlicher Bedeutung. Um Waldbrände, die durch Funkenauswurf der Lokomotiven entstehen können, zu verhüten, sollen auch an dieser Nebenbahn sogenannte Feuerlinien geschaffen werden. Der Grund und Boden des durch die Feuergräben abgegrenzten Waldterrains bleibt Eigentum des Besit-zers, dem der Eisenbahnfiskus eine angemessene Pacht zahlt. Wie verlautet, wollen einige Interessenten das Auswerfen der Feuergräben auf ihrem Grundstück nicht gestatten. Diese hätten dann bei einem durch die Lokomotive verursachten Waldbrande den Schaden selbst zu tragen, was umso empfindlicher sein würde, wenn auch angrenzende Besitzer geschädigt werden sollten. Es dürfte aber dazu nicht kommen, denn wahrscheinlich wird gegen die sich sträubenden Besitzer das Zwangsverfahren eingeleitet werden.
31. Dezember 1904
Fabrikerweiterungsbau: Zu den Fabrikerweiterungsbauten des laufenden Jahres wird sich dem Vernehmen nach im nächsten Frühjahre ein neuer gesellen. Die Firma Berthold Lißner beabsichtigt eine bedeutende Erweiterung ihrer Fabrikanlagen. Die beiden Portierhäuser sollen verlegt und das Hauptgebäude um 50 Meter verlängert werden. Da sich die Wirtschaftsgebäude zum Teil bis in die Winkelstr. erstrecken werden, wird mit den geplanten Erweiterungsbauten eine Regulierung der Winkelstraße erforderlich werden. Nach vollendetem Anbau soll eine neue Dampfmaschine von 300 bis 400 Pferdestärken nebst Kessel aufgestellt werden.