1904
Januar Februar März April Mai Juni Juli August September Oktober November Dezember8. Oktober 1904
Der Zirkus Sarrasani konnte die gestrige Abschiedsvorstellung, die sicher eine gewaltige Zuschauermenge angelockt hätte, nicht veranstalten, der äußerst heftige Sturm, der gestern ausbrach, riß nachmittags den Zirkus um. So wohlverwahrt auch das mächtige Zelt schien, mit Stricken wie Schiffstauen an eisernen Pfählen befestigt, dem Orkan widerstand es nicht. Die weite Fläche des Zeltes bot dem Sturm eine gute Angriffsfläche dar. Unter dem unwiderstehlichen Drucke brachen zuerst einige Stangen, dann stürzte mit Krachen der ganze obere Aufbau des Zeltes nach innen zusammen. Die beiden Hauptmaste und der untere Teil des Zeltes, etwa in Manneshöhe, blieben stehen. Ein Glück war es, daß an diesem Nachmittag keine Vorstellung war, das Unheil wäre unabsehbar gewesen. Dem Leiter des Unternehmens blieb nichts weiter übrig, als sofort mit dem allgemeinen Abbruch zu beginnen. Außer dem Ausfall der Vorstellung dürfte er noch direkten beträchtlichen Schaden haben, da die elektrischen Lampen zertrümmert, von dem Material des Zeltes auch manches arg beschädigt sein dürfte. Direktor Sarrasani hoffte trotzdem heute schon in Grünberg spielen zu dürfen.
Bernsteinfunde: Bei Bodenausschachtungen in der Nähe des neuen Neißewehrs sind im Thon zahlreiche Bernsteinstücke von der Größe einer Erbse bis zum Umfang einer Walnuß gefunden und zum Teil aufbewahrt worden. Bernsteinfunde gehören in den Niederungen unserer Provinz nicht gerade zu den Seltenheiten und haben zum Teil die Größe einer Melone erreicht; diese letzteren Stücke befinden sich meistens in öffentlichen Sammlungen.
11. Oktober 1904
Auf eine starke Bautätigkeit in unserer Stadt ist im nächsten Frühjahr infolge der Ka-nalisation zu rechnen. Fast in jedem Hause werden mehr oder minder umfangreiche Aenderungen notwendig, die bei den kleinsten Häusern nicht unter 200 Mk. herzu-stellen sein dürften, bei mittleren Häusern ca. 1000 Mk. und bei großen bis 2000 Mk. Kosten verursachen werden. Mancher Hausbesitzer wird diese Gelegenheit auch benutzen, um gleich andere bisher aufgeschobene Bauarbeiten ausführen zu lassen. Einzelne erneuerte Häuser sind bereits mit allen Vorkehrungen zum sofortigen Anschluß an die Kanalisation vorgesehen.
Sonnenwalde: Ein seltenes Jagdglück hatte der gräfliche zu Solmsche Forstgehilfe Adam, indem es ihm gelang, im Forstrevier Wallhaus zwei Steinadler mit einer Doublette zu erlegen. Die Adler hatten ein Gewicht von 23 und 24 Pfd. und eine Flügelspannung von 2,25 Meter.
20. Oktober 1904
Briesnigk: Während im vergangenen Sommer die Neißefischerei durch Raubfischer stark be-einträchtigt wurde, kann man jetzt mehrfach den gefährlichsten Räuber, den Fischotter, beobachten. Ein ausgewachsenes Tier dieser Gattung braucht zu seiner Sättigung an 3 - 4 Pfund Fische. Man kann daraus auf die Verheerung schließen, die ein Paar Fischottern, besonders wenn es Junge hat, in Fischteichen und Flüssen anrichtet. In der Nähe der Briesnigker Lache ist von Fischern öfters ein seltenes Exemplar, ein weißer Otter, gesehen worden. Der königliche Förster van der Heyden in Heinersbrück beabsichtigt im kommenden Winter den Otternfang auf der Briesnigker Neißeseite auszuüben.
25. Oktober 1904
Kanalisation: Wie seinerzeit an der großen Neißebrücke, so ist man auch in der Königstraße vor der Dörflingschen Dampfbrauerei auf die Fundamente eines ehemaligen Stadttores, des Crossener Tores, gestoßen. Die hier meist ungesprengt herausgeschafften, ungeheuer schweren Findlinge haben annähernd ein Meter im Durchmesser.
28. Oktober 1904
Die Heilsarmee unterhält, wie gewiß bekannt sein wird, auch hier in Guben, Crossenermauer 6, eine Evangelisierungs-Station, wo allabendlich Gottesdienste stattfinden. Am kommenden Sonnabend, 29. Oktober, abends 8 Uhr wird daselbst eine öffentliche Extra-Versammlung, geleitet von Kapitän A. Grochocki, Sekretär am nationalen Hauptquartier, stattfinden. Derselbe eröffnete auch vor kurzem die sogenannte Erntedankfest-Woche der Heilsarmee in Cottbus und Forst durch besondere Versammlungen und er wird auch am Sonnabend in Guben einen interessanten Vortrag halten.
Horno: Seitdem die Verhandlungen der Baukommission mit der hiesigen Gemeinde betreffs Anlage eines Bahnhofes an der Forst-Gubener Bahn nicht den erwünschten Erfolg gezeitigt hatten und der in Frage kommende Bahnhof zu großem Bedauern der Ortseinwohner nach dem bedeutend kleineren Grießen gelegt wurde, hatte man allgemein die Erlangung einer Haltestelle für Horno als für immer ausgeschlossen erachtet. Die interessierte Gemeinde aber hatte keineswegs alle Hoffnung aufgegeben, was aus mehreren Petitionen erkennbar war. Diese haben jetzt Gehör gefunden; denn es ist für Horno eine Haltestelle, wenn auch nur für den Personenverkehr, bereits abgesteckt. An einer guten Rentabilität derselben ist angesichts der Größe des Dorfes nicht zu zweifeln.