Gubener Zeitung

Die Gubener Zeitung, von 1871 bis 1944 kann auf Rollfilm in den Räumlichkeiten der Stadtbibliothek Guben eingesehen werden.

1905

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1. Juni 1905

Zum gestrigen Viehmarkt waren 893 Pferde und 903 Rinder aufgetrieben. Für Standgeld  wurden 359,20 Mark eingenommen, für Budenstandgeld an beiden Markttagen 238 Mark.

Atterwasch: (Dampfziegelei) Auf dem in der schönen Gegend des Deulowitzer Sees gelegenen Ziegeleigrundstück, das Kaufmanns M. Grohmann zu Gr.-Gastrose käuflich erworben hat, geht die neue Dampfziegelei ihrer Vollendung entgegen, sodaß noch in dieser Woche die Betriebseröffnung wird erfolgen können. An Stelle des früheren deutschen Ofens ist ein Dannebergscher Ringofen mit 16 Kammern erbaut worden. Die Dampfkraft liefert eine 100pferd. Dampfmaschine von der Firma Rich. Raupach in Görlitz. Das Rohmaterial besteht aus fetter Tonerde und ist in mächtigen Lagern vorhanden. Der Abraum liefert das nötige Mischungsmaterial. An einzelnen Stellen ist Grohmann& Co. beabsichtigte Anschluß an die Halle-Gubener Bahn ist bisher von der Eisenbahnverwaltung nicht genehmigt worden, weil dadurch das Hauptgleis überschritten werden müßte. Dagegen hat die genannte Firma zur bequemeren Abfuhr der Steine  einen Lagerplatz an der Chaussee unmittelbar am Bahnhof Kerkwitz in Aussicht genommen.


6. Juni 1905

Die ersten reifen Kirschen waren auf dem Sonnabend-Wochenmarkte zum Verkauf gestellt. Diese früheste Sorte wird mit ihrem Lokalnamen als Küppersche bezeichnet. Ihre Qualität reicht zwar an die der späteren Sorten nicht heran, doch stehen sie am höchsten im Preise.


7. Juni 1905

Eine eigentümliche Erscheinung konnte man vor einigen Tagen  am sogen. Weidenweg (An-ger) beobachten. Von einem hohlen Weidenbaum aus in schräger Richtung  über den Weg nach der Wiese zu zog sich ein langes, dunkles Band, das in der Abenddämmerung aussah, als wäre es durch einen starken Wasserstrahl verursacht. Es waren unzählige kleine Ameisen, die, ohne die Bahn zu verlassen, geschäftig hin- und hereilten. Der Baum selbst steckte bis oben voller Ameisen. Auch an den folgenden Abenden konnte man diese Wanderungen, doch in schwächerem Zuge beobachten.


10. Juni 1905

Grießen. (Verhängnisvoller Blitzschlag). Mittwoch nachmittag gegen 4.30 Uhr  zogen schwe-re Gewitter über unsern Ort, der Regen floß in Strömen. Außer vielem Schaden, der auf Aek-kern und Wegen angerichtet ist, wurde auch der Eisenbahndamm an mehreren Stellen unter-spült. Der Bauer Richter war mit seinen Leuten in der Aue mit Pflanzen beschäftigt. Während des Gewitters suchten sie sämtlich Schutz unter dem Wagen, es war Richter, seine Frau und Tochter und die Schwiegermutter, sowie zwei Arbeiterinnen, die Wwe. Altschmidt und die unverehelichte Pauline Hapke. Ein Blitz traf den Wagen und riß eine Speiche aus dem Rade. Alle Personen wurden vom Blitz getroffen. Sie waren sämtlich eine Zeit bewußtlos. Die Hap-ke, welche etwas abseits vom Wagen saß, kam am schlimmsten davon; sie hatte sich die Schürze über den Kopf gehängt, die Schürze, das Kopftuch und auch die übrigen Kleider wa-ren zerrissen. Von den anderen wurde die H. für tot gehalten und auf den Wagen gehoben; erst zu Hause erlangte sie das Bewußtsein wieder. Schwer krank liegt sie darnieder.


11. Juni 1905

Die Kläranlage schreitet ihrer Vollendung entgegen. Das Klärbecken mit seinen 78 Feldern ist bereits fertig. Es wird nicht, wie mancher Besucher des Bauplatzes angenommen haben dürf-te, bis zum Niveau des Bauterrains emporgeführt, sondern bleibt in der jetzigen Tiefe stehen; dagegen werden die Ränder der Baugrube in sanfter Neigung zum Becken reguliert. Die Ma-schinenhalle präsentiert sich in geschmackvoller Ausführung; bei ihr wird gegenwärtig die letzte Hand an die Bedachung und die Verglasung der Fenster gelegt. Im Innern des Hauses werden die Maschinen, Pumpen etc. montiert. Nunmehr muß der Hauptkanal  der Schwemm-kanalisation mit dem Maschinenhause in Verbindung gebracht werden, ferner gilt es noch, den Ableitungskanal für das Klärwasser von der Station zur Neiße herzustellen. Der Einmün-dungskanal zur Station wird überdies mit dem Ausmündungskanal durch eine Sonderleitung verbunden, damit erforderlichen Falls die Wassermassen unter Umgehung der Klärstation fortgeleitet werden können. Die Abzweigungsstellen erhalten für diesen Zweck große Schäch-te zur Aufnahme der erforderlichen Betriebseinrichtungen.

Zum Patent angemeldet wurde von der Berlin-Gubener Hutfabrik, Akt.-Gesellschaft, vormals A. Cohn, eine Vorrichtung zum Färben von Stumpen für Hüte, Mützen etc.


16. Juni 1905

Sommerfeld: (Ein sonderbares Legat) Von einem sonderbaren Legat, der General von Schirndingschen Stiftung, gelangt am 15. Juni, dem "Vitustage", hier wieder ein Teil der Zinsen zur Verteilung. Fünf alte, bedürftige Veteranen b.zw. Invaliden müssen früh um 8 Uhr in der Stadtpfarrkirche erscheinen und vor dem Altar sitzend unter Leitung des Küsters alle acht Strophen des Gesangbuchliedes: "Ich hab genug" singen. Sodann erhält jeder von ihnen 4 Mark ausgezahlt.


30. Juni 1905

Ein schwerer Bauunfall ereignete sich heute nachmittag um 13.30 Uhr auf dem Fabrikneubau der Firma C. Lehmanns Witwe u. Sohn. Vom vierten Stockwerk sind aus seiner Höhe von 16 Metern 4 Mann abgestürzt und haben schwere Verletzungen davongetragen. Die Mauern des von Herrn Maurermeister Stadtrat Budewitz ausgeführten Baues sind beinahe bis zur vollen Höhe fertig. Die letzte Gerüstschicht war aufgelegt, aus unbekannten Gründen gab auf der einen Seite, in der Nähe des alten Fabrikgebäudes, das Gerüst plötzlich nach und die darauf stehenden Maurer und Arbeiter stürzten hinab, wobei sie zum Teil noch auf unten stehende Arbeitsgeräte aufschlugen.