1905
Januar Februar März April Mai Juni Juli August September Oktober November Dezember4. Oktober 1905
Eine aufregende Szene ereignete sich kürzlich in einem Frauen-Coupee auf der Bahnstrecke Guben - Crossen. Eine der mitfahrenden Frauen hatte in einem Korbe zugedeckt einen 11pfündigen Wels. Der Fisch sprang, das Tuch zurückschlagend, aus dem Korbe auf eine junge Dame zu. Vor Schreck schnellte diese auf, eilte zur Tür und riß diese auf, um hinauszu-springen. Einigen Frauen gelang es noch rechtzeitig, sie am Kleide festzuhalten, damit sie nicht hinausstürze. So festgehalten kam sie zu Falle, und der Oberkörper hing zur Tür hinaus. Dank dem schnellen Zugreifen der Frauen wurde ein größeres Unglück verhütet. Die junge Dame erklärte dann, daß sie vor Schreck nicht gewußt habe, was sie tue.
5. Oktober 1905
Das "Mechanische Theater", das seit einigen Tagen auf dem Lubstplatz Vorstellungen gibt, biete viel Unterhaltung. Man ist erstaunt über den komplizierten Mechanismus der Figuren. Interessant sind die Reisen über Land und Meer, in denen man die verschiedensten Gegenden und Städte kennen lernen kann, Löwen- und Eisbärenjagden, einen Schiffsuntergang, Schlachtszenen, auch Seekämpfe usw. sieht. Verblüffend wirken die Produktionen der Seil-tänzer-Automaten und der Zaubergarten entzückt die Beschauer.
7. Oktober 1905
Rauchende Frauen auf der Eisenbahn. Neuerdings ist wieder die Streitfrage aufgetaucht, wie rauchende Damen im Eisenhahnverkehr zu behandeln seien, da § 18 der Verkehrsordnung das Rauchen in den Nichtraucher- und Frauenabteilungen (selbst mit Zustimmung der Mitrei-senden) verbietet. Man spricht schon davon, daß die Eisenbahnverwaltungen wohl bald erwä-gen müßten, ob sich die Einführung von "Damenabteilen für Raucherinnen" empfehlen wür-de. Daran ist, wie eisenbahnseitig erklärt wird, gar nicht zu denken. Vor der Hand gilt das Rauchen noch als eine auschließlich männliche Gewohnheit; die Frauenabteile sind aber nur für solche Damen eingerichtet worden, welche nicht mit Männern und nicht mit Rauchern zusammen reisen wollen. Diejenigen Damen also, welche jene männliche Gepflogenheit an-genommen haben und darauf im Koupee nicht verzichten wollen, gehören in das Raucherab-teil, wo sie für ihre Passion wohl auch das nötige Verständnis finden dürften.
13. Oktober 1905
Schenkendöbern. (Schulhausbau) Seit etwa acht Jahren schweben in hiesiger Schulgemeinde Verhandlungen über den Umbau oder Neubau des Schulgehöfts. Das jetzige Schulhaus ist baulich zwar noch in einem leidlichen Zustande, aber durchaus unpraktisch eingerichtet. Das Schulzimmer ist völlig ungenügend und entspricht in keiner Weise den bestehenden Vor-schriften, für die Beleuchtung kommen in Frage 3 links von den Schulkindern befindliche nur kleine Fenster. Die Lehrerwohnung ist überaus knapp bemessen und enthält nur 2 kleine Stu-ben und eine Kammer. Die Scheune ist in einem am Südgiebel des Schulhauses hergestellten, in schlechtem Zustande befindlichen Anbau untergebracht und ebenfalls knapp bemessen. Da selbst durch weitgehende bauliche Veränderungen sich ein den jetzt geltenden Vorschriften auch nur einigermaßen entsprechender Zustand nicht erreichen läßt, haben die Schulbau-pflichtigen beschlossen, einen Neubau auszuführen. Das alte Schulgehöft wird an den Guts-herrn für 2000 Mark und gegen unentgeltliche Hergabe eines gleich großen Bauplatzes wie das jetzige Schulgehöft veräußert. Das neue Schulgehöft kommt am nördlichen Ende des Dor-fes auf dem an der Chaussee gelegenen Grundstück der Gutsherrschaft. Der Bauplatz ist etwa 26 Ar groß und soll eine rechteckige Form, eine Frontlänge von 50 Mtr. und eine Tiefe von rund 52 Mtr. erhalten. Mit der Bauausführung soll, wenn irgend möglich, bald vorgegangen werden, nachdem die königliche Regierung zu derselben eine erhebliche Staatsbeihilfe bewil-ligt hat. Die baldige Bauausführung ist auch ein dringendes Bedürfnis für die Schule und die-jenigen Hausväter der Schulgemeinde, die Kinder in die Schule schicken.
17. Oktober 1905
Lieberose: (Wilde Kaninchen) Bei den hohen Fleischpreisen, die es der ärmeren Bevölkerung kaum noch gestatten, sich den Genuß von Fleisch zu gönnen, sind die wilden Kaninchen ein begehrter Artikel geworden. Bei den letzten beiden herrschaftlichen Treibjagden kamen jedesmal zirka 150 Stück dieser Tiere zum Abschuß, die für den Preis von 50 Pfennig pro Stück schnellen Absatz fanden.
20. Oktober 1905
Die überaus ungüstige Witterung der letzten Wochen hat die Kartoffelernte außerordentlich erschwert. Die kgl. Regierung zu Frankfurt a. O. ist deshalb von vielen Seiten darum angegangen worden, daß die weitere Ausdehnung der Herbstferien ausnahmsweise für das laufende Jahr genehmigt werden möchte. Diesen Gesuchen vermag die kgl. Regierung keine Folge zu geben, ermächtigt aber angesichts der dringenden Notlage die Schulinspektoren, daß sie für die Kartoffelernte die Beurlaubung einzelner, für die Erntearbeit in Betracht kommender Kinder unter Berücksichtigung des örtlichen Bedürfnisses auskömmlicher und reichlicher gewähren. Außerdem macht die Regierung darauf aufmerksam, daß bei der bis zum 31. Oktober in Geltung stehenden Sommerschuleinrichtung der Unterricht der Oberstufe in den drei Morgenstunden von 7 - 10 Uhr beendigt sein kann, so daß die dazu gehörenden Kinder täglich noch mehrere Stunden zur Hilfeleistung verwendet werden können.
22. Oktober 1905
Dem deutschen Städtetage ist jetzt auch die Stadt Guben beigetreten.