Gubener Zeitung

Die Gubener Zeitung, von 1871 bis 1944 kann auf Rollfilm in den Räumlichkeiten der Stadtbibliothek Guben eingesehen werden.

1905

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2. Mai 1905

Das Kraftwerk Seydelsche Mühlen ist heute dem Betriebe übergeben worden, nachdem die behördliche Konzession dazu erteilt worden ist. Das im Neißebett errichtete stattliche Maschinenhaus enthält 4 Turbinenkammern, von denen 2 vorläufig ausgebaut sind. Das Aggregat I betreibt mittels einer unter der Straße angelegten Transmission die Mühle, gleichzeitig auch eine Dynamomaschine von 120 Kilowatt Leistung. Aggregat II wird ausschließlich zur Erzeugung elektrischer Kraft verwendet und betreibt eine Dynamomaschine von 240 Kilowatt Leistung. Aggregat III wird im Laufe des Sommers ausgebaut werden und gleichzeitig eine Dynamomaschine von 240 Kilowatt Leistung betreiben. Die Turbinen haben je 350 Pferdekraft normale Leistung. Das nutzbare Gefälle des Wassers beträgt 4 bis 4,5 Meter. Die wasserbautechnischen Teile der Anlage sind von der Firma Briegleb, Hansen & Co in Gotha, die Dynamomaschinen von der Firma E.A G. vormals W. Lahmeyer & Co. in Frankfurt a. M. geliefert worden .Durch selbsttätige Regulatoren werden die Turbinen ohne Eingreifen von Menschenhänden reguliert. Quer durch die ganze Maschinenhalle ist ein Laufkran angebracht, der 15 Meter lichte Spannweite und eine Tragkraft von 8500 Kilogramm hat. Die schwersten Maschinenteile lassen sich mit seiner Hilfe an jeden gewünschten Platz bringen. In voriger Woche wurde ein Probebetrieb des Werkes vorgenommen, der ein tadelloses Funktionieren aller Maschinenanlagen ergab. Die Elektrizität wird durch Kabel nach dem städtischen Elektrizitätswerk geleitet und dort an die verschiedenen Abnehmer verteilt.


4. Mai 1905

Von der Guben-Forster Bahn. In Forst waren Gerüchte verbreitet, auf dem Gleise der Gubener Strecke sei in den letzten Tagen wiederum ein Hindernis gefunden worden, das einem anrollenden Zuge hätte Störungen bereiten können. Es ist bekannt, daß sich solche Vorkommnisse wiederholt auf der Strecke zugetragen haben. Das jetzt verbreitete Gerücht ist glücklicherweise übertrieben und nach dem Forst. T. auf folgende Tatsache zurückzuführen: Ein Maurer aus Strega sah am Nachmittag des 28. April, wie ein schwachsinniger junger Mensch aus Naundorf einen etwa faustgroßen Stein auf das Bahngleis zwischen Bohrau und Briesnigk legte. Der Maurer beseitigte den Stein, der auch wohl kaum ein Hindernis für den Zug gewesen wäre. Der schwachsinnige Mensch ist sonst harmlos; für die Tat wird er bei seinem Geisteszustande kaum verantwortlich gemacht werden können. Ob er in irgendeiner Beziehung zu den früheren Vorkommnissen auf der Strecke steht, dafür liegt kein Anhalt vor.


12. Mai 1905

Der Mai ist gekommen und mit ihm pflegen auch die Maikäfer nicht auszubleiben zur Freude unserer Kinder. Die Maikäferbörse ist eröffnet, und Fachkenner legen für einzelne Spezialitäten, einen "Kaiser" oder "König", im Tauschgeschäft ein paar Federn oder Stifte mehr an. Das gehört so mit zum Mai und wir wollen unseren Kindern die Freude nicht stören, aber zugleich die herzliche Bitte an sie richten,  sich vor jeder unnötigen Tierquälerei zu hüten. Der Maikäfer ist ein schädliches Tier, er muß vernichtet werden. Wollen Kinder ihn mit nach Hause nehmen, so dürfen sie nicht vergessen,  ihm auch Nahrung an frischen Blättern zu bieten. Sonst sollten sie ihn lieber weiterfliegen lassen oder sofort schnell und schmerzlos zu töten, ehe sie seiner überdrüssig werden.


13. Mai 1905

Vom Wetter. Am Tage des ersten der gefürchteten "Eisheiligen", Mamertus,  zeigte das Thermometer 18 Gr. C. über Null. Auch abends herrschte eine milde Temperatur, so daß die ersten Abendkonzerte im Freien stattfinden konnten. In den letzten 5 Jahren haben die Eismänner sich nicht einmal von so einer angenehmen Seite gezeigt, wie, wenigstens zu Beginn ihrer Herrschaft, in diesem. Die Obstblüte (Birne und Äpfel) befindet sich gerade jetzt in voller, herrlicher Entfaltung; ihr würde ein Wetterumschlag, von dem wir hoffentlich verschont bleiben, doch beträchtlich schaden können. Schon entfaltet auch der Flieder seine Blütendolden und die Kastanien stecken ihre Kerzen auf.


16. Mai 1905

Dampferverkehr. Die Baumblüte lockte mehrfach Passagierdampfer nahegelegener Oderortschaften in die Unterneiße hinauf, ein Beweis, daß die Schiffbarkeit unseres heimischen Gewässers kein leeren Wahn ist. Am gestrigen Sonntag geriet allerdings der Fürstenwalder Dampfer Carolus in der Nähe des Schlachthofes auf eine Sandbank und konnte erst nach erheblichen Anstrengungen wieder flottgemacht werden.


19. Mai 1905

Zu der Enthüllungsfeier des Corona Schröter-Denkmals haben ihr Erscheinen bis jetzt bestimmt zugesagt: Ihre Hoheit Prinzessin Heinrich VII. Reuß, Prinzessin von Sachsen-Weimar, nebst ihrer Tochter, der Prinzessin Sofie Renata Reuß, Se. Durchlaucht Prinz Heinrich zu Schönaich-Carolath auf Amtitz nebst Gemahlin, ihre Durchlaucht Prinzessin Salm, Herr Regierungspräsident von Dewitz aus Frankfurt a. O., der Schöpfer des Denkmals, Herr Professor Karl Donndorf aus Stuttgart und als Vertreter der Goethe-Gesellschaft deren Vicepräsident Herr Geh. Regierungsrat Professor Dr. Erich Schmidt aus Berlin.


20. Mai 1905

Der Lesestoff in der hiesigen städtischen Lesehalle hat in der letzten Zeit eine wesentliche Bereicherung erfahren, indem zu den bereits ausgelegten politischen Zeitungen und 15 großen Zeitschriften, den kleineren Schriften für Stenographie, Gesundheitspflege, Tierschutz, Mä-ßigkeitsbestrebungen u .s. w. noch als neu "Der Kunstwart", "Die deutsche Romanzeitung" und "Die deutsche  Romanbibliothek" hinzugekommen sind. Für das reisende Publikum wird besonders seitens des hiesigen Verkehrsvereins durch Auslegung interessanter, neuerschiene-ner Zeitschriften und durch eine große Zahl von Führern für Städte, Bäder und vielbesuchte Gegenden des In- und Auslandes, welche größtenteils auch für den häuslichen Gebrauch zu-gänglich sind, reichlich gesorgt. Um den kunstliebenden Besuchern der Lesehalle noch mehr zu bieten, als es bisher durch die Zeitschriften "Die Kunst für alle" und "Das Kunstgewerbe-blatt" geschah, sind vorläufig 2 Bildermappen mit Radierungen berühmter Meister eingeführt worden, welche jedem Verehrer künstlerischer Erzeugnisse auf seinen Wunsch von jetzt ab zur Besichtigung übergeben werden können. Sollte dieser Versuch hierorts die gebührende Würdigung finden, so wird die Zahl dieser wertvollen Kunstblätter allmählich weiter ver-mehrt werden.

Bei den Kanalisationsarbeiten in der Schögelnerstraße stürzte heute früh eine Strecke des Schachtes ein. Zwei Arbeiter wurden verschüttet. Es gelang, sie lebend herauszuschaffen, doch mußte der eine nach dem Krankenhause gebracht werden.


23. Mai 1905

An diesem Tage wird ausführlich über die Feierlichkeiten anlässlich der Enthüllung des Corona-Schröter-Denkmals auf der Schützeninsel berichtet.


24. Mai 1905

Crossen: In einer gemeinsamen Sitzung der Körperschaften der St. Marienkirche wurde gestern beschlossen, den Klingelbeutel fortfallen zu lassen und dafür am Ausgange des Gotteshauses einen von den anderen Kollekten unterscheidbaren Opferstock zur Aufnahme von Gaben für die Kirche aufzustellen. Obwohl das Erträgnis aus den Klingelbeuteln sich durchschnittlich jährlich auf etwa 260 Mark belief, war die Versammlung darin einmütig, mit dem alten Zopfe, der verletzend auf das religiöse Gefühl wirkte, aufzuräumen. Wesentlich förderte diesen Beschluß die seit einigen Jahren günstige Finanzlage der Kirche. Bei dieser Gelegenheit kam auch zur Sprache, daß die Telleropfer am Altare während der Abendmahlsfeier noch viel störender seien; es wurde demgegenüber betont, daß der Ausfall dieser nicht unerheblichen Sammlung, welche der Pfarrkasse zufließt, nur durch eine Erhöhung der Kirchensteuer aufgebracht werden könne, weshalb in dieser Sache vorläufig nichts geändert wurde. Es schien jedoch Meinung für die Herbeiführung eines generellen Beschlusses des Kirchenregiments in dieser Angelegenheit zu sein.


25. Mai 1905

Die Kanalisationsarbeiten werden jetzt nach dem westlichen Stadtteile, der Deulowitzer-, Sprucker- und Grünstraße, fortgeführt. Von der Straupitzerstraße aus ist man gegenwärtig daran, das zwischen der Halle-Sorau-Gubener und der Niederschlesisch-Märkischen Eisen-bahn gelegene Gelände, sowie die Bahnkörper zu durchbrechen. Man hat zu diesem Zweck auf jeder Seite der Dämme starke Pfähle eingerammt, welchen gewaltige T-Träger quer und längs als Unterlager für den Schienenbau aufgelagert sind. Zwischen den Pfählen wird der Schacht gegraben, in den die Kanalisationsröhren versenkt werden sollen. Das Erdreich der Dämme ist, um ein Nachsinken zu verhüten, zu beiden Seiten abgesteift. Die gewonnenen Erdmassen werden zur Auffüllung des hier ziemlich sumpfigen Terrains verwendet. Die Ka-nalisationsröhren sind von größter Dimension, da hier ein Haupt- oder Stammkanal angelegt werden soll.