Gubener Zeitung

Die Gubener Zeitung, von 1871 bis 1944 kann auf Rollfilm in den Räumlichkeiten der Stadtbibliothek Guben eingesehen werden.

1906

Januar Februar März April Mai Juni Juli August September Oktober November Dezember

1. Februar 1906

Moden für Kinder und junge Mädchen

Selten hat sich die Kindermode für die Mütter unserer jüngsten Weiblichkeit als ein so dankbares Feld erwiesen, wie in dieser Saison, in der sich angesichts der Reichhaltigkeit des Gebotenen die Richtigkeit des Sprichwortes: Wer die Wahl hat, hat die Qual aufs neue bewahrheitet. Man könnte dadurch beinahe glauben, daß sich die Forderung nach individueller Kleidung auch auf die Kindergarderobe erstreckte, da manche Fassons gewisse Eigenheiten der kindlichen Erscheinung derart betonen, daß sie in Verbindung mit dem betreffenden Persönchen direkt zu individuellen Kleidungsstücken werben. Da sind z.B. die praktischen in Plissee- oder Quetschfalten, geordnete Kittelanzüge, die durch ihr knabenhaftes Gepräge ganz speziell für die derben wilden Mädels geeignet sind, von denen die eigene Mutter so oft behauptet, daß sie eigentlich „Jungens in Mädelkleidern“ seien. Wer möchte diese robuste kraftstrotzende Jugend in eines jener hauchzarten Hängerkleidchen aus leichter plissierter Seide und Spitzen hüllen, die so recht für die überzarten Elfengestalten unserer modernen kleinen Mädchen geschaffen, für deren Rippfigürchen die beste Folie ergeben?

Oder wer würde solch ein zerbrechliches Geschöpfchen in eines jener hochmodernen Russenkleidchen stecken, deren fast faltenlose Bluse nur für kräftige gut entwickelte Kinder vorteilhaft ist? Aus solchen Nöten wird die fürsorgende Mutter am besten einen Ausweg finden, wenn sie das Hauptgewicht nicht auf das Moderne, sondern auf das Kleidsame legt, da im andern Falle die Gefahr nahe liegt, daß die Erscheinung des Kindes leicht zur Karrikatur werden kann. Für die Allerkleinsten bleibt nach wie vor der Hänger in feinen verschiedenen Variationen die beliebteste Form. Am reizvollsten, wenn auch durch seine Länge nicht gerade praktisch erscheint er als Empirekleidchen mit kurzer Taille, lang bis zu den Füßen herabfallenden faltigen Hängerteilen und den kurzen Puffärmelchen, das besonders in farbigem Sammet geradezu malerisch wirken kann. Empire und Kindermode scheinen sich außerdem noch öfters die Hände zu reichen, da auch größere Mädchen statt des Reformkleides jetzt vielfach die gereihten faltigen Hänger tragen, denen der hoch verlegte Gürtel und die kurze Taille den Charakter der Kostüme aus der Zeit der Königin Luise verleiht. Sollen sie besonders flott und auch für die Straße geeignet erscheinen, so dient eins jener kurzen Bolerojäckchen, die vorn geöffnet, die blusige Taille zeigen, zu ihrer Ergänzung.

Auch die Ueberkleidung scheint in ihren modernsten Schöpfungen ganz im Zeichen des Empire zu stehen, tauchen doch allenthalben kurztaillige Mäntel mit faltigen Rumpfteilen auf, die in der Regel in Plisseefalten geordnet, die kleinen und großen Mädchen ganz allerliebst kleiden, wenn sie auch sonst nicht grade zu den anspruchslosen Formen zählen. Ihre Beliebtheit mag wohl zum Teil darin wurzeln, daß sie durch ihren Hängercharakter, sowie durch den losen faltigen Schnitt sich als echte, rechte Kinderformen erweisen, die liebevoll alle Ecken der kindlichen Figur verdecken. Das Gleiche gilt auch von den verschiedenen Blusenkleidchen der kleineren und den blusigen Taillen  der größeren Mädchen, von denen die ersteren zumeist für Festkleidchen in Frage kommen, da sie durch die kurzen Röckchen mit ihren Volants oder Spitzengarnituren und der leicht verlängerten Taillenlinie immer flott und geputzt wirken und dadurch speziell zur Machart für alle leichten duftigen Stoffe werden. Für den täglichen Gebrauch sind ihnen die Matrosen- oder Faltenkittelleibchen vorzuziehen, deren Form immer etwas derberes Material bedingt und von denen man erstere gern mit passenartigen oder breiten, die vordere Mitte bedeckenden Besatztessen ausstattet. Schulpflichtige Mädchen tragen auch wohl die praktische Hemdbluse auf karriertem Wollstoff oder englischem Flanell in Verbindung mit einem flotten Plisseeröckchen, das als letzte Neuheit durch anzuknöpfende Träger bereichert ist, die auf der Schulter geschlitzt, eine kleidsame Ergänzung zu der Bluse ergeben.

Eine weitere Rockneuheit bilden noch die zierlichen Etagenröcke, die aus drei rundgeschnittenen, leicht gereihten Volants gebildet werden, die einer glatten Rockgrundform aufgesetzt, besonders für leichte Stoffe geeignet sind, als Blusenröcke aber kaum in Frage kommen. Für größere Mädchen und Backfischchen erfreuen sich die einfachen Siebenbahnenröcke wieder zunehmender Beliebtheit, die ihnen am Haus- wie Straßenanzuge, wie auch neuerdings wieder am Konfirmationskleide ihren Platz anweist. Da der Ernst des Konfirmationstages sich auch gewissermaßen an der Erscheinung der eben in den Bund der Christenheit aufgenommen jungen Menschenknospen wiederpflegen soll, so hat selbstverständlich auch das Kleid als äußeres Zeichen damit in Einklang zu stehen und sich durch sein Gepräge auszuzeichnen. Man wird deshalb alle überreichen und flotten Garnituren, sowie alle extravaganten und hypermodernen Formen nach Möglichkeit zu vermeiden suchen und sich mehr an schlichte Fassons halten, die sich nebenbei der Kindlichkeit der Trägerin anpassen. 

Der dekorative und dabei praktische Velvet, der in dieser Saison so, überaus beliebt, hat sich übrigens auch in der Kindergarderobe ein weites Feld erobert, da er nicht nur zu Knaben- wie Mädchenanzügen, Mänteln, Jacken und Blusen mit Vorliebe verwendet wird, sondern sich auch als Waschsammet die Kunst der Mütter zu erzwingen wußte, die ihre Kleinen zu jeder Jahreszeit gern in die Farbe der Unschuld kleiden. Für die jüngste und jüngere Generation bleibt Weiß ebenfalls nach wie vor die bevorzugteste Farbe und die immer mehr um sich greifende englische Sitte, die kleinen Mädchen das ganze Jahr hindurch in weiße Batist- und Waschkleidchen zu hüllen, wozu allerdings auch ein abgehärterter Körper gehört, dürfte gleichfalls ihren Ursprung in tiefer Vorliebe für das farbige Weiß haben. Für größere Mädchen gelten karrierte Wollstoffe und vor allem die praktischen Schottenkaros nach wir vor als modern, während für das Festleib neben Waschseide, Bengaline und Crepon vielfach auch weißer Cheviot und bedruckter Wollmusselin gewählt werden. Diese leichten Gewebe sind dann in der Regel entweder reich mit Volants oder mit Valenciennespitzen garniert, während die Cheviotkleider vielfach nur eine breite, farbige Seidenschärpe zu ihrer Ausstattung erhalten. Im übrigen ist es durchaus nicht notwendig, daß man, um hübsche Effekte zu erzielen, für die Kinderkleider zu besonders eleganten oder teuren Stoffen greifen muß, lassen sich doch im Gegenteil gerade mit oft bescheidenden Mitteln bei einer glücklich gewählten kleidsamen Form zuweilen ganz allerliebste Anzüge herstellen, die durch die Betonung des kindlichen Mutters Herzblättchen oft besser kleiden, als es das geputzte, luxuriöseste Kleidchen meist zu tun vermag.

Verantwortlicher Redakteur Richard Frost in Guben. (gekürzt)


10. Februar 1906

Plakate von Guben wird der Verkehrsverein in den Nachbarstädten in Hotels und Restaurationen und an anderen geeigneten Orten zur Reklame für unsere Stadt zum Aushang bringen. Die Plakate sind nicht nach der üblichen Schablone von Plakatfabriken hergestellt, sondern aus lauter Ansichtskarten mit feinem künstlerischem Geschmack zusammengestellt. Unter Glas und Rahmen nehmen sie sich sehr vorteilhaft aus, wirken originell und sind geeignet, die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken.


14. Februar 1906

Ein Semmeldieb ist in der Person eines 9jährigen Schülers L., am Kastaniengraben wohnhaft, ermittelt worden. Der Bursche stellte es schlau an, indem er am frühen Morgen mit einer Laterne und einem großen schwarzen Beutel von Haus zu Haus ging und sich die Frühstücksbeutel aneignete. Wer ihn traf, hielt ihn für einen Bäckerjungen, der Frühstück austrägt. Er gab an, im Auftrage seiner Mutter gehandelt zu haben. Bei einer Hausdurchsuchung wurden 11 Semmelbeutel vorgefunden; bei einzelnen, die ein eingesticktes Kennzeichen hatten, war dies ausgetrennt. Interessenten können sich die Beutel auf dem Polizeibureau ansehen.

Was man in Straßenbahnwagen soll und nicht soll.

Du sollst, wenn Du einsteigen willst, nicht den Aussteigenden den Weg versperren.

Du sollst, wenn Du aussteigen willst,  nicht fünf Minuten vor dem Anhalten Dich an den Ausgang stellen, wie eine Schildwache.

Du sollst niemals, wirklich niemals, während der Fahrt auf- und absteigen.

Du sollst nicht Goldstücke und Hundertmarkscheine beim Schaffner wechseln wollen. Lege Dir einen Nickel zurecht, ehe Du einsteigst.

Du sollst, als Raucher, nicht mit erlöschenden Zigarrenstummeln die Luft im Wagen verpesten

Du sollst, als Nichtraucher, Dich hüten, Wutblicke zu schleudern, wenn Dir auf der Plattform Tabaksqualm ins Gesicht weht. Der Raucher hat keinen anderen Platz.

Du sollst beim Einsteigen nicht von Deinen Begleitern Abschied nehmen, als reisest Du nach Amerika, und nicht Grüße an alle Verwandten und Freunde noch andere wortreiche Aufträge austeilen.

Du sollst dem Wagenführer nicht Anekdoten erzählen und Gespräche über das Wetter mit ihm führen. Der hat an andere Dinge zu denken.

Du sollst im Wagen nicht deinen nassen Regenschirm an anderer Leute Knie lehnen.

Du sollst, wenn jemand Platz begehrt, der durch Zusammenrücken nicht erzielt werden kann, nicht wie festgeleimt auf Deinem Sitz verharren und träumen.

Du sollst nicht bloß jungen hübschen Mädchen Platz machen, wenn es nötig ist, sondern vor allem älteren Damen.

Du sollst, wenn Du ein Mann bist, schöne Frauen nicht anstarren, als möchtest Du sie vor Liebe aufessen.

Du sollst, wenn Du ein Weib bist, nicht die Toilette Deiner Nachbarin von der Hutnadel bis zum Rocksaum studieren wie ein Kleidermodell.

Du sollst Deinen Mitmenschen nicht auf die Zehen treten, wenn Du in den Wagen gehst.

Du sollst nicht Dein Frühstück im Wagen verzehren, das sieht meist unappetitlich aus.

Du sollst Dir nicht mit Deinem Gegenüber oder Nachbarn Familiengeschichten so laut erzählen, dass alle Fahrgäste es hören.

Du sollst nicht Käse oder Räucherfische in den Wagen mitbringen.

Du sollst nicht spucken, Du sollst nicht spucken, Du sollst nicht spucken.

(„Praktischer Wegweiser für jede Familie“, Verlag in Würzburg)


15. Februar 1906

Abschuß der Störche. Jäger und Jagdfreunde wird es interessieren, daß der Bezirksausschuß zu Frankfurt a. O. für die Kreise Königsberg, Soldin, Landsberg a. W. und Ost-Sternberg den Jagdberechtigten und deren Beauftragten die Ermächtigung gegeben hat, den weißen Storch in der Zeit vom 1. März bis einschließlich 15. Juni 1906 zu schießen. Es wird hierbei die Erwartung ausgesprochen, dass der Abschuß nur an den Orten und zu den Zeiten erfolgt, wo und wann der Vogel in größerer Anzahl auftritt. Anderenfalls würde eine Abschußgenehmigung in künftigen Jahren nicht erteilt werden.


24. Februar 1906

Unsere Straßenbahn sieht heute auf ihr zweijähriges Bestehen zurück. Am 24. Februar 1904 fand die Betriebseröffnung der „Elektrischen“ statt. Wenn auch die Bürger von Guben der damaligen Betriebseröffnung der langersehnten Bahnhofs-Verbindung sehr wohlwollend gegenüber standen, so wurde doch eine etwaige Rentabilität von den meisten sehr angezweifelt. Wie immer, so ist auch hier, die goldene Mittellinie gefunden worden. Bei größtmöglichem Entgegenkommen unter besonderer Berücksichtigung der hiesigen Verhältnisse ist es der Straßenbahn gelungen, eine, wenn auch noch mäßige Verzinsung des Anlagekapitals zu erzielen…. Im Jahre 1905 haben die Motorwagen 197 440, die Anhängerwagen 1503 Kilometer zurückgelegt. An Unfällen waren 5 leichte zu verzeichnen, die durch Selbstverschulden der beteiligten Personen verursacht waren, gegen 8 Unfälle im Jahre 1904. Zusammenstöße mit Fuhrwerken waren 4 im Jahre 1904 und die gleiche Anzahl im Jahre 1905. Es gibt immer noch Fuhrleute oder Kutscher, welche nicht einsehen wollen, dass die Straßenbahn nicht um sie herum fahren kann und einfach das Geleis als Fahrweg benutzen…