Gubener Zeitung

Die Gubener Zeitung, von 1871 bis 1944 kann auf Rollfilm in den Räumlichkeiten der Stadtbibliothek Guben eingesehen werden.

1906

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1. Mai 1906

Das Gymnasium hat das neue Schuljahr angetreten mit 224, die Realschule mit 226, die Vorschule mit 103 Schülern. Die Hauptanstalt hat 10 Schüler mehr, die Vorschule um ebensoviel Schüler weniger. Auffallend gering ist der Zugang von außerhalb gewesen, in der Realschule 5, im Gymnasium 10. Von diesen 15 haben nur 11 hier eine Pension genommen.


10. Mai 1906


12. Mai 1906

In der gegenwärtig auf dem Lubstplatz aufgestellten Menagerie beging in der gestrigen Abendvorstellung ein Hutarbeiter die Unvorsichtigkeit, einen der Löwen, der seine Tatze durch das Gitter streckte, zu streicheln. Der Löwe aber verstand diese Zärtlichkeit falsch, schlug mit der anderen Tatze zu und verwundete die liebkosende Hand derart, dass sich der Mann sofort zu einem Arzt begeben mußte.

Die Eisheiligen dürften  diesmal mit besonderer Spannung erwartet werden. Hat man sich doch schon recht gut an die Maihitze gewöhnt und möchte man doch von empfindlichen Kälterückschlägen nichts mehr wissen, nachdem alles, was keimt und sprießt, bisher eine so prächtige und ungestörte Entwicklung nehmen konnte. So erwartet man denn neugierig, wie die Tage der gestrengen Herren sich in diesem ungewöhnlich früh hereingebrochenen warmen Frühling zeigen, ob sie sich der bisherigen Stimmung der Temperatur anpassen, oder, ihrem ja leider nicht so günstigen Rufe getreu, erhebliche Abkühlung bringen werden. Möglich ist im Mai alles. Gehören doch sogar Schneefälle im Wonnemonat nicht ins Reich der Unmöglichkeiten. Nach den Aufzeichnungen Dr. R. Hennings wurde z. Bsp. Berlin im Jahre 1899 am 19. Mai, im Jahre 1867 sogar noch am 24. Mai, durch einen ganz respektable Schneefall überrascht. In Wien hatte am 15. und 16. Mai 1885 ein außerordentlich starker Schneefall arge Verkehrsstockungen zur Folge. Von ähnlichen Wetterkatastrophen wissen auch die Chronisten früherer Zeiten zu erzählen. So sollen am 25. und 26. Mai 1705 allenthalben in Deutschland zahllose Bäume unter der Last des gefallenen Schnees zusammengebrochen sein. Auch am 4. Mai des Jahres 1740 wurde die Mark durch einen sehr starken Schneefall heimgesucht. Hoffen wir, dass die „Eisheiligen“ uns diesmal mit Überraschungen verschonen. Mammertus, der heute, am 11. Mai, den Anfang machte, benimmt sich bis jetzt sehr gesittet; mögen Pankratius und Servatius ihm gleichen!


13. Mai 1906

Ein schweres Gewitter entlud sich gestern Nachmittag über unserer Stadt… Stellenweise hat der heftige Regenguß auch durch Auswaschungen von Böschungen, Wegen und Steigen Schaden getan. Auf dem untersten Teil der Crossener Straße sammelten sich große Schlammmassen an. Die meteorologische Station stellte 41,2 Milliliter Niederschläge fest. In der Eichholzstraße schlug der Blitz in das Jachmannsche Wohnhaus (Nr. 58), zertrümmerte das Dach, schlug mehrfach in den Stuben und im Treppenhaus Putz los und beschädigte mehrere Gegenstände. Die Bewohner kamen mit dem Schrecken davon. Weitere Blitzschläge trafen den Turm der Aderschen Villa in der Neißestraße und das Wohnhaus von Schulze, Chönesche Häuser 3b, beide ohne zu zünden…. Auch der Bahnhof wurde vom Blitz getroffen; ein Blitzstrahl  traf am Eingange einen Schornstein, demolierte diesen, sprang dann auf das Dach über  und ging am Gasrohr entlang, bis er die elektrische Leitung traf, die beschädigt wurde…


15. Mai 1906

Steinadler erlegt. Am 11. Mai morgens erlegte der Gutsförster Gutmann auf herrschaftlich Gr. Breesener Revier einen prächtigen Steinadler (Aquila fulva), und zwar ein männliches Tier im schönsten Frühjahrskleid. Der starke, über 2 Meter spannende Vogel hatte einen Hasen geschlagen und wurde nach dem Abstreichen mit sicherem Kugelschuß aus ziemlicher Höhe herabgeholt.

Das Unglück, einen Ballon Schwefelsäure auf der Straße zu zerschlagen, hatte der Kutscher einer hiesigen Drogerie. Den Schaden vergrößerte er dadurch, dass er die Säure schleunigst in einen Straßengully beförderte. Dadurch wurde nicht nur der Senkeimer vollständig zerfressen, auch die Glasur im Innern des Gully wurde zerstört. Die recht beträchtlichen Kosten für die Wiederherstellung des Gully und des Eimers hat der Kutscher oder im Unvermögensfalle sein Dienstherr zu tragen. – Zur Warnung für ähnliche Fälle sei auf § 3 Abs. 2 der Polizeiverordnung über die Kanalisation verwiesen, wonach Gegenstände, die geeignet sind, einen Gully zu beschädigen, nicht hineingetan werden dürfen.


22. Mai 1906

Die ersten reifen Kirschen werden zur Zeit auf den Markt gebracht. Der ungewöhnlich frühe Termin kann nicht überraschen in Anbetracht einer so abnorm warmen Witterung, wie sie der diesjährige Mai gebracht hat. Sie erhob sich bis zu zwölf Grad über Mittel. Feuchtigkeit und Wärme sind auch den Salatfeldern sehr zuträglich gewesen; die Ernte und Ausfuhr ist gegenwärtig in lebhaftem Gange. Die Erdbeerbeete haben schon zahlreich große Früchte angesetzt, ebenso die Schoten (Erbsen). Die Aussichten auf die Obst- und Beerenernte sind nach wie vor gut.


23. Mai 1906

Typhus. Ende der letzten Woche ist hier auf den Grundstücken Sommerfelderstr. 1  und 2 eine größere Zahl der Bewohner an Typhus erkrankt. Die Erkrankten – 27 -, größtenteils Kinder, sind in das städtische Krankenhaus aufgenommen. Auch sind sonst alle Vorkehrungs- und Sicherheitsmaßregeln getroffen, so dass eine weitere Verbreitung der Krankheit in der Stadt ausgeschlossen erscheint.


31. Mai 1906

Von einem tödlichen Unglücksfall, der sich am Sonntag bei dem Kriegervereinsfest in Reichenbach durch einen Böllerschuß ereignet haben soll, war in der in Forst erscheinenden sozialdemokratischen Volksstimme zu lesen. Trotz sorgfältiger Erkundigungen konnten wir über einen solchen Unfall nicht das Geringste ermitteln. Die Sache hat jetzt ihre Aufklärung gefunden. Die Märkische Volksstimme ist in eine Falle gegangen, die ihr das Forster Tageblatt gestellt hatte.

In dem Forst. Tagebl. lesen wir unter dem 29. Mai:

     Einen bösen Reinfall hat die hiesige „Märkische Volksstimme“ zu verzeichnen. Der Redaktion des „Forst. Tagebl.“ war es in letzter Zeit aufgefallen, dass wiederholt Nachrichten, die sie von ihren auswärtigen Berichterstattern erhalten hatte, an demselben Tage mit kleinen Änderungen in der „Märk. Volksstimme“ abgedruckt waren. Auch die betr. auswärtigen Korrespondenten machten die Redaktion  auf diese auffällige Tatsache aufmerksam, sie schrieben natürlich nur für das Tageblatt. Um nun der Sache auf den Grund zu gehen, wurde einer unserer Gubener Korrespondenten  beauftragt, eine fingierte Nachricht an uns gelangen zu lassen. Und richtig: gestern früh erhielten wir eine Postkarte mit der Nachricht von einem Unglücksfall bei einem Fahnenweihfest des Kriegervereins in Reichenbach, wobei der Bauernsohn Karl Schmidt  beim Abgeben eines Böllerschusses  verunglückt und auf dem Transport verstorben sein sollte, und prompt erfolgte gestern der Abdruck der erfundenen Notiz in der „Märk. Volksstimme“. – Wer war der Schuldige? Wer hat sich diesen groben Vertrauensmißbrauch  zuschulden kommen lassen? Wer hat die Nachricht dem sozialdemokratischen Blatte übermittelt? Ganz aufgeklärt ist diese Angelegenheit noch nicht. Ein Setzer der Tageblatt-Druckerei will, wie er nach vorherigem Leugnen zugab, gestern mittag mit einem „guten Freunde“ namens „Lehmann“ auf der Strasser von dem Unglücksfall Mitteilung gemacht haben. Leider ist dieser gute Freund, auch mit Hilfe der Polizei, bisher nicht zu ermitteln gewesen. Die Redaktion der „Märk.Volksst.“ allein ist im Stande, Aufklärung darüber zu geben, besonders vom wem sie die betr. Nachricht erhalten hat.     Vielleicht verhilft sie uns dazu, den „Freund Lehmann“ ausfindig zu machen.

Das Pfingstfest fällt in diesem Jahr spät, allerdings nicht so spät, wie im vorigen Jahr, wo der Pfingstsonntag auf den 11. Juni traf, also ganz dicht an die überhaupt mögliche äußere Grenze. Der allerspäteste Termin, auf den Pfingsten treffen kann, ist der 13. Juni. Von den Lesern unseres Blattes werden nicht allzu viele diesen äußersten Termin erleben, denn er tritt erst im Jahre 1943 ein. Auch den überhaupt möglichen frühesten Termin, nämlich den 10. Mai, wird schwerlich eine Leser erlebt haben, noch erleben, denn zum letzten Mal fiel Pfingsten auf den 10. Mai im Jahre 1818 und dies wird sich im Laufe unseres Jahrhunderts  nicht wiederholen. Dicht heran kommen wir allerdings im Jahre 1913, wo wir Pfingsten am 11. Mai begehen werden.