Gubener Zeitung

Die Gubener Zeitung, von 1871 bis 1944 kann auf Rollfilm in den Räumlichkeiten der Stadtbibliothek Guben eingesehen werden.

1907

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1. Februar 1907

Ein gefährlicher Weg zum Standesamt. Die Schiedloer, die noch immer von Wasser rings umschlossen sind, tragen ihr Geschick mit gutem Mut. Ein Brautpaar mit den Trauzeugen kam über die Oder zum Standesbeamten nach Wellmitz zur Trauung. Die Eisversetzung geht bis auf den Grund des Stromes, die Schollen sind wild übereinander getürmt, stellenweise zeigt die Oder auch kurze, offene Stellen. Der Weg über den Strom ist mit großer Lebensgefahr verbunden. Das Brautpaar wollte aber nicht mit der Hochzeit warten. So wanderte dann die ganze Gesellschaft auf über das Eis gelegten Brettern los und erreichte glücklich das andere Ufer. Ebenso wurde der Rückweg angetreten. Auch die kirchliche Trauung fand in Wellmitz statt, da die Kirche in Schiedlo mit Vieh angefüllt ist.


3. Februar 1907

Aus der städtischen Volksbibliothek sind im Monat Januar cr. von 1661 Lesern 2417 Bücher entnommen worden, und die Lesehalle wurde von 541 Personen besucht. Beide Räume, Markt 12 gelegen, sind an Wochentagen des Abends von 5 bis 8 Uhr geöffnet; des Sonntags dagegen werden Bücher vormittags von 11 bis 1 Uhr ausgegeben, und die Lesehalle wird von 4 bis 7 Uhr des Nachmittags benutzt. Letztere ist mit unterhaltenden und belehrenden Lesestoffen reichlich versehen. Die täglich ausgelegten 11 Zeitungen und 18 Zeitschriften können jeden billigen Wunsch für politische Nachrichten und nach neuen Erscheinungen auf dem Gebiete der Literatur befriedigen. Außerdem stehen jedem Besucher Schriften des hiesigen Tierschutzvereins, stenographische, technische und industrielle Blätter, Reiseführer, Wappen mit Kunstblättern, eine Bibliothek mit Nachschlagewerken und mehrere literarische Erzeugnisse gemeinnütziger Bestrebungen kostenlos zur Verfügung. Die Volksbibliothek enthält gegen 6200 Bände. Die nach Fertigstellung des neuen Katalogs angekauften Werke sind durch Aushängebogen im Bibliothekszimmer bekannt gegeben. Die Gesundheitsschriften „Wie kann man helfen bei Unglücksfällen?“, „Wie erhält man sich gesund und erwerbsfähig?“, „Die Tuberkulose und deren Bekämpfung“, eine Preisschrift, werden weit unter dem Selbstkostenpreis für 5 und 10 Pfg.  pro Heft dauernd abgegeben. Zur Aufrechterhaltung der Ordnung und mit Rücksicht auf andere Leser bleibt es dringend erwünscht, die zum häuslichen Gebrauch entliehenen Bücher rechtzeitig zurückzugeben, sie im Hause gegen mutwillige Beschädigung und unterwegs durch eine zweckentsprechende Einhüllung gegen Nässe zu schützen.


12. Februar 1907

Theater. Gestern gelangte Shakespeares „Othello“ zur Aufführung. Als Schröder 1776 den Othello auf die deutsche Bühne brachte, sagte das nervenaufregende Drama dem Publikum so wenig zu, dass Othello die Desdemona nicht erdrosselte, sondern am Leben lassen mußte. Heute ist man an stärkere Wirkungen gewöhnt, auf der Galerie wirkten gestern einzelne Stellen sogar erheiternd. Othello ist so oft mit hervorragenden Gästen zur Aufführung gelangt, dass es nicht Wunder nehmen kann, dass der Zuschauerraum gestern Lücken aufwies. Herr Dröge bot in der Titelrolle eine anständige Durchschnittsleistung. Seine  Erscheinung unterstützte ihn und sein Organ hatte er gut in der Gewalt; er überschrie sich nicht und bramarbasierte nicht, sondern strebte nach Einfachheit und natürlichem Ausdruck. Herr Dröge scheint der Auffassung zu sein, dass Othello kein Mohr, sondern ein Maure ist, diese Ansicht ist aber wohl kaum stichhaltig und die Mehrzahl der großen Othellodarsteller gibt ihn auch als schwarzen Mohren. Als Jago bewährte sich Herr Kugelberg. Er brachte diesen im Mittelpunkt des Ganzen stehenden grausigen Gesellen in wirksamster Weise zur Geltung; die Maske des Biedermanns wusste er geschickt vorzulegen und brachte die die Motive seines Tuns enthüllenden Monologe mustergültig zu Gehör. Frl. Böhm brachte besser die neckische Schelmerei der liebenden als die Schwermut der leidenden Desdemona zum Ausdruck. Herr Seefeld gab den Cassio farblos und Herr Brodowski machte aus dem Rodrigo eine lächerlichere Figur als gerade nötig ist. Frl. Hoffmann wusste aus der Rolle der Emilia nicht viel zu machen, erst in der letzten Szene brachte sie sich ganz gut zur Geltung. Herr Fischer als Brabantio führte seine Rolle gut durch.


19. Februar 1907

Keine Wölfe. Zu der kürzlich uns zugegangenen Meldung, dass bei Saude zwei Wölfe gesehen worden seien, erfahren wir heute aus sicherer Quelle, dass die angeblichen Wölfe – wie durch das Prinzlich Carolathsche Forstpersonal festgestellt wurde – wildernde Hunde aus einem benachbarten Dorfe waren, welche nur sehr entfernte Aehnlichkeit mit den Räubern aus Russlands Steppen hatten. Es schien von vornherein völlig unglaublich – wie ja auch von uns betont – dass zwei Wölfe von der russischen Grenze her plötzlich in der Provinz Brandenburg auftauchen, ohne auf dem langen Wege bis dahin irgendwo in einer der zahlreichen Oberförstereien, die die Wölfe hätten passieren müssen, von unserem geschulten spürfesten preußischen Forstpersonal gespürt und bejagt zu werden, und es wäre alsdann längst entsprechende Mitteilungen über die Wölfe durch die Zeitungen gegangen..


24. Februar 1907

Ein Zeichen des nahenden Frühlings, ein blühender Schlehenzweig, wurde uns heute aus den Mückenberger Bergen zugestellt.


26. Februar 1907

Die Menagerie auf dem Lubstplatz bietet ein immerhin bedeutendes Sortiment wilder Tiere wie Löwen, Bären, Tiger, Hyänen, Wölfe usw. auch eine Anzahl Tiere, die man hier seltener zu Gesicht bekommt, z. B. ein ziemlich großes Stachelschwein, ein Wasserschwein, fliegende Hunde, ein junges Krokodil und viele andere Tiere. Alle Stunden erfolgen eine ausführliche Erklärung  aller Tiere und einige Dressurakte, so daß ein Aufenthalt in der Menagerie Abwechslung bringt.


27. Februar 1907

Wie in anderen großen Städten wird auch in Guben am dreihundertjährigen Geburtstage Paul Gerhardts eine kirchliche Feier veranstaltet werden. Der Gemeinde-Kirchenrat unserer Stadt- und Hauptkirche hat dem Antrage zugestimmt, am 12. März, abend 7 Uhr einen liturgischen Gottesdienst zu halten und Heizung und Beleuchtung der Kirche  aus seinen Mitteln dazu bewilligt. Unser kirchlicher Chorgesangverein hat freundlichst die Ausführung der vierstimmigen Chöre übernommen, sodaß wir eine schöne des Tages würdige Feier erwarten können. Die Noten zu den Chören und die Ordnungen des Gottesdienstes sind auf Antrag des amtierenden Geistlichen von Berlin beschafft worden. Hoffentlich findet diese Feier zur Erinnerung an den edlen Liederdichter unserer evangelischen Kirche reiche Beteiligung von Seiten unserer Gemeinde, so dass der Segen dieses glaubensstarken gottbegnadeten  Mannes bei uns lebendig erhalten bleibe.

Zum heutigen Viehmarkt waren 1081 Pferde und 1117 Rinder aufgetrieben. Für Standgeld wurden 429,60 M. eingenommen.

Der Lichtbilder-Vortrag „Knabe oder Mädchen“, den Friedrich Robert hier am Donnerstag, den 28. Februar, abends 81/2 im Schützenhaus hält, kann des hohen Interesses wegen, das die gesamte  gebildete Welt dieser neuen Lehre von der willkürlichen Vorausbestimmung des Geschlechts entgegenbringt, nur einmal in Guben stattfindet, da Friedrich Robert schon auf Monate hinaus in anderen deutschen Städten sich verpflichtet hat. Robert hat überall vor vollen Häusern gesprochen und mit seinem hochsittlichen Vortrage stets den ungeteiltesten Beifall aller anwesenden Damen und Herren gefunden.