1907
Januar Februar März April Mai Juni Juli August September Oktober November Dezember1. Juli 1907
Hilfsschulen? In einem auswärtigen Blatte lesen wir: Wie hier in Lehrerkreisen verlautet, sollen im nächsten Jahre in Guben, vielleicht schon zum 1. April, Hilfsschulen eingerichtet werden. Ihr Zweck ist, geistesschwachen und minderbegabten Kindern das jetzt zu verarbeitende Pensum in einem langsameren Tempo zu dozieren, also vielleicht: anstatt wie gegenwärtig in acht, in vier Klassen zu verarbeiten und dabei auf die Hauptfächer größeren Wert zu legen. Bei der jetzt häufigen Überfüllung der Klassen ist es dem Lehrer naturgemäß unmöglich, die individuelle Veranlagung der Kinder gebührend zu berücksichtigen. Soweit es irgend möglich, ist es bisher ja trotzdem geschehen und geschieht noch, allerdings werden daDurch die schneller erfassenden Schüler und Schülerinnen nicht unbedeutend benachteiligt. Die beabsichtigte Einrichtung entspricht also zweifellos einem von Lehrern und Einwohnern längst empfundenen Bedürfnis und dürfte allseitig freudige Ausnahme finden. – Pläne solcher Art haben hier allerdings früher bestanden, stießen aber auf starken Widerspruch und konnten nicht realisiert werden. Ob sie jetzt wieder aufgenommen werden sollen und ob die entgegenstehenden Hindernisse beseitigt sind, entzieht sich unserer Kenntnis.
7. Juli 1907
Der „Deutsche Pomologenverein“ versendet soeben das Ergebnis seiner Umfragen über den diesjährigen Fruchtansatz. Das Gesamtergebnis des Fruchtansatzes 1907 stellt sich nach den Berichten aller deutschen Obstbezirke wie folgt: Für Deutschland kann im Durchschnitt eine gute Mittelernte erwartet werden. Der Ansatz ist:
g u t: bei Süßkirschen, Sauerkirschen, Quitten, Stachelbeeren, Johannisbeeren, Erdbeeren, Brombeeren, Heidelbeeren;
g u t – m i t t e l: bei Birnen, Reineclauden, Weintrauben, Preiselbeeren;
m i t t e l: bei Aepfeln, Pflaumen, Walnüssen;
m i t t e l – g e r i n g: bei Pfirsichen, Haselnüssen;
g e r i n g: bei Aprikosen.
8. Juli 1907
Daß die Verschmutzung der Neiße bei unsrer Stadt aus Forst zurückzuführen sei, will das Forst. Tagebl. nicht gelten lassen. Zu den Verhandlungen in der letzten Stadtverordnetensitzung über diese Angelegenheit schreibt genanntes Blatt: Also für die Gubener Fusseln soll Forst verantwortlich sein. Das ist belustigend. Wenn die Herren, die das behaupten, einen Spaziergang oberhalb der Neiße unternehmen würden, so könnten sie sehen, wie klar das Wasser anflutet. Es gibt nämlich selten einen Fluß, bei dem die natürliche Filtration so ausgiebig und Vorzüglich ist, wie unsere Neiße. Unterhalb Sacro, also kaum eine Stunde von Forst, ist beispielsweise das Wasser infolge der vielen Kiesbänke, die es passieren muß, vollständig klar und einwandfrei.
10. Juli 1907
12. Juli 1907
Ein Schleppdampfer mit 2 beladenen Kähnen traf gestern abend in unserem Hafen ein. Die Kähne sind mit Holzpflaster beladen, das vor dem Gymnasium, in der Turnergasse und Neustadt, zur Verwendung gelangt. Die Kähne kommen direkt aus Hamburg, ohne Umladung, der Schleppdampfer ist aus Fürstenberg. Heute früh begann sofort die Ausladung der Kähne, die noch mit manchen Schwierigkeiten verknüpft ist. An die Aufnahme eines regelmäßigen Güterverkehrs zu Wasser ist vorläufig leider noch nicht zu denken.
Der Luftballon, welcher, wie gemeldet, am Sonntag früh über unsere Stadt flog, war der Ballon „Tschudi“ von der Berliner Luftschiffer- Gesellschaft. Der Ballon stieg mit 3 Herren am Sonnabend abend 8 Uhr in Weißensee bei Berlin auf und landete am Sonntag vormittag 1 ½ Uhr in Groß Dobrisch in der Nähe des Bobers, den dort weidenden Kühen und Pferden einen gewaltigen Schreck einjagend. Die fast 16stündige Fahrt vollzog sich bei beinahe vollständiger Windstille. Der Ballon erreichte die Höhe von 1700 Metern. Die Landung, wegen der Nähe des Bobers und der vielen Drahtzäune immerhin schwierig, ging glatt von statten. Die Insassen waren trotz der langen nächtlichen Fahrt vollständig frisch, sodaß alsbald mit der Verpackung und Beförderung zur Station Christianstadt begonnen werden konnte.
16. Juli 1907
Endloser Regen kennzeichnet den diesjährigen Sommer. Die unausgesetzten, tagelang anhaltenden und immer wieder neu beginnenden Regengüsse schädigen Feld- und Gartenfrüchte in gleicher Weise. Immer beklommener sieht der Landwirt der Ernte entgegen, von der man Ende Juni noch gutes erwartete. Spätherbstliche Kühle in der üppigsten Zeit des Hochsommers, das geht denn doch über die Begriffe, die man sich von einem richtigen Verlauf der Jahreszeiten macht. Wirklich schöne warme Sommertage hatten wir nur in der ersten Hälfte des Wonnemondes, vom 5 bis 15. Mai. Seither herrscht im Wetterreiche ein planloses Regiment. Sobald die Sonne ein paar Stunden, wenns hoch kommt, ein paar Tage, vom wolkenlosen Himmel strahlte, gleich zogen außergewöhnlich schwere Gewitter auf, sandten enorme Regenmassen herab, meist mit Hagel vermischt, und sorgten für jähe Abkühlung. Zu den wenigen völlig regenfreien schönen Tagen dieses Sommers gehörte der – Siebenschläfertag, ein drastischer Beweis, wenn es eines solchen noch bedurfte, für die Haltlosigkeit dieses Aberglaubens. Das miserable Wetter ist auch für die Sommerfrischler sehr ärgerlich. Ist es schon im Flachland kühl, so ist es in den Gebirgen naturgemäß noch viel kälter, aus verschiedenen Gebirgsgegenden wird sogar von Schneefällen berichtet…
20. Juli 1907
Der Verkehr vom Bahnhofe nach der Stadt leidet noch immer unter Mängeln, die einer Stadt von der Größe Gubens nicht würdig sind. Nachts ist jetzt überhaupt keine Fahrgelegenheit mehr. Die Straßenbahn stellt an den Wochentagen kurz nach 10 Uhr den Betrieb ein, und die Hotelwagen fahren gegen ½ 1 Uhr nachts zum letzen mal in die Stadt. Der Droschkenbetrieb ließ von jeher zu wünschen übrig. Der Einheimische, der mit einem späteren Zuge zurückzukehren gedenkt, der mag sich rechtzeitig bei einem Droschkenbesitzer vorher einen Wagen bestellen, der ihn vom Bahnhofe abholt, aber was tut der Fremde, der mit diesen merkwürdigen Gepflogenheiten einer Stadt von bald 40000 Einwohnern nicht vertraut ist, namentlich, wenn er in Guben unbekannt ist? Er steht dann ratlos auf dem Bahnhofe und weiß nicht wohin. Daß hier ein schreiender Übelstand besteht, dem abgeholfen werden müsste, bedarf wohl keiner Auseinandersetzung. Wenn kein Mittel verfängt, vielleicht entschließt man sich, an die Bahnverwaltung zu petitionieren, sie möge nicht so rücksichtslos sein, noch nach 1 Uhr nachts Schnellzüge von Berlin und von Breslau und Personenzüge von Halle und von Posen hier anhalten zu lassen, dann schwindet das Bedürfnis nach Fahrgelegenheiten in der Nacht von selbst.
23. Juli 1907
(Kein Oderdammbruch.) Das Gerücht eines neuen Oderdammbruches, das in der weiteren Umgegend verbreitet war, hat sich, wie die Frankf. Od.-Ztg. an Ort und Stelle erfahren hat, glücklicherweise noch nicht bewahrheitet. Wohl führte die Neiße, die gegenüber von Schiedlo in scharfem Winkel in die Oder fließt, sehr gefährliches Hochwasser, aber von einer Katastrophe wäre noch nichts zu melden. Die Oder wüchse in besorgniserregender Weise. Die Überschwemmungen des Vorlandes und der Wiesen nähmen stetig an Umfang zu. An der Verstärkung des Schiedloer Dammes werde unausgesetzt gearbeitet. Bei erheblichem Anwachsen des Wassers sowie bei Ausbruch starker Ströme, die das Wasser gegen den gefährlichen Damm treiben, ist man in Schiedlo, diesem Dorfe mit der ewigen Wassersgefahr allerdings, auf eine neue Durchbruchkatastrophe gefasst. Angesichts der unaufhörlichen Wassersgefahr beabsichtigt die Regierung, die Schiedloer Bevölkerung, die mit großer Treue an ihrer oft bedrohten Scholle hängt, in Posen anzusiedeln.