Gubener Zeitung

Die Gubener Zeitung, von 1871 bis 1944 kann auf Rollfilm in den Räumlichkeiten der Stadtbibliothek Guben eingesehen werden.

1907

Januar Februar März April Mai Juni Juli August September Oktober November Dezember

3. Januar 1907

Eine Neujahrsüberraschung brachte die erste Berliner Konzert- und Operettengesellschaft mit ihrem gestrigen Gastspiel im unangenehm kalten Saale des Schützenhauses beim leider zahlreich erschienenen Publikum. Die ganze Aufmachung der Veranstaltung war derart primitiv, dass man es eigentlich unterlassen sollte, davon Notiz zu nehmen. Weil das Publikum aber sichtlich entrüstet war über diese Verulkung, ist es nötig zu betonen, dass hier auf weitere Vorstellungen dieser Gesellschaft gern verzichtet wird. Weder in den Ankündigungen, noch an der Kasse gab es ein Programm, sodaß niemand wusste, was überhaupt aufgetischt wurde. Mit einer geradezu ohrenbeleidigenden Musik, durch Klavier und Geige ausgeführt – der Geiger hatte sehr wenig Ahnung vom Geigenspiel -  wurde die Vorstellung eröffnet, woran sich dann ein geschmackloses, stümperhaftes sogenanntes Gesamtspiel anschloß. Trotz der mangelhaften Begleitung wurde auch der sogenannte musikalische Teil eröffnet, aber bald wieder mit der Bemerkung geschlossen, daß der eigentliche Kapellmeister plötzlich in Cottbus erkrankt wäre und sie somit in der größten Verlegenheit wären. Nunmehr folgten noch einige schlecht vorgetragene, sehr veraltete Couplets und Einakter; das Publikum mochte aber nichts mehr sehen und hören, sondern entfernte sich während der Vorstellung. Zum Schluß gab es eine Entschuldigung und die Mitteilung, dass das Programm heute abend noch einmal „korrekt“ aufgeführt werden sollte und die Billets ihre Gültigkeit behalten.

Witterungsbericht für 1906. Das verflossenen Jahr war im allgemeinen ein normales, es hatte 167 volle Tage mit Sonnenschein und 154 Tage mit Niederschlägen, wovon 35 ganze Regentage waren; September und Dezember hatten vom letzteren allein je 7, der Dezember auch an 10 Tagen Schnee. Der Januar hatte Niederschläge an 19, der September an 18, der Mai an 16 und der Juni an 15 Tagen, in den letztgenannten 3 Monaten waren sie am stärksten, April und Oktober hatten je nur 5 Tage mit Niederschlägen. Der April hatte 21, Juli 19 und Oktober 18 volle sonnige Tage, September nur 10. Januar nur 6. Sommertage mit 25 und mehr Grad Wärme waren 59, der wärmste Tag war der 1. August mit 34 Gr. Celsius im Schatten (mittags). Juli hatte 18, Mai und Juni je 12, August 11 Sommertage. Kältetage mit Temperaturen unter 0 während des ganzen Tages gab es nur 25, davon entfielen auf den Januar 8, auf den Dezember 17. Die niedrigste Temperatur mit 161/4 Gr. Celsius wies der 23. Dezember auf. Der ganze Winter 1905/06 hatte nur 14 Kältetage. 1899 hatte der Dezember ebenfalls 17, 1902 aber 16 Kältetage mit 17 – 18 Gr. Kälte. Die Anzahl der Sommertage im 10jährigen Durchschnitt wurde nur 1901 um 3 gegen das letzte Jahr überschritten; das Mittel beträgt etwa 45, bei den Kältetagen 25 – 30. Die größte Kälte seit 10 Jahren fiel auf den Februar 1901 mit 211/4 Gr. Celsius, die größte Hitze auf den Juli 1904 mit 36 Gr. Celsius. Gewitter waren im vorigen Jahre 20, Ferngewitter 16, die meisten fielen in den Mai mit 7 resp. 5. Die vorherrschende Windrichtung war in allen Monaten die westliche.


9. Januar 1907

Standesamtstatistik. Im Jahre 1906 sind in Guben geboren 987 Kinder, darunter 99 uneheliche. Gestorben sind 587 Personen, darunter 168 Kinder unter 1 Jahr, Totgeburten sind 38 vorgekommen, Ehen 325 geschlossen.


11. Januar 1907

Der dicke Turm, das Wahrzeichen der mittelalterlichen Stadtbefestigung, zeigt unterhalb seiner Zinne erhebliche Auswetterungen. Wie dringlich die schon geplante Ausbesserung des historischen Turmes ist, beweist der Umstand, dass gestern  Mittag ein halber Mauerstein in dem großen Format der in alten Bauwerken verwendeten Steine niedersauste, glücklicherweise ohne jemanden zu treffen. Bei dem aus dem Mauerwerk gegenwärtig heraustretendem Froste sind weitere Abbröckelungen größerer Stücke nicht ausgeschlossen


13. Januar 1907

In der Stadt- und Hauptkirche zählte man im Kalenderjahr 1906. Getraute Paare 284 (1905: 278); Getaufte: Knaben 447 (426), Mädchen: 400 (410), Konfirmierte: Knaben: 328 (339), Mädchen 326 (370), Kommunikanten: 5937 (6478); kirchliche Beerdigungen: 409 (463).


16. Januar 1907

Ein alter Zopf. In Guben herrscht meistens noch der längst veraltete Brauch, die Kartoffeln nach sogenannten Vierteln zu verkaufen; für Obst gilt dies erst recht, sogar Kohlen werden noch von den Klingelwagen vielfach  nach Körben, die bis 1 Zentner halten sollen, verkauft. Nun wird ja das Viertel Kartoffeln größtenteils zu 50 Pfund vorher von den Verkäufern abgewogen und gilt als Norm, für Obst gilt  dies vielleicht noch allenfalls von Pflaumen, das Viertel Äpfel und Birnen wiegt stets  nur 35 bis 40 Pfund; was aber bei dem Verkauf von Kohlen mittelst sogenannten Zentnerkörben herauskommt, zeigte eine Anklage wegen Betrugs gegen einen Holzkutscher. Dieser hatte an einen hiesigen Bürger 5 Zentner Kohlen à 1,80 M. verkauft; beim Nachwiegen stellte sich nun heraus, dass jeder Korb nur 831/2 bis 84 Pfund enthielt. Auf Vorhaltung lieferte freilich der Kutscher das fehlende Quantum nach, aber wie viele wiegen die gekauften Kohlen nach? Sie sind eben auf die Ehrlichkeit des Verkäufers angewiesen. Es wäre sehr wünschenswert, wenn alle Klingelwagen angewiesen würden, das verkaufte Quantum in jedem Falle vorzuwiegen unter Anrechnung des Korbgewichtes; ebenso wäre dies bei Obst notwendig. Es würde dadurch den Verkäufern die billige Ausrede genommen, sie hätten in gutem Glauben gehandelt, es sei das richtige Maß, wodurch sie dann, falls nicht andere Beweise gegen sie vorliegen, ihre Freisprechung erzielen.


19. Januar 1907

Die Lubst, welche bereits am Mittwoch ufervoll war, ist im Laufe des Donnerstags noch erheblich gestiegen und hat die in ihren beiden Ufern belegenen Wiesen und Äcker weithin überschwemmt, so daß sie z. B. vom Lubstplatze aus nach Schöneich zu wie ein einziger großer See aussieht. Auch die Neiße hat Hochwasser. Das bisherige Regenwetter dürfte übrigens noch ein weiteres Steigen veranlassen.

Zum Verkauf des Rittergutes Schenkendöbern erhalten wir eine Richtigstellung unserer gestrigen Notiz dahin, daß das Gut nicht zur Parzellierung verkauft ist. Erwerber des Gutes ist der Kaufmann Vorsteher in Hannover, der es ungeteilt weiter zu bewirtschaften beabsichtigt.


24. Januar 1907

Die Kälte hat noch etwas zugenommen. Heute früh zeigte das Thermometer 20 Grad Celsius. Die Russen sind doch an strenge Kälte gewöhnt, diesmal aber erscheint sie selbst ihnen zu arg; allerdings ist dort das Thermometer noch viel tiefer gesunken als in Deutschland, bis auf 35 Grad unter 0. Aus Anlaß des in ganz Russland beobachteten starken Frostes hat die Petersburger Telegraphen-Agentur den Direktor des Hauptphysikalischen Observatoriums in Petersburg ersucht, die Ursachen dieser Erscheinung aufzuklären. Die Agentur erhielt die Antwort, dass am 18. Januar auf dem nördlichen Eismeere ein starker Antizyklon aufgetreten ist, welcher in ganz Russland eine stillklare, hochfrostige Witterung hervorgerufen hat. Ähnliche Bedingungen wurden zuletzt im Jahre 1893 beobachtet. Am 21. Januar überstieg das Barometer in Petersburg 798 Millimeter, was seit 1836 nicht mehr beobachtet wurde. Die üblichen Begleiterscheinungen eines derartigen Antizyklons treten als östliche Stürme auf dem schwarzen Meere und dem asowschen Meere und als Schneestürme auf den Südbahnen äußerst heftig auf.