Gubener Zeitung

Die Gubener Zeitung, von 1871 bis 1944 kann auf Rollfilm in den Räumlichkeiten der Stadtbibliothek Guben eingesehen werden.

1907

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3. August 1907

Personendampferfahrten. Vom nächsten Sonntag an werden regelmäßige Sonntagsdampferfahrten nach Ratzdorf und Schiedlo stattfinden, und zwar morgens um 8 Uhr und nachmittags 2 Uhr. Die Eröffnungsfahrten am Sonntag werden sogar mit Musik begleitet sein. – Diese Dampferfahrten sind für Guben etwas neues und dürften mit größtem Interesse begrüßt werden.


4. August 1907

Atterwasch. (Füchse.) Wie dreist und frech der Fuchs in diesem Jahre auftritt, ist hier zu spüren. Er hat bereits zirka 120 Hühner und eine Gans erwürgt. Dem Schulzen hat er 8 Hühner, eins davon sogar vom Hofe geholt. Der Uebelstand mag vom vorigen Jahre datieren, wo 5 Füchse, darunter ein alter, in einen Kasten gesperrt und über Nacht in einen Kellerraum gestellt wurden, um sie zu verkaufen. Die Füchse hatten sich aber ein Loch durch den Kasten gemacht


6. August 1907

Die gestrigen Dampferfahrten nach Ratzdorf hatten sich großen Zuspruchs erfreut. Während bei der Abfahrt des Dampfers um 8 Uhr früh der Andrang noch nicht so groß war, drängte sich nachmittags eine außergewöhnlich große Menschenzahl am Hafen, um die Fahrt nach Ratzdorf mit Musik mitzumachen. Da aber nur ein Dampfer vorgesehen war, fanden Hunderte keinen Platz mehr und mußten auf die Fahrt verzichten. Ob es nun bloß der Reiz der Neuheit war oder ob die Dampferfahrten immer solchen Zuspruch haben werden, bleibt abzuwarten.


14. August 1907

Der heutige Viehmarkt wies einen starken Auftrieb auf. Es waren 1082 Pferde und 1411 Stück Rindvieh zum Verkauf gestellt. Für Standgeld wurden 496,60 Mark eingenommen.

Gr. Drewitz. (Schulhaus.) Durch das anerkennenswerte Entgegenkommen unseres Gutsherrn, der die Bauholzlieferungen in bar leistet, ist es möglich gewesen, den dringend notwendigen Neubau unseres Schulhauses noch in diesem Jahre in Angriff zu nehmen und zur Ausführung zu bringen. Vor einigen Jahren ist das Gebäude gerichtet worden und an dem inneren Ausbau wird fleißig gearbeitet, sodaß Aussicht besteht, das Gebäude Mitte oder Ende Oktober in Benutzung zu nehmen. Der schmucke Bau gefällt allgemein und wird hoffentlich zur Besserung unserer, durch den fortwährenden Lehrerwechsel zurückgegangenen Schulverhältnisse beitragen.


15. August 1907

Unvorsichtige Radfahrer. Die neu gepflasterte Neustadt ist jetzt unter den Radfahrern sehr beliebt, sodaß Passanten, die nach der anderen Seite der Straße gelangen wollen, schon mehrmals Gefahr liefen, überfahren zu werden. Heute Mittag ¼ 1 Uhr durchfuhren ca. sechs Radfahrer neben- und hintereinander in rasendem Tempo die Straße; einem Passanten war es nicht mehr möglich, dem 17- bis 18jährigem Radfahrer Ri. auszuweichen, und Passant und Fahrer machten unliebsame Bekanntschaft mit der frisch gesprengten Straße. Beide kamen mit kleinen Hautabschürfungen davon.


16. August 1907

Das Wasser der Neiße zeigt seit heute früh eine rotbraune Färbung. Die merkwürdige Erscheinung, für die bisher jede Erklärung fehlt, zeigt sich nicht nur hier, aus Gastrose wird auch berichtet, daß es dort ebenso sei, und auch aus Forst kommt die Meldung, daß nicht nur dort sondern noch weiter oberhalb das Wasser rotbraun erscheine. Übrigens erscheint das Wasser nur im Flusse selbst gefärbt; im Glase ist es wie immer klar und hell.


17. August 1907

Zur Erklärung der roten Färbung des Neißewassers können vielleicht folgende Notizen beitragen, die wir aus einer vorliegenden Chronik einer märkischen Stadt entnehmen: Am Weihnachtsabend 1737 färbte sich der Strassee ganz rot, ebenso im Januar 1779 (nach neueren Untersuchungen durch Algen); 1752, 20. März, grüne Färbung des Sees, desgleichen 1881 (ebenfalls infolge Algen).


18. August 1907

Schiedlo. (Aufkauf der Ortschaft.) Am gestrigen Freitag war Oberpräsidial-Rat Dr. Michaelis aus Breslau mit mehreren Regierungskommissaren und dem Landrat v. Kunow in Schiedlo, um an Ort und Stelle endgiltige Beschlüsse über die weitere Gestaltung des staatsseitigen Ankaufs von Schiedlo zu fassen. Hierbei wurde u. a. der 1. Januar 1908 als äußerster Termin für den freihändigen Ankauf  der noch im Privatbesitz verbliebenen Grundstücke und Gehöfte mit der Maßgabe festgelegt, daß den Verkäufern noch bis zum 1. Oktober 1908 die pachtweise Benutzung ihres früheren Eigentums gestattet werden soll. Dann aber müssen die Gehöfte zum Zwecke des Abbruchs geräumt werden. Es ist notorisch bekannt, daß für den Verkäufer der freihändige Verkauf erheblich größere Vorteile bietet, als sie bei einem zwangsweisen Verkauf, etwa im Enteignungsverfahren, jeweils zu erzielen sind. Es werden deshalb diejenigen Eigentümer, welche sich zu dem Kaufe bisher nicht entschlossen haben, ernstlich in Erwägung ziehen müssen,  nunmehr in die Verkaufsverhandlungen einzutreten, wenn anders ihnen die Vorteile des freihändigen Verkaufes nicht verloren gehen sollen. Zudem muß anerkannt werden, daß bei dem Verkaufe Preise erzielt worden sind, wie sie von Privatkäufern niemals gezahlt worden wären. Wenn weiterhin in Betracht gezogen wird, daß nunmehr bereits etwa 2 Jahre verflossen sind, seitdem den hiesigen Besitzern die Verkaufsgelegenheit an den Fiskus geboten worden ist, dann muß sich schließlich derjenige selbst die Schuld zuschreiben, der diese lange Zeit nicht ausgenützt hat, um sich anderweit ein Anwesen zu gründen. Dazu ist aber jetzt noch hinreichend Zeit, da ja, wie erwähnt, den Verkäufern die pachtweise Benutzung ihre bis 1. Januar 1908 verkauften Gehöfte und Grundstücke noch bis zum 1. Oktober gesichert ist. Den oberhalb Schiedlo belegenen Reiskersee, der mit der Oder in Verbindung steht und verschiedenen Schiedloer Besitzern gehört, beabsichtigt die Regierung ebenfalls anzukaufen. Der See ist sehr fischreich und bringt eine gute Pacht. Viele ehemalige Schiedloer haben sich im Kreise niedergelassen und nur vereinzelt sind sie nach der Ostmark übergesiedelt.


25. August 1907

Wegen öffentlicher Beamtenbeleidigung hatte sich in der heutigen Sitzung des Schöffengerichts der Oekonom Adolf Jung zu verantworten. Am 26. Juni abends kam ein Polizeisergeant behufs Revision des Lokals nach der Walhalla. Ehe der Beamte seinen Auftrag vollzogen hatte, wurde er von dem erregten Angeklagten zum Verlassen des Lokals aufgefordert und dann von ihm angeschrieen, wie er dazu komme, seinen Wagen auf der großen Neißebrücke anzuhalten. Der Angeklagte setzte hinzu: „Sie denken wohl, mein Wagen ist ein Affenkasten, da müssen Sie sich erst hineinsetzen!“ Der Angeklagte stellt die Sache so hin, als sei der Beamte im Unrecht gewesen und habe ihn gereizt. Er wird aber überführt und der Amtsanwalt beantragt gegen ihn 2 Monate Gefängnis. Der Gerichtshof erkennt, daß der Angeklagte ohne die geringste Veranlassung und vorsätzlich und gröblich den Beamten beleidigt hat und erkennt auf 6 Wochen Gefängnis. Dem Beleidigten wird auch die Befugnis zugesprochen, das Urteil auf Kosten des Angeklagten in der Gubener Zeitung zu veröffentlichen.