Gubener Zeitung

Die Gubener Zeitung, von 1871 bis 1944 kann auf Rollfilm in den Räumlichkeiten der Stadtbibliothek Guben eingesehen werden.

1908

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9. April 1908


22. April 1908

Der  Töchterschulneubau, der am 28. April festlich eingeweiht werden soll, ist während einer Zeit von 411 Arbeitstagen nunmehr planmäßig fertiggestellt  worden. Die Kosten der nach den Plänen des Stadtbauinspektors Römmler errichteten gesamten Baulichkeiten, die außer 17 Klassenzimmer noch einen Physiksaal mit  Vorbereitungsraum und Sammlungszimmer, eine Turnhalle, einen Singesaal, Aula, Direktor-, Warte- und Konferenzzimmer und eine Direktorwohnung, ebenso eine Schuldienerwohnung enthalten, stellen sich einschließlich der gesamten inneren Einrichtung und der Grundstückseinfriedung auf 312 000 M.

Von der Herstellung eines nüchternen kasernenmäßigen Bauwerks ist abgesehen worden, vielmehr war man bemüht, dem Hause eine architektonische Gestaltung zu geben und die einzelnen Baumassen zu einem reizvollen Ganzen zusammenzustellen. Dem Schulhofe ist, um den Schulkindern eine wirkliche Erholungsstätte für die Freizeiten zu bieten, eine staub- und zugfreie, ruhige Lage an der Südfront des Hauses gegeben, die Kinder haben den Ausblick nach der Berglehne mit den grünenden Baumgruppen. Nach der verlängerten Achenbachstraße, die ja nie starken  Fuhrwerksverkehr aufweisen, sondern ein ruhiges Gepräge tragen wird, ist der  die Schulklassen enthaltene Bauteil gelegt, so daß die stille Arbeit der Schule nicht gestört zu werden braucht. Der Hauptbau dagegen erhebt sich an der grünen Wiese mit denjenigen Räumen, die dem Geräusch der Verkehrsstraße nicht entzogen zu werden brauchen, so im Erdgeschoß der Sammlungsraum, Vorbereitungsraum, Kartenraum ec., im ersten Obergeschoß das Konferenzzimmer nebst Amtszimmer des Direktors und die Direktorwohnung und im zweiten Obergeschoß die Aula nebst Zeichensaal, der die erwünschte nördliche Lage erhalten hat.

Der Schulbau enthält, wie gesagt, 17 Klassen, die mit  seitlich hochzuklappenden Zweitsitzer- Schulbänken versehen sind. Reichen die Klassenräume später einmal nicht aus, so können ohne Schwierigkeiten drei weitere Klassen angebaut werden, die im Anbau nach Außen hin das Gesamtbild nur günstig beeinflussen würden. Ausreichende Kloseträume mit entsprechenden Vorräumen sind in jedem Geschoß in günstiger Verkehrsverbindung angelegt. Durch ausreichende Belichtung, Lüftung und Haltung dieser Räume auf Luftunterdruck wird völlige Geruchfreiheit leicht erzielt werden können. Die Aufenthaltsräume der Lehrerkraft sind so angelegt, daß Schulhof und Straße bequem übersehen werden können. Die Wohnung des  Direktors liegt räumlich getrennt vom Schulbetriebe und eine besondere Treppe macht sie von der Straße aus zugängig. Die Turnhalle  ist in wünschenswerter Weite an das Hauptgebäude angegliedert, und zwar an die nach der schotterbelegten Seite abfallende Gebäudegruppe und aus schultechnisch - praktischen Gründen nach dem Hofe verlegt. Sie ist sowohl von dort aus durch einen Windfangsvorraum als auch direkt vom  Hause aus zu erreichen. Der Turn- und Spielplatz zieht sich an der Halle hin.

Die Fronten des allseitig freistehenden gruppierten Gebäudes sind ebenso wie dessen Architekturteile in gelblich sandsteinfarbener Terranova geputzt, während das Hauptportal mit den 2 seitlichen Bogenfenstern und 4  Pilastern in Wünschelburger (schlesischem) Sandstein ausgeführt und durch reichere Bildhauerarbeit mit 4 figürlichen, die Jugend repräsentierenden Kindergruppen belebt ist. Die Köpfe in der verlängerten Achenbachstraße stellen die Hauptfiguren aus den bekanntesten Märchen (Rotkäppchen, Hänsel und Gretel usw.) vor.

Die Fußböden sämtlicher Unterrichtsräume, auch der Aula sind mit Linoleumbelag, die Turnhalle und der Zeichensaal mit eichenen Riemenfußböden, die ausgedehnten Korridoranlagen, die in jedem Stockwerk durch eine reizvoll angeordnete Wassertrinkgelegenheit einen allerliebsten Schmuck erhalten haben, sind mit Mettlacher Fließen belegt.

Die einzelnen Geschosse, die im Schulflügel der Achenbachstraße durch eine breite zweiarmige innere Verkehrstreppe kommunizieren, werden im Hauptflügel durch eine dreiarmige, einfach angelegte, aber mit ihren freien Durchblicken monumental wirkende Haupttreppe verbunden, die auch in die oben gelegene Aula führt. Auch diese ist in schlichten Formen gehalten, ruhige und einfach getönte Wand- und Gewölbeflächen, mit anheimelnden naturlasierten Holzschnitzereien, die unter der Einwirkung eines warmen Lichtes stehen, das durch die 6 großen patiniert antikisierten bleiverglasten Fenster sich über den Raum verbreitet, geben diesem Raum eine wehevolle Stimmung.

„O Jugend, o goldene Rosenzeit, Wege und Stege sind mit Blumen bestreut“, so leuchtet uns ein warmherziges Sprüchlein auf der Wandelhalle entgegen. „Der Arbeit Segen ist des Hauses Glück“ lautet eine am anderen Gebäudeflügel angebrachte, ernste Arbeit verheißende Inschrift.

Durch die wechselnden Höhenunterschiede der einzelnen Gebäudegruppen, durch reichbewegte Dachflächen, durch die wechselnden Firstlinien und Traufkanten ist eine reich gegliederte und doch geschlossene Baumasse geschaffen, die auch die Südfront in günstigem Bilde erscheinen läßt und die nach der der landhausmäßigen Bebauung unterworfenen grünen Wiese mit der Aula einen Repräsentationsbau darstellt, der geeignet erscheint, diesem Stadtteile ein würdiges Gepräge zu geben.