1908
Januar Februar März April Mai Juni Juli August September Oktober November Dezember2. Mai 1908
Die städtischen Behörden hier haben eine neue segensreiche Einrichtung geschaffen: es ist die zweiklassige Hilfsschule, die in der Schulstraße im bisherigen Schulhause der höheren Töchterschule untergebracht und heute Vormittag eröffnet worden ist. Sie zählt in den beiden aufsteigenden Klassen zusammen 40 Kinder, Knaben und Mädchen, es sind das schwachbefähigte Kinder, die mit ihren glücklicher befähigten Genossen schon in den Klassen der Unterstufe unserer Volksschule nicht mitfortkommen und den Arbeitsbedingungen der Normalklassen nicht gewachsen sind. Der Klassenunterricht in der Hilfsschule ist den Herren Andree und Nickel übertragen und bei den Mädchen erteilt die Lehrerin Frl. Müller den Handarbeitsunterricht; die Leitung der Schule hat Herr Rektor Gast. Zur Feststellung körperlicher und geistiger Minderwertigkeiten der in die Hilfsschule einzureihenden Kinder ist vom Magistrat Herr Dr. Funck als Schularzt ernannt worden. Wir begrüßen die Neueinrichtung unserer Hilfsschule mit Freuden und wünschen ihr gutes Gedeihen.
3. Mai 1908
Die Baumblüte hat ihren Anfang genommen. Die Aprikosen- und Pfirsichbäume haben ihre Blüten entfaltet, auch die Spillinge, und auch bei den Kirschen schimmert durch die grünen Blätter des Deckkelches das helle Weiß der Blütenblätter schon hindurch, während die andern Obstsorten und der Schlehdorn noch zögern, sich in das Blütengewand zu hüllen. Wenn das warme Wetter, das der Mai endlich gebracht hat, nur einigermaßen anhält, würde sich in wenigen Tagen die ganze Blütenpracht entfalten. Der April war bis zu seinem letzten Lebenstage ein kühler und ungemütlicher Geselle, und die Entwicklung der Vegetation ist im Vergleich zu den Vorjahren recht zurückgeblieben. Die Spargelernte ist bis jetzt noch äußerst gering und der Salat im Freien sieht auch noch recht trostlos aus; Salat wird zwar zu Markte gebracht, aber aus den Frühbeeten. Alles harrt der warmen belebenden Sonnenstrahlen. Es scheint ja, als ob der Mai von der Wetterpolitik des April sich abwenden wollte. Möchte er dies gründlich tun!
12. Mai 1908
Ein Baumblütensonntag, wie man ihn nicht mehr zu hoffen gewagt hatte, war uns gestern beschert. Der Beginn der Baumblüte war durch das kalte unfreundliche Wetter sehr spät hinausgeschoben worden, erst in der letzten Woche hatten einige warme Regenschauer die Entwicklung der gesamten Pflanzenwelt gewaltig gefördert und die Bäume mailich geschmückt. Die Obstbaumblüte schimmert in berückender Reinheit, auch die Apfelbäume zeigen schon im Aufbrechen begriffene Knospen, die Magnolien haben ihre großen märchenhaften Kelche voll erschlossen, sogar die Kastanien beginnen bereits ihre Kerzen aufzustecken. Die meisten Baumarten haben ihren Blätterstaat vollendet und die säumigen sputen sich, dem Beispiele zu folgen. Ein Spaziergang durch Gubens Obstberge bietet jetzt jedem Naturfreund entzückende Bilder, reizvoll und in mannigfaltiger Abwechslung. Das war gestern auch die einstimmige Ansicht der überaus zahlreich erschienenen Gäste von außerhalb, die Gubens Baumblüte einen Besuch abstatteten. Seit vielen Jahren war der Fremdenverkehr nicht so stark wie gestern. Die Zahl der Fremden war nach Tausenden zu schätzen. Schon die Morgenzüge waren mit Ausflüglern nach Guben dicht besetzt und jeder Zug brachte neue Gäste in Scharen. In den Straßen der Stadt wie in allen Berggassen herrschte von den frühesten Morgenstunden an ein ungewöhnlich lebhaftes Treiben. Zum Wandern war das Wetter prachtvoll, zudem waren infolge des am Sonnabend Nachmittag niedergegangenen Gewitterregens alle Wege völlig staubfrei. Die Wetterprognose hatte auch für gestern nichts weniger als günstig gelautet, aber dem zum Trotz blieb der Tag ohne Regen, erst abends gegen 11 Uhr ging ein kräftiger Regenguß nieder. Alle Berglokale waren tagsüber dicht besetzt, zeitweise überfüllt, und die vielen fleißigen Hände konnten kaum dem Ansturm der Hungrigen und Durstigen genügen. Alles in allem fast wider Erwarten ein Baumblütensonntag, mit dem Jedermann voll zufrieden sein konnte.
13. Mai 1908
Schlagsdorf. (Brückenbau.) Die Vorarbeiten zum Neubau der hiesigen Neißebrücke sind im Gange. Voraussichtlich wird mit den Bauarbeiten schon Anfang des nächsten Monats begonnen werden können. Die neue Brücke, deren Herstellungskosten der Forstfiskus zu tragen hat, soll wie die Neißebrücken bei Gr.-Gastrose und Strega in Beton hergestellt und neben der jetzigen alten Brücke nach der Eisenbahnhaltestelle zu erbaut werden, sodaß die alte Brücke während der Bauzeit weiter benutzt werden kann und die Herstellung einer Notbrücke sich erübrigt. Die Verlegung der Brücke macht auch eine Verlegung der Zufahrtstraße notwendig. Für die Benutzung der alten Brücke wird gegenwärtig in Schenkendorf noch ein Zollgeld erhoben. Ob dies auch für die neue Brücke beibehalten werden wird, darüber steht die Entscheidung noch aus. Die neue Brücke wird unserem Ort zur Zierde gereichen. Die alte Brücke ist äußerst schadhaft und für schweres Fuhrwerk nur mit großer Gefahr zu passieren.
20. Mai 1908
Peitz. (Bohrversuche nach Kohlen) sind, wie die Niederl. Ztg. erfährt, in letzter Zeit von einigen Berliner Unternehmen in unserer Gegend bei Drachhausen angestellt worden und haben günstige Ergebnisse gezeitigt. Die Kohle liegt nur einen Meter tief und soll eine angesehene Mächtigkeit besitzen, sodaß der Abbau äußerst lohnend erscheint. Weiter verlautet, daß mit einzelnen Besitzern bereits Verträge geschlossen wären.
20. Mai 1908
Lieberose. (Erdbohrungen.) In unserer Umgegend soll in diesem Jahre in großem Maßstabe auf das Vorhandensein von Braunkohlen und sonstigen Mineralien gebohrt werden. Am 13. d. Mts. hatte der Bohrunternehmer G. aus Berlin die Grundbesitzer der Gemeinde Staakow zu einer Besprechung in dieser Angelegenheit und behufs Abschlusses eines Vertrages durch den Gemeindevorstand einberufen lassen. Die Versammlung, welche im Gasthofe stattfand, war von fast sämtlichen Besitzern besucht. Es kam leider nicht zum Abschluß des Vertrages, da der gebotenen Preis für die Grundstücke, falls Fossilien oder sonstige Mineralien gefunden werden, zu niedrig war. Auch waren die sonst gestellten Bedingungen nicht besonders günstig. Mit den benachbarten Gemeinden und Großgrundbesitzern sind ebenfalls Verhandlungen angeknüpft und führen hoffentlich zu einem für beide Teile günstigen Abschluß, denn eine Brikettfabrikation kann unserer industriearmen Gegend nur zum Vorteil gereichen.