Gubener Zeitung

Die Gubener Zeitung, von 1871 bis 1944 kann auf Rollfilm in den Räumlichkeiten der Stadtbibliothek Guben eingesehen werden.

1908

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10. Juni 1908

Es ist eine eigentümliche Erscheinung, daß sich seit etlichen Jahren stets zu Pfingsten die Witterung sehr kühl und unfreundlich gestaltet. Wie schon Pfingsten 1907 und 1906 Regen und raue Winde die Pfingstfeiertage völlig verdarben, so war es auch diesmal vielfach der Fall, wenn sich auch das Wetter in den meisten Gegenden nicht ganz so schlimm gestaltete, wie es anfänglich den Anschein hatte. Die schon beinahe unerträglich gewordene Hitze war schon am Sonnabend gründlich verschwunden, und der kühle Wind war zwar allen, die weite Pfingstwanderungen unternahmen, sehr angenehm, aber die Gartenlokale, die hier und anderwärts ein großes Pfingstgeschäft erhofft hatten, sind in ihren Erwartungen arg getäuscht worden. In der Nacht vom ersten zum zweiten Feiertage sank das Thermometer bis auf 5 Grad über Null ab. Da wir Menschen keinen Einfluß auf die höheren Gewalten haben, so haben die am besten daran getan, die sich mit der in der bekannten Operette ausgesprochenen Lebensweisheit abfanden: Glücklich ist, wer vergißt, was doch nicht zu ändern ist! Wenigstens verliefen die Feiertage regenfrei und am zweiten Feiertag stieg die Temperatur nicht unerheblich, sodaß alles in allem das Pfingstwetter doch noch günstiger war, als die Wetterprognose am Sonnabend angekündigt hatte.


11. Juni 1908

Atterwasch (Unfälle. Nachtfrost.)  Am Sonnabend vor den Feiertagen in den Nachmittagsstunden versuchte der 9jährige Knabe des Eigentümers Resack von hier barfüßig auf ein Fahrrad zu steigen, kam dabei in die Kette und riß sich 2 Zehen vom rechten Fuß ab. Der Knabe wurde von seinen Eltern sofort in das Wilkestift nach Guben gebracht. -  Am 2. Feiertag wurde die Tochter des Schmiedemeisters Seidel von einem Schäferhund gebissen. Während die Eltern des Kindes sich zur Anlegung eines Notverbandes zum Arzte begeben hatten, geschah ein anderes Unglück. Ein Bruder des Mädchens raufte sich mit einem Altersgenossen und renkte sich dabei einen Arm aus, sodaß sie auch für dieses Kind ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen mußten. In der Nacht zum 1. Feiertag herrschte hier Nachtfrost. Gurken, Bohnen und stellenweise Kartoffeln haben unter ihm stark gelitten.


16. Juni 1908

Zu schweren Ausschreitungen, bei denen ein Polizeibeamter erhebliche Verletzungen davontrug, kam es Sonnabend abend auf dem Lubstplatze. Der Polizeisergeant Blobel war zur Beaufsichtigung auf dem Lubstplatze, wo eine Seiltänzergesellschaft Vorstellungen gibt, kommandiert. Als sich unter einigen Burschen eine Prügelei entspann, und er zur Hilfe gerufen wurde, begab er sich zu den Streitenden und wollte den Namen des Hauptkrakehlers feststellen; dessen Anhang, eine Rotte von 6 bis 8 Burschen, fiel nun über den Beamten her und schlug auf ihn ein. Der Übermacht gegenüber unterlag B., der sich tapfer zur Wehr setzte. Als er mit einer Kaffeeflasche einen Hieb vor die Stirne erhielt, stürzte er zu Boden. Von seinem Säbel konnte er nun nicht mehr recht Gebrauch machen und wurde mit Schlägen und Fußtritten bearbeitet. Den Säbel vermochte die Rotte ihm nicht zu entreißen, einem von ihnen konnte er damit eine Verletzung am Bein beibringen. Obwohl hunderte von Menschen anwesend waren, wagt Niemand, dem überwältigten Beamten zu Hilfe zu kommen. Als die wütenden Burschen von ihm abließen, schaffte man B. nach dem Restaurant zur Mark Brandenburg und ein Arzt wurde gerufen, der den Verletzten untersuchte und in einer Droschke in seine Wohnung schaffen ließ. Der Beamte wird voraussichtlich längere Zeit dienstuntauglich sein; seine Verletzungen schienen anfänglich nicht so schwer zu sein, heute klagte er aber über heftige Schmerzen in der Brust, im Kopf und im rechten Arm, aus dem ihm die rabiaten Burschen den Säbel mit Gewalt hatten reißen wollen. Herr Polizeiinspektor Lück, der zur Hilfe herbeigerufen wurde, begab sich eiligst nach dem Schauplatz der Tat und ermittelte einen der Burschen, den er festnahm. Ein zweiter von ihnen näherte sich in drohender Weise von hinten, um, wie er später selbst zugestand, den Polizeiinspektor niederzuschlagen. Als einziger aus der ganzen Menschenmasse sprang jetzt ein Fleischermeister mutig dem Beamten zu Hilfe, hielt den Verhafteten fest und ermöglichte so dem Polizeiinspektor, auch den anderen Burschen zu verhaften. Mit Hilfe inzwischen erschienener Beamten und Nachtwächter wurden die Verhafteten abgeführt Noch ein  Dritter ist als beteiligt ebenfalls verhaftet worden. Weitere Ermittlungen über die Beteiligung noch anderer Personen an den Ausschreitungen sind im Gange. Die Verhafteten sind der Arbeiter Ludwig Klein, der Arbeiter Max Schumann und der Arbeiter Fritz Hockwin, sie wurden heute dem Gericht zugeführt.


26. Juni 1908


28. Juni 1908


30. Juni 1908

Zum Rektor der Berner Universität ist der Pharmakologe Prof. Dr. Alexander Tschirch gewählt worden, ein Sohn unserer Stadt und Schüler unseres Gymnasiums. Sein Vater starb 1875 als Pastor primarius. Die medizinische Fakultät hat ihm unlängst die Ehrendoktorwürde verliehen in Anerkennung seiner Verdienste um das Zustandekommen der neuen schweizerischen Pharmakopöe. Tschirch ist auch Ehrenmitglied des deutschen Apothekervereins.

Ein regelmäßiger Dampfer-Personenverkehr auf der Neiße zwischen Guben und Ratzdorf  soll eingerichtet werden. Der Dampfer Bismarck, der diesem Verkehr dienen soll, ist aus Sagan mit der Bahn hier eingetroffen. Der Dampfer wird hier montiert und vom Stapel gelassen werden.