Gubener Zeitung

Die Gubener Zeitung, von 1871 bis 1944 kann auf Rollfilm in den Räumlichkeiten der Stadtbibliothek Guben eingesehen werden.

1908

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1. Dezember 1908

Vom untergehenden Schiedlo. „Die preußische Verwaltung sieht nicht nur zu, wie eins der ihr unterstellten Dörfer, ohne von einer Großstadt aufgesaugt zu werden, verschwindet, sondern sie hat selbst den Beschluß gefasst, daß es geschieht. Der Scholle, auf der sich so seltenes zuträgt, wendet sich an sich schon die menschliche Teilnahme zu: wie viel mehr, wenn sie zugleich die Trägerin einer langen, interessanten Geschichte ist.“ So beginnt O. E. Schmidt, der Verfasser der bekannten und beliebten Streifzüge durch die Niederlausitz, seinen Abriß der Geschichte des untergehenden Dorfes Schiedlo an der Neißemündung (Leipzig 1908, Pr. 1 M. 20 Pf). In seiner frischen und feinsinnigen Darstellungsweise entwickelt er von dem ersten Auftauchen der Siedlung im Frühlicht der Niederlausitzer Geschichte an die Ereignisse, die sich seit 1229 hier abgespielt haben, zunächst unter polnischer Herrschaft, dann in der Periode der deutschen Kolonisation des 13. Jahrhunderts, danach unter dem meißnischen Markgrafen Heinrich, der am 20. Oktober 1253 der Kirche des Hl. Georg, die morgen, am 1. Dezember, unter den Hammer kommt, Wiesen, Zehnten und Zölle zueignete. Dann sollten „das mächtig aufstrebende Guben mit der den Oderübergang deckenden Burg Schdelowe, der wichtigen Zollstätte Fürstenberg und dem geistlichen Stift Neuzelle an der mittleren Oder den Wettinern eine aussichtsreiche, auf das polnische Ostufer übergreifende Stellung schaffen.“ – Es folgte eine 60jährige brandenburgische und die fast 300jährige böhmische Herrschaft, die 1620 von der kursächsischen abgelöst wurde. In den Beginn der letzteren , in das Jahr 1629, fällt die von einer alten gleichzeitigen Urkunde mit Abbildung wiedergegebene „Wasserschlacht“, die von der kleinen Gubener Kriegsflotte einem Crossener Biertransport in Angesicht des alten Kastells geliefert wurde. Zwei Menschenalter später richtet August der Starke ein besonderes Augenmerk auf den Punkt, an dem allein das Gebiet der Albertinischen Sachsen die Oder übersprang – ein Brückenkopf auf dem Wege nach Polen, das mit seinem Staat durch Personalunion zu verbinden des Kurfürsten Plan war. Bei allen brandenburgisch-sächsichen Verträgen und Friedensschlüssen des 18. Jahrhunderts wird dann des wichtigen Dorfes gedacht; 1709 war dort durch den auch anderweitig bekannten Major de Bruyn eine sechseckige Schanze angelegt worden, deren Reste noch jetzt deutlich erkennbar sind, namentlich von dem nunmehr dem Abbruch entgegensehenden Kirchturm aus. Mit der gesamten Landschaft ging der Ort 1815 an die Krone Preußen über, die den Bewohnern nach manchen der verderblichen Überschwemmungen ihrer Aecker hilfreich beigestanden hat. Bis auf einige wenige Bauten für Beamte werden bald sämtliche vom Fiskus angekauften Wohnstätten verschwunden sein. Schon jetzt erkennt man ihren einstigen Standort nur an leichten Bodenerhebungen, die bereits mit Bäumen bepflanzt werden. Ein schlichter Denkstein soll künftig die Stätte kennzeichnen, wo auf künstlicher Anhöhe, vom alten Wallgraben umzogen, einst die Burg und nach ihrem Verfall die 1769 neugebaute Kirche gestanden hat, deren Ausstattung in verschiedenen städtischen Museen die Erinnerung an das untergegangene Dorf lebendig erhalten werden, wie es in der Geschichtsliteratur die Schmidtsche Schrift tun soll, die auch durch vortreffliche Abbildungen die einstige Anlage veranschaulicht.


3. Dezember 1908

Deulowitz. (Seltene Jagdbeute.) Der Förster Lietz hatte kürzlich in seinem Revier einen Rehbock erlegt, wie er glaubte. Als er aber seine Beute näher betrachtete, stellte sich heraus, dass das Tier kein Bock, sondern eine völlig geweihte Ricke war.


6. Dezember 1908

Kleinwohnungen. Im Schaufenster des Geschäftshauses der Gubener Zeitung am Markt sind die Entwürfe zu Kleinwohnungen für die Berlin-Gubener Hutfabrik Aktiengesellschaft vorm. A. Cohn, Abteil. Berth. Lißner, in 3 Blatt Zeichnungen ausgestellt. Das Gebäude ist als selbständiges Einfamilien-Reihenhaus in gruppenweiser Anwendung von 5 Einzelhäusern gedacht. Das Kellergeschoß enthält außer der Waschküche noch Räume für die Brennmaterialien und Gartenfrüchte etc. und im Erdgeschoß die große Waschküche mit eingebautem Baderaum und die Wohnstube mit Aufgang nach den Schlafstuben, welche im Dachgeschoß untergebracht sind. Im Oberboden ist der Wäschetrockenboden gedacht. Die Gebäude sollen einen kleinen Vorgarten und an der Hinterfront einen bescheidenen Gemüsegarten erhalten. In seiner gefälligen Außenerscheinung zeigen die Entwürfe, wie man der Wahrheit und Schlichtheit des architektonischen Aufbaues Rechnung tragen kann. Die Entwürfe sind von dem Architekten Herrn Dipl.-Ing. Willy Hartmann angefertigt. -  Die Abteilung Berth. Lißner hat jetzt auch auf ihrem Grundstücke Winkelstraße einen größeren Fabrikerweiterungsbau von ca. 3ooo qm in 3 Stockwerken in Angriff nehmen lassen.


10. Dezember 1908

Viehzählung. Die Anfang Dezember im Stadtkreise Guben stattgefundene Viehzählung hat folgendes Ergebnis gehabt: Es wurden in 57 Zählbezirken 2733 Gehöfte gezählt, von denen 953 einen Viehstand hatten. Vieh haltende Haushaltungen waren 1016 vorhanden. An Vieh wurden gezählt: 627 Stück Pferd, 894 Stück Rindvieh, 39 Stück Schafe und 1589 Schweine. Das Gesamtergebnis der Zählung ist nicht wesentlich von dem des Vorjahres abweichend.


11. Dezember 1908

Ein Pferd, das heute Vormittag zum Schlachthof geführt wurde, legte sich unterwegs auf der Grünen Wiese hin und war durch kein Mittel mehr zum Aufstehen zu bewegen. Es musste schließlich auf der Straße getötet werden.


18. Dezember 1908


20. Dezember 1908


29. Dezember 1908

Die Weihnachtsfeiertage haben einen Witterungsumschlag gebracht. Schon am Abend des ersten Feiertags spielte feiner Schneestaub im Winde und der Morgen des zweiten Feiertages zeigte die Erde in glänzendes Weiß gehüllt, während das Thermometer mehrere Grad unter Null gesunken war. Ist die Schneedecke auch nur dünn, so gab sie den Fluren doch ein echt weihnachtliches Aussehen. Die Kälte ist von Tag zu Tag intensiver geworden und heute früh zeigte das Thermometer -12 Grad C. an. Der Wind schien seine Kältekraft an Ohren, Nasen und Fingerspitzen lästig erproben zu wollen. Die Gewässer sind mit einer Eisschicht bedeckt; hält die Kälte noch einige Tage an, so wird auch der Eislauf auf der Neiße bald freigegeben werden, und der herrlichste Sport des Winters kann dann seine Betätigung finden.

Und hier noch ein Auszug aus einer Beilage der GZ, die den Leser weitere 100 Jahre zurückblicken lässt. Lesen sie selbst:

Beilage zur „Gubener Zeitung“ Nr. 242., Mittwoch, den 14. Oktober 1908.

Aus Guben und Umgegend:

Der Nachdruck unserer Originalberichte ist nur unter Angabe der Quelle gestattet.

In Guben vor 100 Jahren.

Vor 100 Jahren reiste man in Deutschland noch sehr viel und beschrieb hinterher in umfangreichen Büchern alles, was man gesehen, gehört hatte. Diese Reiselust und Reiseliteratur, wenn man diesen Ausdruck für jene Publikationen gebrauchen darf, hatte schon um 1600 vereinzelt begonnen und hatte vor 100 Jahren, also um 1800 etwa, ihren Höhepunkt erreicht. In dieser Literatur ist manches Wissenswerte niedergelegt; zumeist ist es auch bereits wissenschaftlich verwertet.

Dieser Tage fiel uns ein solches Buch in die Hände; es ist im Jahre 1795 erschienen, führt den Titel: „Kleine Wanderungen durch Sachsen und Brandenburg“, nennt aber weder den Verfasser, noch den Verlagsort. Der Verfasser hatte seine Gründe, nichts über seine Person verlautbaren zu lassen; das Buch enthält nämlich eine außerordentlich scharfe Kritik gewisser Zustände. Der Verfasser wanderte zu Fuß durch Sachsen, durchquerte den Spreewald, ging nach Berlin, Potsdam, dann nach Halle und kehrte schließlich in seinen nicht genannten Heimatort zurück. Auf seiner Wanderung berührte er auch Guben und gibt davon eine Schilderung, aus der wir das Interessanteste unseren Lesern nicht vorenthalten vollen.

Guben ist alt, sagt der Verfasser, und hat seit dem Hussitenkriege, wo es ganz eingeäschert worden, von allgemein verheerenden Feuerschicksalen nichts erfahren, daher sind auch wenig moderne Häuser da zu finden.

Die Art des Gewerbes der Einwohner besteht nicht sowohl in Fabrik- und Manufakturarbeiten, obgleich auch etwas Landtuch verfertigt wird, sondern vielmehr in Kultur des Weines, verschiedener Obstarten und anderer Gewächse. Die ganze Mittagsseite der Berge um Guben ist mit Reben bepflanzt, die meistens einen roten, dem Burgunder an Farbe und (wenn er alt ist) auch an Geschmack ähnlichen Wein geben, erbaut jährlich ungefähr 10 000 Eimer. Der meiste Absatz von ihrem ansehnlichen Obstbau geht ins brandenburgische, vornehmlich nach Berlin, und zwar zu Wasser. Hinter der Stadt nämlich drängt sich aus einem Seitentale am Fuß der Berge ein Flüsschen, Lubst, hervor, das sich gleich unter der Stadt in die Neiße ergießt und der Gubensche Hafen ist.  Die Neiße fällt einige Stunden von Guben in die Oder, und aus dieser gelangt man vermittelt des 5 Stunden langen Kanals bei Mühlrose in die Spree und also nach Berlin.

Bei diesen verschiedenen Nahrungszweigen, zu welchen noch ein starker Speditionshandel nach der Oberlausitz mit den von der Oder hier ausgeladenen fremden Waren kommt, ist es nicht zu  verwundern, wenn in der Stadt eine Wohlhabenheit herrscht, die einem gar bald auffällt.

Ehedem war hier auch eine Salzgießerei; sie hat aber gegen den Anfang des 18. Jahrhunderts, also um 1700, aufgehört und die ganze Gegend wurde alsdann mit Hallischem, durch die Oder in Tonnen herbeigeschafftem Salze versehen. Seit 1777 aber wird lauter kursächsisches Salz verbraucht, welches mit schweren Rosten auf der Achse aus Dürrenberg hierher gebracht wird. Die vornehmsten Gassen der Stadt sind des Abends erleuchtet und die öffentliche Reinlichkeit geht in den Häusern in eine Art von Luxus über. Für das gesellige Vergnügen ist vorzüglich in den Wintermonaten durch Abwechslung mit Konzerten, Assembleen, Spiel und Tanz gesorgt.

Oeffentliche Bibliotheken, die von einigem Belang wären, gibt es hier nicht, man findet solche ebenso wenig in der ganzen Niederlausitz. Doch ist hier eine Schule, die an guter Einrichtung, zu der sie vor mehreren Jahren  durch den ehemaligen Rektor  Böttiger gelangt ist, alle anderen niederlausitzischen Schulen übertrifft. Aus der ersten Klasse gehen jährlich immer eine ganze Anzahl Schüler auf Akademien. Der jetzige Vorsteher der Schule ist Herr Schaarschmidt, der mit dem braven Konrektor Richter  die Schule in Flor erhält. „