1911
Januar Februar März April Mai Juni Juli August September Oktober November Dezember4. April 1911
In der Stadtkirche befinden sich 12 Bildnisse von Geistlichen, die im 17. Und 18. Jahrhundert hier amtiert haben, unter ihnen zwei auf Holztafeln gemalte, die allmählich durch den Zahn der Zeit angegriffen worden sind. Das eine dieser letzteren Gemälde stellt den Mag. Ernst Colbe dar, der hier von 1630 - 1650 als Pastor Primarius wirkte. Er hat sich um die Stadt insofern einen besonderen Verdienst erworben, als er sich in den letzten Tagen des April 1642 mit dem Bürgermeister Sieg. Neumann in das Lager der Schweden hinauswagte, von denen die Bastei und die Mauer am Crossener Tor eingeschossen war, und durch eindringliche Bitten von der Stadt bei der Übergabe an die Feinde die drohende Plünderung abwandte. Von dem stark verblichenen Bilde, das jetzt in Berlin einem Auffrischungsverfahren unterzogen wird, hat, wie wir hören, Herr Photograph Rosenthal eine große, vorzüglich gelungene Aufnahme hergestellt und diese in einem sehr stattlichen Rahmen dem Stadtmuseum als erstes Geschenk für dessen Neubau mit einem silbernen Widmungstäfelchen verehrt.
5. April 1911
Durch die erfreuliche Vermehrung seiner Mitglieder wurde es dem seit 36 Jahren hier tätigen Zigarren-Spitzen-Sammel-Komitee (C.-S.-S.-C) möglich gemacht, zur diesjährigen Osterkonfirmation 26 arme Konfirmanden mit Bekleidungsgegenständen im Werte von 292 M unterstützen zu können. Auf Wunsch der Eltern oder Angehörigen wurden den Mädchen Schuhe, Kleiderstoffe oder bares Geld zur Anfertigung ihrer Garderobe und den Knaben fertige Anzüge verabfolgt. Leider mußten wieder in größerer Zahl Unterstützungsgesuche unberücksichtigt bleiben, weil die vorhandenen Mittel kaum zur Linderung der allergrößten Bedrängnis der Witwen und Waisen unserer Stadt als ausreichend erwiesen. Möge dieser kurze Bericht die bisherigen Mitglieder des Vereins mit der Genugtuung erfüllen, durch ihren bescheidenen monatlichen Beitrag von 10 [Pfg] einen wesentlichen Anteil an diesem erzielten Erfolge zu haben…
6. April 1911
Der heftige Wettersturz, den wir bereits verzeichneten, hat in letzter Nacht zur Eisbildung geführt. Das Thermometer sank auf 4 Grad unter Null. Die Kälte hat den bereits blühenden Aprikosen und den jung aufgelaufenen Sämereien sehr geschadet. Aus ganz Deutschland, Österreich und Rußland werden Kälte, und Schneestürme gemeldet. Den Anlaß zu der heftigen Abkühlung gab eine Umschichtung des Luftdrucks, durch die Mitteleuropa, das vorher warme Südwinde bestrichen hatten, unter Herrschaft kalter Nordwestwinde kam. Die Abkühlung umfaßte beinahe ganz Europa und nur von Mittelitalien ab ist es noch warm. Nach wiederholten Nachtfrösten dürfte sich bei steigendem Luftdruck allmählich auch im Osten Deutschlands Aufheiterung und damit langsame Wiedererwärmung einstellen.
9. April 1911
12. April 1911
Die Ausstellung orientalischer Teppiche, die Herr Julius Eichhorn hier im großen Schützenhaussaale gegenwärtig veranstaltet, findet großes Interesse, namentlich seitens der Damen. Unter den ausgestellten Teppichen befinden sich wahre Prachtexemplare orientalischer Teppichkunst. Vornehmlich sind es Perserteppiche von nie gesehener Größe und Farbenschönheit, die den Besucher entzücken. Vom kleinen Vorlegeteppich bis zum Salonteppich von über zwanzig Quadratmeter sind fast alle gangbaren Größen vertreten. Ganze Generationen arbeiten mitunter an der Herstellung eines solchen Teppichs und das wird verständlich, wenn man erfährt, daß ein einziger Teppich aus 100 Millionen Knoten geknüpft ist. Die Ausstellung ist nur noch heute (Dienstag) geöffnet.
14. April 1911
16. April 1911
Der Schürzendieb. In der Nacht zum Karfreitag wurden von der Leine auf dem Hofgrundstück hinter dem Turnplatz 1 wiederum drei Frauenschürzen gestohlen, während die übrigen, weit wertvolleren Wäschestücke unberührt blieben. In der letztvergangenen Nacht wurden die Schürzen auf der sog. Schätke zwischen Turnplatz und Kaltenborner Straße zu einem Paket vereinigt liegen gesehen und der Fund der Polizei gemeldet. Als zwei Beamte bei der Fundstelle anlangten, war das Paket mit den Schürzen wieder verschwunden. Wenige Stunden danach wurde dasselbe Paket, diesmal vier Schürzen enthaltend, in der Sprucke wieder aufgefunden und in polizeilichen Gewahrsam genommen. Offenbar hat man es mit den letzter Zeit vorgekommenen Schürzendiebstählen mit einem Geisteskranken zu tun.
20. April 1911
Baumblüte. Wenn das gegenwärtige warme Wetter anhält, so haben wir zum ersten Mai-Sonntag die allgemeine Baumblüte zu erwarten. Die Aprikosen- und Kirschbäume sind in geschützten Lagen bereits am Blühen. Die Wetterkundigen wollen wissen, daß in den nächsten Tagen warme Gewitterregen sich einstellen.
Einem Hasenliebhaber, der gestern in der Nähe der Abdeckerei mit einem Tesching einen Hasen erlegte, und mit nach Hause nahm, wurden bei der alsbald erfolgten Haussuchung sowohl der Braten, das Fell und das benutzte Gewehr abgenommen, außerdem hat der Betreffende noch gerichtliche Bestrafung zu erwarten.
Groß Breesen, 19. April. (Hufbeschlagprüfung.) In der Prüfung an der Hufbeschlags-Lehrschmiede zu Cottbus hat der Schmied Gustav Irrgang zu Groß-Breesen die Berechtigung zum Betriebe des Hufbeschlaggewerbes mit dem Prädikat „sehr gut“ erhalten.
22. April 1911
28. April 1911
Die Schulden der Stadt Guben betrugen bei Beginn des Etatsjahres 1911 4.582.800 M. Legt man dieser Summe die Zahl der am 1. Dezember 1910 gezählten Personen von 38.330 zugrunde, kommen auf den Kopf der Einwohnerzahl 119,56 M. Zur Verzinsung des Schuldenbetrages sind 166,812,63 M. erforderlich, das ergibt pro Kopf 4,35 M. Zur Tilgung der Schuldsumme werden 165.900 M. benötigt, etwa 4,32M. pro Kopf. Die gesamte Kapital- und Schuldenverwaltung vereinnahmt nach nach dem Etat 1911 234.428,26 M. und hat zu verausgaben 350.061,13 M, erfordert somit einen Zuschuß von 115.632,87 M. oder 3,01 M. pro Kopf.