Gubener Zeitung

Die Gubener Zeitung, von 1871 bis 1944 kann auf Rollfilm in den Räumlichkeiten der Stadtbibliothek Guben eingesehen werden.

1911

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1. Februar 1911

Internationale Ballonfahrt. Am Donnerstag den, 2. Februar finden in den Morgenstunden internationale wissenschaftliche Ballonaufstiege statt. Es steigen Drachen, bemannte oder unbemannte Ballons in den meisten Hauptstädten Europas auf. Der Finder eines jeden unbemannten Ballons erhält eine Belohnung, wenn er der jedem Ballon beigegebenen Instruktion gemäß den Ballon und die Instrumente sorgfältig birgt und an die angegebene Adresse sofort telegraphisch Nachricht sendet.

 


2. Februar 1911

Jubiläum. Am 1. Februar d. Js. Blickte Herr Friedrich Richter aus Mückenberg auf eine 50jährige Tätigkeit bei der Firma C. G. Wilke zurück. – der erst 65jährige Jubilar hat während der verflossenen 5 Jahrzehnte seinen einstündigen Fußmarsch von der örtlichen Wohnstätte zur Fabrik und wieder heimwärts frühmorgens und abends regelmäßig täglich zurückgelegt und bietet noch heute ein Bild gesunder Rüstigkeit. – Vom Inhaber der Firma wurden dem Jubilar M. 500 und ein persönliches Erinnerungsgeschenk überreicht. Bei dieser Gelegenheit dürfte es interessieren, zu erfahren, daß in der Hutfabrik C. G. Wilke augenblicklich 92 Arbeiter und Arbeiterinnen über 25 Jahre beschäftigt sind.

 


3. Februar 1911

Lichtmeß! Der heutige 2. Februar führt im Volksmunde den Namen Lichtmeß. Eine alte Bauernregel sagt: Lichtmessen ist der Winter halb gemessen. Mit diesem Tage ist der Berg des Winters erstiegen. Im Herzen des Landmanns regt sich die Hoffnung auf den kommenden Frühling und die Freude auf das alsdann wieder beginnende Ackerwerk. Was aber bedeutet die verheißungsvoll klingende Bezeichnung Lichtmeß? Die meisten bringen dieselbe mit der besonders um diese Zeit bemerkbaren beträchtlichen Zunahme des Lichtes, d. h. der Tage, in Zusammenhang und meinen, dieselbe sei eben nun so auffällig und bedeutend, daß man sie, nach Stunden natürlich, messen, d. h. bemessen und berechnen könne. Indes, diese Deutung, so einleuchtend sie vielleicht zuerst erscheint, ist unzutreffend. Der Name Lichtmeß ist vielmehr kirchlichen Ursprungs. An diesem Tage nämlich werden in der katholischen Kirche während des Gottesdienstes (Messe) die zum kirchlichen Gebrauch bestimmten Kerzen durch Besprengung mit Weihwasser geweiht, woher die Feier und der ganze Tag den Namen Lichter-Messe erhielt, woraus Lichtmeß wurde. Wohl kaum gibt es einen Tag im ganzen Jahreslaufe, der nach dem Volksglauben von so einschneidender Bedeutung für das Naturleben wäre wie gerade der 2. Februar. Da Lichtmeß etwa in die Mitte zwischen Winters- und Frühlingsanfang fällt, so gilt dieser Tag als Grenzscheibe zwischen  der Winterbeschäftigung, dem Spinnen usw. und den ersten Frühlingsarbeiten im Garten und Feld, mit Hacke und Schippe. Verschiedene Bauernregeln knüpfen an Lichtmeß an. An diesem Tage darf nicht schönes Wetter sein, sonst gibt’s ein ungünstiges Jahr. Aus der Zeit, da es auch in Deutschland noch Wölfe gab, stammt die Wetterregel: Zu Lichtmeß sieht der Bauer lieber den Wolf im Schafstalle, denn die Sonne. Denselben Sinn, nämlich, daß am Lichtmeßtage nicht schönes Wetter sein darf, hat eine englische und auch friesische Sitte, an diesem Tage ein Bund Stroh zu einer weiblichen Figur zusammenzubinden und ins Freie zu stellen. Wir sie naß, so gibt’s ein gutes Jahr, bleibt sie dagegen trocken, so gibt es viele taube Aehren.

 


4. Februar 1911

Deutsch oder Latein als Schulschrift. Der Kampf ob die lateinische oder deutsche Schrift in Zukunft bei uns vorherrschen soll, ist plötzlich zu neuer Glut entfacht: Die Petitionskommission des Reichstages hat soeben einer in der Oeffentlichkeit bisher gar nicht beachteten Petition zugestimmt, nach der als alleinige Schrift in den ersten drei Unterrichtsjahren die lateinische gelehrt und geübt werden soll. Würde das gesetzlich durchgeführt, so wäre damit natürlich das Ende der deutschen Schrift in absehbarer Nähe gerückt, und diese Aussicht hat denn auch sofort deren Freunde auf den Plan gerufen. Eine Protestversammlung – zunächst nur im engeren Kreise – hat getagt. Die gegnerische Ansicht hat in dieser der bekannte Vorkämpfer der lateinischen Schrift, Professor Stengel, der auch Mitglied der Petitionskommission ist, vertreten, hat sich dann aber auf keine weiteren Erörterungen eingelassen, sondern die Versammlung verlassen, die nun ihrerseits tatkräftige Maßnahmen zum Schutze der bedrohten deutschen Schrift beschloß : Agitation in Wort und Schrift, Volksversammlungen und Gegenpetitionssturm. Ein heißer Kampf ist also zu erwarten. Auf der einen Seite wird man besonders das nationale Moment in der geschichtlich gewordenen deutschen Schrift betonen, auf der anderen Seite weißt man nicht ohne Berechtigung auf die Belastung des Anfangsunterrichts hin, dem jetzt die Einübung von acht Alphabeten – groß und klein, gedruckt und geschrieben, deutsch und lateinisch – zufällt. Ob aber der Ansturm der „Lateiner“ siegreich sein wird, ist zum mindesten sehr zweifelhaft, der erste Erfolg ist sicher nur der Ueberrumpelung  der Gegner zu verdanken ; wahrscheinlich ist vielmehr, daß nach scharfen Streit alles beim alten bleiben wird.


5. Februar 1911

 


7. Februar 1911

Neue Namen haben folgende bisher unbenannte Gassen erhalten: Die Gasse gegenüber der Turnerstraße zum Markt heißt Wunschwitz Gasse, die Gasse zwischen Salzmarktstraße und Markt hinter der Post heißt Johann Frankgasse, die Gasse zwischen Lindengraben und Stadtschmidtstraße heißt Wallgasse, die Gasse zwischen Markt (Homuth) und Stadtschmidtstraße heißt Goldschmiedegasse , die Gasse zwischen Polizeiwache und Schulstraße heißt Hauptgasse und die Gasse von der Schulstraße (alte Töchterschule) bis zum Lindengraben heißt Rüstergasse; ferner erhielt der Treppenaufgang von der Grünen Wiese zur Neißestraße die Bezeichnung Himmelsleiter.


8. Februar 1911

Naemi Wilke-Stift. Das neu errichtete Absonderungshaus für Ansteckende Krankheiten wurde gestern (Montag) nachmittag 3 Uhr seiner Bestimmung übergeben. Zu der Einweihungsfeier erschienen der Vorstand, die in der Anstalt tätigen Aerzte und die Schwestern samt einigen Damen. Gemeinsamer Gesang rahmte den Weiheakt  ein. Pastor Dr. Jacobskötter hielt eine kurze Rede, Superintendent Pfaff aus Reimswalde Schriftverlesung und Gebet. Als leitender Arzt der Anstalt zeigte Herr Dr. Ayrer den Anwesenden die Räumlichkeiten im einzelnen. Daran schloß sich ein kurzes geselliges Beisammensein.


10. Februar 1911

In Lebensgefahr schwebte heute vormittag der Obermüller Max Thiel von den Sehdellschen Mühlen. Er war an dem Neißewehr beschäftigt, das Eis loszulösen, als sein Kahn kippte und er durch das Wehr in den aufschäumenden Strudel getrieben wurde. Eine zeitlang blieb er verschwunden. Endlich tauchte er an der Spitze der Schützenhausinsel auf und rettete sich an Land. Außer dem kalten Bade scheint der Zwischenfall für den Betroffenen glimpflich abgelaufen zu sein; hoffentlich stellen sich nicht noch nachträglich irgend welche Folgen ein.


18. Februar 1911

Ein Fahrkartenautomat ist seit einigen Tagen im Fahrkartenverkaufsraum des hiesigen Bahnhofs aufgestellt. Gegen Einwurf von 20 Pfennig erhält man eine Fahrkarte 4. Klasse giltig nach Coschen oder Walmitz oder Kerkwitz. Dem Vernehmen nach wird in Kürze in den Wartesälen auch ein elektrischer Abrufapparat angebracht. An einer erleuchteten Tafel erscheint nach einem Klingelzeichen jeweils die Angabe der Richtung, welche der abfahrende Zug nimmt. Diese Einrichtung hat sich bereits in vielen Orten bewährt.

Zwangsversteigerung des Rittergutes Deulowitz. Im Wege der Zwangsvollstreckung wurde heute vormittag das in Deulowitz belegene auf den Namen des Rittergutsbesitzers Friedrich Alfred v. Müller-Metternich und seiner Frau Anna geb. Franke zu Berlin eingetragene Grundstück durch das hiesige Amtsgericht versteigert. Das Rittergut Deulowitz umfaßt 185 U 77 ar 68 qm mit 270,67 Taler Reinertrag und 696 M Nutzungswert.  Für 162 700 M erwarb es der Rittergutsbesitzer Franz  Fischer in Görlitz. An Hypotheken sind über 100 000 M ausgefallen.


21. Februar 1911

Vor 600 Jahren. Im Laufe des Jahres 1311 waren die Stadtmauern von Guben durch die Wasserflut der damals selbstverständlich noch nicht eingedämmten Neiße zerstört worden. Zu ihrer Wiederherstellung erlaubte nach der Chronik Markgraf Waldemar der Stadt, die jedenfalls erst kurz zuvor das Münzrecht erhalten hatte, alljährlich das geprägte Geld wieder einzuziehen und umzuprägen; dabei wurden in der Regel für 12 alte Münzen 10 neue gegeben, so daß die Gemeine bei den damals hohen Wert gemünzten Geldes einen nicht unerheblichen Gewinn davon hatte. – Genau 100 Jahre später verlieh König Wenzel von Böhmen der Stadt Sommerfeld das Recht, „Heller von derselben Art, wie Guben zu schlagen“. Ja es scheint, daß eine Zeitlang beide Städte in Guben eine Gemeinschaftsmünze geprägt haben. Die hiesigen kleinen Kupfermünzen zeigen den Buchstaben G mit der Krone und sind nur einseitig geprägt. Sie sind wie alle derartigen Stadtmünzen ziemlich selten.


22. Februar 1911

Der Gubener Ruder-Club E. B. hat jetzt das fünfte Jahr seines Bestehens vollendet. In dem erschienenen Jahresbericht ist u. a. folgendes zu lesen: Fünf Jahre sind vergangen seit der Gründung des Gubener Ruder-Clubs ; lange nicht alles ist erreicht, was wir erstreben, aber doch haben wir das Recht, mit Freude und einem gewissen Gefühl des Stolzes auf die vergangene Zeit, auf das verflossene Jahr zurückzublicken. Wir können zunächst erfreulicher Weise feststellen, daß auch im Berichtsjahr die Zahl unserer Mitglieder weiter fortgeschritten ist, Ruderbetrieb und Bootsmaterial sich auf der Höhe befinden und die Kassen-Verhältnisse sich in aufsteigender Richtung bewegen. Wir wollen nicht verfehlen zu erwähnen, daß am 10. Juli 1910 unser Club als Mitglied in den deutschen Ruderverband aufgenommen wurde. Um uns sowie den umliegenden Provinzialvereinen Gelegenheit zu geben, sich ohne erhebliche Geldopfer an Regatten zu beteiligen, haben wir Schritte unternommen, eine Regattavereinigung der Rudervereine an der mittleren Oder ins Leben zu rufen. Die Angelegenheiten des Clubs wurden in 2 Haupt- und 12 Monatsversammlungen erledigt ; Vorstandssitzungen wurden nach Bedarf abgehalten. An Mitgliedern waren am 31. Dez. 1910 35 ausübende und 72 unterstützende, zusammen also 107 zu verzeichnen. Die schon seit einigen Jahren schwebende Angelegenheit des Bootshausneubaues dürfte nunmehr in absehbarer Zeit zu glücklichem Ende geführt werden. Durch die hochherzige Stiftung eines Mitgliedes ist uns am Koenigspark ein Terrain zur Verfügung gestellt worden, das unsern Wünschen an Lage, Größe und Umgebung in jeder Weise entspricht. Sobald die Verhandlungen mit der Strombauverwaltung und dem Stadtbauamt beendigt sind, werden wir mit dem Bau beginnen. Es sind gezeichnet worden 8200 M, an eigenen ersparten Geldern besitzen wir 1700 M, zusammen 9900 M. Wir hoffen mit dieser Summe unseren Mitgliedern ein, wenn auch einfaches, so doch zweckentsprechendes; geräumiges Heim zu schaffen. Den Bootspark haben wir mit Rücksicht auf den geplanten Bootshausneubau in diesem Jahre nicht vergrößert. Die Boote sind in guter Beschaffenheit und genügen vorderhand allen Ansprüchen. Das Rudern begann am 1. Januar und endete am 18. Dezember. Durch den Ausfall von größeren Tourenfahrten konnte die vorjährige Zahl der Bootskilometer nicht erreicht werden. Leider mußten 2 geplante größere Ferienfahrten noch im letzten Augenblick wegen unvorhergesehener Ereignisse unterbleiben. Die Anzahl der Fahrten sowie der rudernden Mitglieder ist dagegen gestiegen. – Wir hatten am 31. Dezember ein schuldenfreies Vermögen von zusammen 3465,40 M (im Vorjahre 2459,79 M). Von dem Wunsche erfüllt, daß der Gubener Ruder-Club auch ferner wachse, blühe und gedeihe, und daß ihm auch ferner treue Freunde und Gönner zur Seite stehen mögen, treten wir in das neue Vereins-Jahr hinüber.