Gubener Zeitung

Die Gubener Zeitung, von 1871 bis 1944 kann auf Rollfilm in den Räumlichkeiten der Stadtbibliothek Guben eingesehen werden.

1911

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2. Juli 1911

Bemerkenswerte Verfügungen für die Schulen teilt ein Berliner Blatt mit. Für die ärztliche Untersuchung von Schulkindern in der Schule sind folgende bemerkenswerte Bestimmungen erlassen worden: Untersuchungen, bei denen eine Entblößung des Körpers geboten ist, dürfen nur hinter einer Spanischen Wand vorgenommen werden, so daß das untersuchte Kind den Blicken der anderen entzogen ist. Mädchen dürfen nie in Anwesenheit einer männlichen Lehrkraft untersucht werden. Außerdem ist bei solchen Untersuchungen stets die Zustimmung der Eltern einzuholen. – Die ministerielle Verfügung über Jugendfürsorge gedenkt auch der Gemeindeschulen. Um den Einfluß auf die entlassene Schuljugend nicht zu verlieren, sollen im Anschluß an die bestehenden Gemeindeschulen Jugendklubs gegründet werden. Diese Klubs werden nach Erledigung der notwendigen pädagogischen Konferenzen schon in allernächster Zeit ins Leben treten. Zu den Tagungen der Vereinigungen werden auch Vertreter des Lehrerkollegiums Vorträge übernehmen.

 

Die Einwohnerzahl der Stadt Guben bei der Volkszählung am 1. Dezember 1910 betrug nach dem vorläufigen Ergebnis der Nachprüfung durch das kgl. preußische Statistische Landesamt 38 485

(17 678 männliche und 20 807 weibliche). An Wohnhäusern wurden 2781 bewohnte und 70 unbewohnte gezählt. Haushaltungen waren 10 278, Anstalten 42 vorhanden.


4. Juli 1911

Der Zapfenstreich der Schützengilde am Vorabend des Schützenfestes findet nicht, wie mitgeteilt, heute Montag, sondern morgen, Dienstag, abend statt. Der Zug geht vom Schützenhause aus durch den Lindengraben, Klosterstr., Markt, Königstr., Pförtenerstr. bis zum Hause des Maurermeisters Gutte, zurück Lubststr., Auf dem Sande bis zum Hause des Maurermeisters Hartmann, auf dem Rückwege durch die Neustadt, Turnerstr., Salzmarktstr., Frankfurterstr., Bahnhofstr. bis zum Bahnhofsberg und endet auf dem Rückwege, der wieder durch die Bahnhofstr., Frankfurterstr. usw. erfolgt, am Hotel „Blauer Engel“. Am Mittwoch ist morgens um 6 Uhr Wecken, 7 – 8 Ständchen bei den Königen und Behörden, 11 Uhr Abholen der Fahne und Festmarsch, 11½ Uhr Festmahl. Nachmittags Konzert. Für Donnerstag ist die Festordnung gleichlautend.


5. Juli 1911

Der heutige Viehmarkt war mit Rindern recht gut beschickt und es entwickelte sich vom frühen Morgen ab ein lebhafter Handel. Neben Kühen waren diesmal auch stattliche Zugochsen und viel Jungvieh aufgetrieben. Pferde waren auf dem Markte nur schwach vertreten. Die Kauflust für Pferde war eine weniger rege. Händler und Landleute waren reichlich erschienen. Die besten Geschäfte machten augenscheinlich die Schankbuden. Aufgetrieben waren 871 Rinder und 810 Pferde, wofür 336,20 M. Standgeld eingenommen wurde; für Budenstandgeld wurden 82,40 M. vereinnahmt.


9. Juli 1911


11. Juli 1911


14. Juli 1911

Gerichtssaal.

Strafkammer. Guben, 11. Juli. Der mehrfach vorbestrafte, 1860 geborene Arbeiter Gustav H. aus Guben ist angeklagt, Mitte Dezember bei Kerkwitz 20 junge Kiefern aus einer Schonung des Fleischermeisters Gustav Bölcke  in Groß-Gastrose entwendet zu haben. Er gestand ein, 8 Stück Christbäume geschnitten und verkauft zu haben. Durch Zeugen wird festgestellt, daß Angeklagter an einer Stelle 9, an einer anderen Stelle 10 Bäumchen entwendet hat. Der Gerichtshof hält nur 9 Bäume als entwendet und erkennt auf 45 M. Geldstrafe und 14 Tage Gefängnis, sowie Einziehung des Messers und Schadenersatz von 4,50 M. an den Fleischermeister Bölcke.


15. Juli 1911

Die Neiße führt in unserem Stadtgebiet recht wenig Wasser. Zwischen den Kiesbetten zwängen sich wenig tiefe Rinnsale hindurch, die kaum ahnen lassen, daß zwischen den hohen Flußufern zu anderen Zeiten die Wasser gewaltig dahin schießen und Überschwemmungen herbeiführen können. Der gegenwärtige niedrige Wasserstand ist auf andauernde Dürre zurückzuführen.


20. Juli 1911

Großfeuer in Guben

In der Vergangenen Nacht ist die in der kleinen Crossenerstraße 7/8 gelegene Strumpfwarenfabrik von Gustav Linke von einem verheerenden Feuer heimgesucht worden. Zwischen 1 und 2 Uhr wurde der Besitzer von zwei an seinem Hause Crossenerstraße 3 vorübergehenden Bürgern geweckt und aufmerksam gemacht, daß aus seinem Fabrikgrundstück Rauch aufsteige. Der Besitzer überzeugte sich sofort und gewahrte, daß aus den Fenstern des Kontorraumes Flammen herausschlugen. Er legte sofort eine Leiter an, stieg zum ersten Stock hinauf und schlug die Fenster ein, um die Geschäftsbücher zu retten. Hierbei erlitt er an den Händen Brandwunden durch Stichflammen, rettete aber die Bücher.

Inzwischen hatte sich das Feuer in großer Geschwindigkeit dem zweiten Stockwerk mitgeteilt und nahm von hier aus seinen Weg zurück zu den im ersten Stock liegenden Lagerräumen.

Beim Eintreffen der Feuerwehr, die sehr schnell an der Brandstelle erschien, schlugen die Flammen schon aus allen Teilen des Grundstückes heraus. Da bekanntlich die kleine Crossenerstraße sehr eng ist, war für die angrenzenden und gegenüberliegenden Wohnhäuser Gefahr im Verzuge, mithin mußte die Feuerwehr den Nachbargebäuden ihre besondere Aufmerksamkeit widmen. Glücklicherweise blieb das Feuer auf die Linke’sche Fabrik beschränkt.

Die Firma beschäftigt über 200 Arbeiter; der Betrieb war gegenwärtig ein sehr flotter. Im Lagerraum befanden sich für etwa 150 000 Mark fertige Strumpfwaren, die demnächst zum Versand kommen sollten. Dieser gesamte Vorrat und mit ihm alle Maschinen und sonstiges Fabrikinventar sind ein Raub der Flammen geworden. Dazu kommt noch der erhebliche Gebäudeschaden und 1500 Mark in bar verbranntes Geld, so daß der gesamte Brandschaden auf etwa 250 000 Mark geschätzt wird, den die Bayerische Versicherungsbank zu tragen hat. Hierbei ist der Schaden, der dem Besitzer durch Stillegung des Betriebes betrifft, nicht berücksichtigt.

Die Entstehungsursache des Brandes ist völlig unbekannt. Noch gestern abend bei Geschäftsschluß wurde sorgfältig revidiert, aber nichts verdächtiges entdeckt. Man vermutet daher, daß das Feuer durch Selbstentzündung der Baumwollballen entstanden ist, allerdings ist irgendein Anhaltspunkt auch hierfür nicht vorhanden.

Der Fabrikbetrieb ist auf einige Zeit vollständig stillgelegt, indessen hat ein hiesiger Fabrikbesitzer der geschädigten Firma Räume zur Verfügung gestellt, damit den brotlos gewordenen Arbeitern baldmöglichst Arbeitsgelegenheit geboten werden kann. Die Firma hofft, in den nächsten Tagen von diesen Anerbieten Gebrauch machen zu können.

Die Feuerwehr, die sich bei den schwierigen Löscharbeiten ausgezeichnet hat, hatte noch bis heute vormittag auf der Brandstätte zu tun, da aus den Trümmern hier und da noch ständig kleine Flammen emporzüngelten.

 

Der „Alte“. In der Erntezeit herrscht in vielen Gegenden unserer Mark die Sitte, den „Alten“ zu bringen, sobald das letzte Korn gemäht und gebunden ist. Der „Alte“, dem vielfach die Gestalt eines Mannes gegeben wird, ist die letzte Getreidegarbe. Während man sie in einigen Gegenden an der Ecke des Stoppelfeldes stehen läßt, wird sie in anderen wieder in festlichem Zuge in das Herrenhaus gebracht und löst gleich dem Erntekranz die vorjährige Garbe ab. Diese Erntesitte ist aus der heidnischen Vorzeit in unsere Tage übernommen und bedeutet nichts anderes, als den Göttern, welche die Ernte wohlgelingen ließen, ihren Anteil daran zu geben, um sich auch ferner ihres Segens zu sichern. Mit der märkischen Sitte deckt sich ein in Schlesien bestehender Brauch, demzufolge der Bauer das erste, aus neuem Korn gebackene Brot nicht für seinen Haushalt verwendet, sondern einem Armen schenkt. Mit dem Bringen des „Alten“ ist stets eine ländliche Festlichkeit verbunden.


24. Juli 1911


25. Juli 1911

Ringkämpfe im Hotel Kronprinz. Zu welcher Beliebtheit es der Berliner Barkowski bei dem hiesigen Publikum gebracht hat, konnte man gestern wieder erkennen, als er nach 1¼ stündigem schweren Kampfe den Dänen Petersen auf beide Schultern rollte und der Beifall gar kein Ende nehmen wollte. Barkowski hat aber auch eine unerschütterliche Ruhe beim Ringen, an welcher selbst die Brutalitäten Petersens scheitern.  In der 75. Minute des Kampfes muß Barkowski in die Brücke gehen. Petersen versucht nun durch Aufbietung aller Kraft diese einzudrücken. Plötzlich klemmt Barkowski die Arme des Gegners ein und durch doppelten Armzug ist Petersen besiegt. Vorher rang noch Paradanoff gegen Eggenberg. Sieger Paradanoff nach einer Gesamtkampfdauer von 55 Minuten. – Heute ist nun der letzte Tag der Konkurrenz, und zwar ringen um den ersten und zweiten Preis die beiden bisher unbesiegten Paradanoff gegen Barkowski. Um den dritten Preis Petersen gegen Eggenberg. Nachdem findet die Verkündigung der Sieger und Preisverteilung statt.


29. Juli 1911

Gegen die langen Hutnadeln. Eine Bekanntmachung des Berliner Polizeipräsidenten verdient auch in anderen Städten beachtet zu werden. In der Bekanntmachung heißt es: „Da die Aufforderungen an die Damen, nicht langvorstehende Hutnadeln zu tragen, bisher nicht immer hinreichend beachtet worden sind, sehe ich mich veranlaßt, darauf hinzuweisen, daß nach den §§ 230, 231 des Strafgesetzbuches fahrlässige Körperverletzungen, wie sie durch das Tragen derartiger Nadeln verursacht werden können, mit Geldstrafe bis zu 900 Mark oder mit Gefängnis bis zu zwei Jahren bestraft werden, und das neben der Strafe auf eine an den Verletzten zu erlegene Buße bis zu 6000 M erkannt werden kann.“