1911
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10. Dezember 1911
Vom Wetter.
Während der ersten Dezemberwoche blieb die Wetterlage recht gleichmäßig. Der leichte bis mäßige Frost im Nordosten des Reiches dauerte ebenso fort, wie das trübe, aber vorwiegend trockene Tauwetter in den übrigen Landesteilen. Die Gleichmäßigkeit der Witterung war bedingt durch das Verharren des Maximums über Osteuropa. Jetzt aber scheint eine Umgestaltung der Wetterlage Platz zu greifen, bei der die atlantischen Wirbel mehr und mehr in das Innere des Kontinents eindringen und das russische Hoch zur Verflachung und Abwanderung bringen dürften. Darauf deutet auch die beträchtliche Abnahme des Luftdrucks in Deutschland hin. Wir haben somit west-ostwärts fortschreitende Erwärmung mit Drehung der Winde nach Südwesten und Niederschlägen zu erwarten, die im Osten anfänglich vielleicht in Form von Schnee fallen dürften. Jedenfalls scheint diese erste Periode ruhigen Hochdruckwetters in diesem Winter, die noch so gut wie gar keine Kälte gebracht hat, endgültig vorüber zu sein. Ob es bald zu einer Wiederkehr dieses Witterungstypus kommt, der dann gewiß auch strengeren Frost bringen würde, läßt sich einstweilen nicht sagen.
16. Dezember 1911
19. Dezember 1911
Der silberne Sonntag
Auch gestern, am silbernen Sonntag, herrschte in den Straßen wieder ein lebhafter Verkehr, wozu das milde, sonnige Wetter nicht wenig beitrug. Besonders wurde in den Spielwaren- und Kurzwarengeschäften fleißig gekauft. Auch am Sonnabend war die Kauflust groß; namentlich in den Abendstunden drängten sich die Käufer in den Läden. An das kaufende Publikum sei nochmals die Bitte gerichtet, mit dem Einkauf nicht bis zum letzten Tage zu warten, sondern die Einkäufe im Laufe dieser Woche besorgen zu wollen, damit die Auswahl mit Zeit und Ruhe erfolgen und auch eine prompte Bedienung gewährleistet werden kann.
24. Dezember 1911
28. Dezember 1911
Dem Weihnachtsfest, dessen lieblicher Zauber wieder verflogen ist, fehlte diesmal der glitzernde Schnee, der dem Feste einen so eigenen Reiz verleiht. Der Winter hat sein Regiment in diesem Jahre noch nicht geltend gemacht, weder strenge Kälte noch Schneefall waren bisher zu verzeichnen. Daher war nach Schlitten und Schlittschuhen in den Geschäften vor dem Feste auch keine rege Nachfrage, die Läger in diesen Artikeln dürften demzufolge wohl erst mit dem Eintreten eines echten Winterwetters geräumt werden. Der „goldene Sonntag“ brachte, obwohl er diesmal auf den heiligen Abend fiel, den Geschäftsleuten noch einen recht guten Ertrag. Der Verkehr in den Straßen war ein äußerst reger, zumal auch in den Geschäften noch ein flotter Absatz herrschte. Sonntag nachmittag 5 Uhr läuteten die Kirchenglocken das traute Weihnachtsfest ein und ein liturgischer Gottesdienst in der Stadt-und Hauptkirche gab der Gemeinde Gelegenheit, vor dem allgemeinen Jubel und der Freude noch Gottes Wort zu lauschen. Nach dem Geschäftsschluß um 7 Uhr abends strebte alles dem Familienkreise zu. Die Straßen schienen wie ausgestorben. Durch die Fenster in fast allen Häusern sah man die Lichter des im vollen Schmuck prangenden Weihnachtsbaums aufflammen und fröhlicher Gesang „Stille Nacht, heilige Nacht“ drang aus den Wohnungen auf die menschenleeren Straßen… Friede auf Erden! - Der erste Feiertag brach in feierlicher Ruhe an. Fast schien es, als leuchtete der Frühling schon entgegen, denn das Wetter hatte ganz den Charakter eines Vorfrühlingstages. Die Glocken riefen um ½ 10 Uhr zum Gottesdienst. Alle Kirchen füllten sich mit ihren Gemeindemitgliedern. In der Stadt- und Hauptkirche konnten die Kirchgänger nicht alle Platz finden, viele mußten mit einem Stehplatz vorlieb nehmen. Die Kirchenmusik war eine besonders erhebende, der Chorgesangverein leistete sein bestes. Nach Schluß des Gottesdienstes füllten sich die Straßen mit Spaziergängern, die zahlreichen Urlauber aller Waffengattungen gaben dabei dem Verkehr ein besonderes Gepräge. Der erste Feiertag Abend war dem Vergnügen gewidmet. Wohl war in der ganzen Stadt kein Saal zu finden, in dem sich nicht ein Verein versammelt hätte zur gemeinsamen Feier des Weihnachtsfestes mit seinen Mitgliedern. Alle Veranstaltungen dürften sich einer großen Beteiligung erfreut haben, denn bis in die tiefe Nacht hinein wogte der Verkehr fröhlich plaudernder Menschen in den Straßen. – Am zweiten Feiertag herrschte vorwiegend kaltes, regnerisches Wetter, das die Menschen zu Hause hielt.