Gubener Zeitung

Die Gubener Zeitung, von 1871 bis 1944 kann auf Rollfilm in den Räumlichkeiten der Stadtbibliothek Guben eingesehen werden.

1912

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2. April 1912

Das Naemi-Wilke-Stift, Krankenhaus und ev.-luth. Diakonissen-Anstalt zu Guben, teilt aus dem Jahre 1911 folgendes mit: Der Krankenbestand betrug am 1. Januar 38, der Zugang im Laufe des Jahres 694, demnach die Summe 732, der Abgang dagegen 692 und die Anzahl der Sterbefälle 44. Am 31. Dezember wurden 44 Kranke gezählt. In der Regel überwog das weibliche Geschlecht ein wenig das männliche unter den Patienten. In der 1. Verpflegungsklasse wurden 40, in der zweiten 78 und in der dritten 614 Personen verpflegt. Nach den Bekenntnissen waren 16 Kranke luth. , 24 römisch-kath., 1 griech.-kath.,2 jüd.,2 apost. und die übrigen evangelisch. Es wurden 18 997 Pflegetage gezählt. Der durchschnittliche Aufenthalt eines Kranken betrug 25 Tage. Der höchste Krankenbestand wurde mit 70 Personen am 15. Februar erreicht. Der Anstaltsarzt, Herr Dr. Ayrer, hatte 390, Herr Dr. Schultze 146, Herr Dr. Balach 136 und Herr Dr. Goldschmidt 60 Patienten. 291 Kranke stammten aus Guben und 441 von auswärts, von hiesigen Kassen waren 129. 488 Operationen , nämlich 221 chirurgische,110 durch Augen-,107 durch Frauenleiden veranlaßte und 50 bei Nasen-,Hals- oder Ohrenleiden fanden statt. Herr Medizinalpraktikant Dr. Reinhardt blieb bis zum Juni, dann war Herr Dr. Klose und zuletzt Herr Dr. Graetz in derselben Weise hier tätig. Die Stelle des Assistenzarztes blieb unbesetzt. Das neue Absonderungshaus wurde am 6. Februar feierlich eingeweiht und seitdem mehrfach benützt.- Die Anzahl der Diakonissen, zu denen am Jahrestage der Anstalt, 13. Juli,sechs Probeschwestern hinzugekommen waren, betrug am Ende des Jahres 39, die der Probeschwestern 16 und die der Aspirantinnen 2, demnach die Gesamtzahl aller Schwestern 57. Bis zur Einsegnung empfangen die Schwestern religiösen Unterricht von Geistlichen, beruflichen von der Frau Oberin der Anstalt, und den ärztlichen erteilten die vier im Stifte tätigen Herren Aerzte, indem sie einander vierteljährlich ablösten. Eine Anzahl junger Damen stellten sich dem Hause zeitweilig oder dauernd als freie Hilfen zur Verfügung. – Die Schwestern widmen sich am Orte außer der Krankenpflege und der Hilfe bei Operationen den Pfleglingen der Idiotenanstalt mit deren Filialanstalt für schwachsinnige taubstumme Kinder und Berliner Waisenzöglinge. Am Ende des Jahres wurden 60 Blöde, 6 männliche und 2 weibliche taubstumme Kinder und 24 Waisenkinder gezählt. Diese letzteren besuchen mit etwaigen bildungsfähigen Idioten die Hilfsschule der Anstalt. Die Herren Volksschullehrer Bahro und R. Hoffmann und die Leiterin der Kinderbewahranstalt Frl.Wege wirken daran. Am 22. August wurde der Unterricht durch Herrn Kreisschulinspektor Proelß einer Prüfung unterzogen. – Von den Außenstationen wurden zwei Kinderschulen (Stockhausen und Köstritz i. Thür.) aufgegeben, und zwei Gemeindepfleger  (Hohenleuben und Wurzbach in Neuß i. L. ) wurden neu übernommen. Frau Oberin visitierte alle in Thüringen gelegenen Arbeitsfelder.


11. April 1912

Jugendliche  Personen bei öffentlichen Tanzlustbarkeiten

Während der Osterfeiertage ist die Beobachtung gemacht worden, daß sich, trotz Verbots, jugendliche Personen in Räumen aufgehalten haben, in denen öffentliche Tanzlustbarkeiten abgehalten werden. Es sind mehrere polizeiliche Feststellungen dieser Art gemacht worden, sodaß die Betroffenen wegen Uebertretung der Polizeiverordnung in Strafe  genommen werden.  Damit sich alle Personen künftig vor einer Bestrafung schützen können, seien hiermit die betreffenden Paragraphen der Polizeiverordnung vom 5. Febr. 1912 in Erinnerung gebracht; sie lauten: Während der Dauer der öffentlichen Tanzlustbarkeiten dürfen sich jugendliche Personen unter 16 Jahren in den dazu benutzten Räumen nicht aufhalten, von welchen aus ein Zuschauen zu der Tanzlustbarkeit möglich ist. – Für die Befolgung dieser Vorschrift sind nicht nur die Jugendlichen selbst, sondern auch ihre Eltern , sofern sie anwesend sind, und diejenigen Personen verantwortlich, welche die Tanzlustbarkeit veranstalten oder leiten, und in deren Räumen dieselbe stattfindet. – Uebertretungen dieser Polizeiverordnung werden mit Geldstrafe bis zu 30 M. oder mit entsprechender Haft bestraft.


14. April 1912

Schnee und Frost im Frühling

Der nach den Ostertagen erfolgte Wettersturz war wesentlich stärker als der schnell vorübergegangene der Vorwoche. Nicht nur in Deutschland, in ganz Europa ist nach mehr oder weniger heftigen Stürmen der Winter wieder eingekehrt; überall kamen vielfach sehr scharfe Nachtfröste vor, und am Schlusse der Woche bestand in Deutschland und den angrenzenden mitteleuropäischen Gebieten sogar eine verbreitete Schneedecke ,was seit der ersten Hälfte des Monats Februar in diesem Umfang nicht mehr der Fall gewesen ist. Kam der diesjährige Wettersturz auch nicht mit der jähen Plötzlichkeit wie im April des vergangenen Jahres, so hat er doch vielerorts die gleiche Intensität erreicht, und neben anhaltenden Schneestürmen wurden Frosttemperaturen von 6 bis 8 Grad unter Null verzeichnet. Der Schaden, den dieser Wetterrückschlag verursacht hat, dürfte angesichts des Umfanges, den das Frostgebiet erreicht hat, und infolge der schon sehr weit entwickelten Vegetation sehr groß sein.

Bei ungemein niedrigen, kaum den Gefrierpunkt übersteigenden Tagestemperaturen bahnte sich Freitag mit ungemein schnellem Ansteigen des Barometers der Umschwung zu günstigerer Witterung vor. Die verschiedenen Tiefdruckgebiete im Nordosten Deutschlands, in Westrußland und über dem Mittelmeer verflachten, das 772 mm hohe Maximum befand sich Freitag früh über Großbritannien und entsandte Ausläufer nach Südnorwegen, Süddeutschland und Südfrankreich. Die Folge dieser Druckverteilung müssen zunächst weitere scharfe Nachtfröste bei Winden aus nördlichen Richtungen sein: sobald aber der Kern des Hochdrucks auf den Kontinent gelangt sein wird, was zu Beginn der Woche der Fall sein dürfte, werden die Tagestemperaturen unter der Einwirkung der Sonne wieder emporsteigen. Bis zur durchgreifenden Wiedererwärmung können allerdings noch einige Tage vergehen: diese hängt auch von der Geschwindigkeit ab mit der sich das atlantische Maximum nach dem Osten des Erdteils bewegen wird. Zunächst haben wir somit Uebergangswetter, kalte Nächte, wärmere Tage und zunehmende Aufheiterung zu erwarten, wobei die Regen-, Graupel- und Schneeschauer auch im Osten des Landes bald ganz aufhören dürften. Auf wieder völlig frühlingshaftes Wetter kann etwa von Mitte der Woche ab gerechnet werden.


20. April 1912

Zum Untergang der Titanic

Noch immer ist nichts näheres  über die furchtbare Katastrophe , der die „Titanic“zum Opfer fiel, bekannt. Einzelheiten hierüber werden geflissentlich unterdrückt. Obwohl die „Carpathia“, welche die Ueberlebenden , darunter auch den Generaldirektor der White Star Line, Isman, an Bord hat, mit den drahtlosen Stationen stundenlang in drahtloser Verbindung war, die Liste der Ueberlebenden sandte und viele kurze Marceonigramme austauschte, kam kein Wort über die Art der Katastrophe von ihr ans Land. Die Marconi-Telegraphisten ersuchten die „Carpathia“ wiederholt, der gespannt harrenden Welt Mitteilungen über die Ursache und den Verlauf der Katastrophe zu machen; doch umsonst. Es hatte den Anschein, daß eine Telegrammzensur auf der „Carpathia“ eingerichtet war. Die Kreuzer „Chester“ und „Salem“ versuchten viele Male vergeblich, Auskunft von der „Carpathia“ zu erhalten. (Es folgen weitere Ausführungen)


21. April 1912


23. April 1912

Baumblüte

Der günstige Witterungsumschwung hat unerwartet zur Entfaltung der Blütenpracht in unseren Bergen beigetragen; in Feld und Garten bricht es bereits aus allen Zweigen das maienfrische Grün. Der gestrige prächtige Sonntag ließ erkennen, daß die gesamte Natur von Frühlingsahnen erfüllt ist und die strenge Herrschaft des Winters gänzlich wieder abgeschüttelt hat. Vornehmlich sind es die Spillinge, die ihren vollen Blütenflor zeigen, jedoch sind auch die frühen Süßkirschen und Pfirsiche in ihrer Blütenbildung schon gut entwickelt: ebenso fängt der Schlehdorn an zu blühen. Im Laufe der Woche werden jedenfalls die Birnen und späte Kirschen ihr Blütenkleid entfalten, sodaß wir in einigen Tagen bereits mitten in der Baumblüte stehen und der nächste Sonntag ein rechter Baumblütensonntag werden dürfte, der voraussichtlich wieder recht viele neue und all die zahlreichen alten Freunde unserer Baumblüte nach Guben führen wird. Es waren gestern bereits reichlich Fremde aus den Nachbarstädten hier anwesend und dürften diese, wie die zahlreichen heimischen Spaziergänger, welche die Berggassen belebten, durch den prächtigen Anblick bei dem warmen Frühlingswetter wohl  befriedigt worden sein.