Gubener Zeitung

Die Gubener Zeitung, von 1871 bis 1944 kann auf Rollfilm in den Räumlichkeiten der Stadtbibliothek Guben eingesehen werden.

1912

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1. Oktober 1912

Gubener Ruderclub.  Das gestrige Dauerwettrudern, das sich eines schönen Herbstwetters erfreuen konnte, hatte auf die Mitglieder und Freunde des Klubs eine große Anziehungskraft ausgeübt. Die 4. Mannschaften des Gubener Ruder-Klubs sowie die 1. Mannschaft der Ruderriege des Turnerbund “Gymnasium“ waren zu den festgesetzten Zeiten am Start erschienen. Die große Anzahl der Zuschauer verfolgte mit großem Interesse die nacheinander  vorüberfahrenden  Boote, deren Mannschaften unter dem starken Winde sehr zu leiden hatten. Um 5 Uhr hatten sämtliche Boote die Strecke durchfahren. Als Sieger ging die Vierermannschaft des Gubener Ruder-Klubs, John, Hefter, Marschner, Bergmaier, am Steuer Otto Hartmann, durchs Ziel, die die Strecke in nur 35  Minuten 5 Sek. zurücklegten. Den 2. Preis in Gestalt von Bechern sicherte sich die Vierermannschaft des Turnerbund “Gymnasium“, Schoßland, Sattler, Göhler, Franz, am Steuer Höhne, die 35 Minuten 55 2/3 Sek. zur Zurücklegung der Strecke brauchte. – Um 6 Uhr fand die Preisverteilung statt, an die sich ein gemütliches Zusammensein im Bootshause anschloß.


4. Oktober 1912

Der Schuster Voigt, bekannt  durch seinen Köpenicker Streich, bereist gegenwärtig die Städte der Niederlausitz und sucht die Leute dadurch auszunutzen, daß er Ansichtskarten mit und ohne Autogramme verkauft. Anläßlich seiner  Anwesenheit in Sorau wurde in der Presse bereits zum Ausdruck gebracht, daß durch die  Unterstützung dieses Mannes lediglich das Verbrechertum beschönigt und der Vagabondage Vorschub geleistet wird. Sollte sich Voigt auch in Guben blicken lassen, so wird er bei dem gesunden Sinn unserer Bürgerschaft wohl wenige finden, die zur Kategorie derjenigen zu rechnen wären, die „nicht alle werden.“


8. Oktober 1912

Ein aufregender Zusammenstoß  zwischen einem Motorwagen der elektrischen Straßenbahn und einem Privatfuhrwerk ereignete sich gestern abend um ½ 8 Uhr in der Frankfurter Straße. Das mit mehreren Personen besetzte Privatfuhrwerk, ein zweispänniger Halbverdeckwagen, kam in schlanker Fahrt die Bahnhofstraße herunter und bog bei der Egelneißebrücke in die Frankfurter Straße ein, als aus entgegengesetzter Richtung ein Straßenbahnwagen nahte. Dem Kutscher, der auf den Motorwagen wohl zu spät aufmerksam geworden war, gelang es noch, die Pferde zur Seite zu reißen, im nächsten Augenblick prallte aber auch schon der Motorwagen auf das Halbverdeck auf. Der Führer des Motorwagens hatte, als er die Gefahr des Zusammenstoßes erkannt, sofort Warnungssignale abgegeben und stark gebremst, sodaß der Motorwagen alsbald zum Stehen kam, sonst wäre ein schweres Unglück unausbleiblich gewesen. Bei dem Zusammenstoß wurden der Kutscher und ein auf dem Bock sitzender Knabe heruntergeschleudert, die Wageninsassen z. T. herausgeschleudert, sodaß sie unter das Fuhrwerk zu liegen kamen. Wie wir hören, lief aber noch alles verhältnismäßig gut ab, nur eine in dem Halbverdeck sitzende Dame erlitt einen Rippenbruch, die übrigen Beteiligten kamen ohne nennenswerte Verletzungen davon, auch die Pferde blieben unbeschädigt, dagegen wurde der Wagen zertrümmert.


9. Oktober 1912

Der Kaiser als Pate. Bei dem 13. Sohne des Hutmachers Theodor Kubein hier, Lahmoerstraße, hat der Kaiser eine Patenstelle übernommen. Im Auftrage Sr. Majestät überreichte am vorigen Sonntag Herr Pfarrer L. Walter nach der Taufe ein allerhöchstes Patengeschenk von 50 M.


13. Oktober 1912


15. Oktober 1912


16. Oktober 1912

Von der Klosterkirche. Am 29. Oktober dieses Jahres sind, wie wir bereits gestern kurz mitgeteilt haben, fünfzig Jahre verflossen, seitdem unsere Klosterkirche feierlich eingeweiht worden ist.    Zur Klosterkirche gehören gegenwärtig reichlich 5000 Seelen, darunter 1200 Städter, die in Teilen der Alten Poststraße (der sog. Amtsfreiheit), sowie in den Straßenzügen und Häusern, die früher die Sprucke, Einbecke und Kiekebusch-Vorwerke bildeten, wohnen. Ferner sind noch folgende Dörfer und Gutsbezirke der Klosterkirche zugeteilt: Germersdorf, Mückenberg, Wallwitz, Groß-und Klein-Drenzig, Reichenbach, Gubinchen, Groß-Bösitz, Plesse, Schöneiche, Saude und Döbern.  Man sieht, recht weit und beschwerlich, namentlich zur Winterszeit, sind die Wege, die ein großer Teil der zur Klosterpfarre gehörigen Gemeindeglieder zurückzulegen hat, um zum Gotteshause zu gelangen. Nicht allein bei Sonnenschein, auch bei Sturm und Wetter, bei Schnee und Frost legen die Kirchgänger stundenlange Wege zurück, um in ihrer geliebten Mutterkirche Gottes Wort zu hören.           Diese Treue und Ausdauer soll nun in gewissem Sinne auch belohnt werden. Schon lange ist es der sehnliche Wunsch der Klostergemeinde, die Kirche möchte mit einer Heizung versehen werden, damit die auf ihrer weiten Wanderung oft durchnäßt und durchkältet ankommenden Kirchgänger bei ihrem Aufenthalt in der kalten Kirche nicht Schaden an ihrer Gesundheit nehmen. Der Gemeinde-Kirchenrat der Klosterkirche richtet daher an alle, die die Kirche lieb haben, die herzliche Bitte, bei Gelegenheit  der fünfzigjährigen Erinnerung an die feierliche Einweihung der Klosterkirche ein Scherflein zu einem Jubiläumsfonds zur Beschaffung einer Heizanlage  beizusteuern…


18. Oktober 1912

Hiernach wurde in die Beratung der Vorlage: Bewilligung einer Unterstützung bis zu 600 M. an die Landgemeinde Groß-Drewitz  zu den Kosten eines  Gemeindebrunnens  eingetreten. In der Begründung dieser Vorlage heißt es: Die Wasserversorgung ist in der Landgemeinde Groß-Drewitz höchst mangelhaft. Der Königl. Kreisarzt hält einen Umbau des bestehenden Gemeindebrunnens für geboten. Im Orte hat sich häufig schwere Wassernot eingestellt. Es ist notwendig zur Abwendung von gesundheitlichen Uebeln und von großen Gefahren für den Ort bei Feuernot mit Rücksicht hierauf und in Anbetracht dessen, daß verschiedene Gehöfte überhaupt keinen Brunnen haben, einen Gemeindebrunnen auf der südöstlichen Spitze des dreieckigen Dorfplatzes vor dem Gasthofe zu erbauen. Die Kosten werden auf 1700 M. berechnet. Zu ihrer alleinigen Uebernahme ist die Gemeinde Gr.-Drewitz außer Stande. Sie ist höchst leistungsschwach. Die Gemeindesteuerpflichtigen Staats- und staatlicherseits veranlagten Realsteuern betragen 530,16 M. An Gemeindeabgaben werden 241 % Zuschläge erfordert. Die Verzinsung und Tilgung des Baukapitals durch die Gemeinde würde einen weiteren Zuschlag von etwa 20 % notwendig machen. Die einzelnen Wirte sind stark verschuldet; die Wirtschaften sind klein und dürftig. Die Landfeuersozietät hat eine Beihilfe von einem Drittel der Anlagekosten unter der Voraussetzung in Aussicht gestellt, daß aus Kreismitteln eine gleiche Beihilfe gewährt wird. Die  Gemeinde hat den Bau eines Gemeindebrunnens für Feuerlösch- und Wirtschaftszwecke nach den Bestimmungen der Landfeuersozietät  unter der Bedingung beschlossen, daß sie zu den Gesamtkosten  eine Beihilfe von zwei Dritteln erhält. Es wird daher die Bewilligung einer Beihilfe von einem  Drittel der Gesamtkosten des Gemeindebrunnens in Gr.-Drewitz bis zum Betrage von 600 M. beantragt. Der Antrag wurde nach längerer Debatte, an der verschiedene Abgeordnete sich beteiligten, mit allen Stimmen angenommen.


19. Oktober 1912


30. Oktober 1912

Kettenbriefe. Ein Unfug, der anderwärts schon grassierte, und gegen den in auswärtigen Blättern schon oft geschrieben wurde, beginnt sich jetzt auch in Guben einzunisten: die Manie der Kettenbriefe. Da Verfahren besteht darin, daß jeder , der einen solchen Brief erhält, ihn neun Tage lang  je einmal  abschreiben  und je einem Bekannten zusenden soll. Wie lawinenartig diese Schreiberei  anwachsen muß, ist daraus jedem klar. Das Schriftstück geht den Leuten auch auf Postkarten zu und ist in einem  furchtbaren Deutsch abgefaßt. In einem uns vorliegenden Falle  hatte dies Geschreibsel auf der Postkarte folgenden Wortlaut: „Die Kette darf nicht unterbrochen werden. Jeder der ihn erhält, soll ihn 9 Tage lang je einem Bekannten zusenden. Es ist ein altes Gebet, von dem in Jerusalem gesagt wurde, daß der ihn nicht weiter schickt, kein Glück an sich habe! Der es aber tut, am 9. Tag eine große Freude erleben wird und von allen Schmerzen befreit sein soll.“ Das abzuschreibende Gebet stellt sich als folgendes konfuses Zeug dar:“ I am ami entprojes O jord Jesus Implove The blessest man find ey us from Aeve  land Teel us all dwell weicht Thee in the Eleveny.“ – Die Absender rechnen mit dem weiter als man meint  verbreiteten Aberglauben der Leute und haben, wie der Augenschein lehrt, ja auch immer  wieder Erfolg. Die Briefe sind darum auch augenscheinlich nur an Frauen gerichtet. Hoffentlich aber verfahren alle, denen ein solcher Brief zugeht, in der einzig richtigen Weise mit ihm: Hinein ins Feuer!


31. Oktober 1912

Die Stadtverordneten-Versammlung  setzte gestern einen weiteren Merkstein auf dem Wege kommunalen Fortschritts. Nach Ueberwindung vieler Schwierigkeiten ist es dem Ersten Bürgermeister Herrn Dr. Glücksmann gelungen, den ersten Teil eines großzügigen Projekts, das die Versorgung der Stadt Guben mit elektrischer Kraft zum Gegenstande hat und den Ankauf der Seydellschen Mühle nebst Kraftwerk und Wasserrecht bedingte, glücklich unter Dach und Fach zu bringen. Die große Bedeutung dieses gestern von der Stadtverordneten-Versammlung  beschlossenen Ankaufes für die Weiterentwicklung  der Stadt dürfte wohl jedem Gubener Bürger klar sein; sie geht auch aus der gestrigen Verhandlung  hervor, über die wir an anderer Stelle ausführlich berichten.