1912
Januar Februar März April Mai Juni Juli August September Oktober November Dezember3. September 1912
Die Luftschiffhalle in Schenkendöbern war gestern das Ziel von vielen Hunderten von Menschen. Wer sonst die Guben-Cottbuser Chaussee passiert ist, hat sicherlich nicht geahnt, daß die Anhöhe von Schenkendöbern auf der Strecke nach Bärenklau dereinst der Anziehungspunkt so vieler Menschen noch werden wird. Wer gestern von dieser Anhöhe aus den Blick nach Guben wandte, mußte staunen, wie es auf dieser Chaussee von Menschen wimmelte; es war ein fortwährendes Kommen und Gehen von morgens früh bis abends spät. Wenn es auch manchem Fußgänger schwer fiel, bis er jene Anhöhe erreicht hatte, so freute er sich doch des Anblickes, der sich hier seinem Auge bot. Eine solch riesenhafte Luftschiffhalle bekommt man nicht alle Tage so leicht zu sehen.- Nachdem, wie schon berichtet der äußere Aufbau der Luftschiffhalle in den letzten Tagen fertiggestellt worden war, ging es am Sonnabend an die innere Einrichtung. Es wurden zunächst die Wände von innen verstärkt und abgesteift. Danach wurde in der ganzen Länge der Halle ein etwa 12 Meter breiter und 2 1/2 Meter tiefer Graben ausgehoben, um für den Laufsteg und die Kabine des Luftschiffes Raum zu gewinnen. Die Ausschachtungsarbeiten werden heute, Montag, fortgesetzt. Abends, wenn die Mannschaft ins Quartier abrückt, zieht eine Wache auf, die nach dem Eintreffen des Luftschiffes bis auf 30 Mann verstärkt wird. Voraussichtlich wird der „P.3“ am Mittwoch in Schenkendöbern eintreffen. Die Stunde ist noch nicht bekannt.- In der Wirtschaft zu Schenkendöbern fand am Sonnabend ein vom Militär veranstaltetes Tanzvergnügen statt, zu dem zahlreiche junge Mädchen aus Schenkendöbern und den benachbarten Ortschaften sowie aus Guben sich eingefunden hatten.
5. September 1912
Die 6. Volksschule. Als im Jahre 1904 die 5. Volksschule in der Bothmerstr. Ihrer Bestimmung übergeben wurde, waren Lehrer und Schüler entzückt, in ein Haus einziehen zu können, das mit allen Einrichtungen der technischen Errungenschaften ausgerüstet war, luftige hohe Klassenzimmer hatte, in die sich eine Fülle von Licht ergießen konnte, weil das Gebäude frei stand und ein bequemes Treppenhaus besaß, zum Aufgang für Schülerinnen und Schüler. Wie sehr aber die Technik in den acht Jahren fortgeschritten ist, zeigt der jetzt seiner Vollendung nahe gehende Bau der 6. Volksschule am Keil, der mit allen Mitteln der modernen Technik ausgestattet ist. Von allen Bergen, die einen Ausblick nach dem östlichen Stadtteil gestatten, fällt der Blick zuerst auf das neue Schulgebäude, das sich, nachdem das Baugerüst gefallen ist, imposant aus der übrigen Häusergruppe hervorhebt. Der Bau gleicht einem Schloß, dessen hohe Ziegeldächer in grellem Rot weithin leuchten. Aus dem prächtigen Grün der umstehenden zahlreichen Obstbäume und Gärten heben sich die, aus Terranora hergestellten zartgelb getönten Fassaden recht harmonisch heraus. Der stattliche architektonisch wirksame Bau macht einen so anheimelnden Eindruck, daß mancher Erwachsene, der das Haus anschaut, die Jugend beneiden möchte, die in Kürze ihren Einzug darin halten kann. Allenthalben ist das Bestreben der Bauleitung zu erkennen, die einzelnen Abteile zu einem reizvollen Ganzen zu gruppieren, dabei reich zu gliedern, um nicht ein kasernenmäßiges, nüchternes Gebäude zu errichten, sondern ein echtes behagliches Kinderheim mit freundlichen, anheimelnden Formen , sinniger, freier und luftiger Innengestaltung und wohltuenden Farbenstimmungen.
7. September 1912
Der Luftkreuzer Parseval III, dessen Eintreffen bereits gestern erwartet, wegen der stürmischen Witterung aber wieder abgesagt wurde, traf heute vormittag um 10 Uhr auf der Feldstation in Schenkendöbern ein. Schon um 8 Uhr morgens meldete uns ein Telegramm aus Berlin, daß der Luftkreuzer abgefahren sei. Die Fahrt des Luftschiffes gestaltete sich sehr schwierig, da es mit dem starken Gegenwind zu kämpfen hatte und die Motoren äußerste Kraft entwickeln mußten. An der Luftschiffhalle in Schenkendöbern wurden schon am frühen Morgen die nach Osten hinaus gelegenen Hallentore zur Empfangnahme des Luftkreuzers weit geöffnet. Der Wind hielt in gleicher Stärke an; zeitweise brach die Sonne durch die Wolkenmassen. Gegen ½ 10 Uhr wurde der von der Oder her sich langsam nähernde Luftkreuzer gesichtet. Allmählich kam der Riesenwal immer näher. Einige Zeit stand er über Reichenbach und Wilschwitz, wohl, um sich zu orientieren, dann hielt er langsam auf den Eingang der Halle zu. Wiederholt wurde er durch den starken seitlichen Gegenwind von seiner Bahn abgedrängt; durch geschickte Manöver gelang es indessen, das Luftschiff wieder in die rechte Fahrtrichtung zu bringen. Den Zuschauern bot sich ein seltener Anblick, als das eine zeitlang von der Sonne beschienene Luftschiff rotierte, bald hoch-, bald wieder niederging und sich dabei von allen Seiten zeigte. Endlich senkte es sich hinter dem Wald von Schenkendöbern immer tiefer und landete um 10 Uhr 5 Min. glatt vor der Riesenhalle. Es wurde rasch von den aufgestellten Mannschaften niedergeholt und schließlich glücklich in die Halle gebracht.
8. September 1912
Auf seiner gestrigen Fahrt von Berlin bzw. Biesdorf nach Guben, die, wie wir bereits gestern mitteilten, sich zu einer wirklichen Sturmfahrt gestaltete, bewährte sich der Parseval-Luftkreuzer glänzend. Trotz heftig böigen Windes - das Observatorium Lindenberg hat in 600 Mtr. Höhe 17 Sek.-Mtr. also über 60 km pro Stunde gemessen! – legte das Luftschiff den Weg von der Siemens-Schuckert-Halle in Biesdorf, in der es neu gefüllt worden war, bis Guben-Schenkendöbern in 1 ½ Stunden zurück. Die Führung des Luftkreuzers lag in den Händen der Herren Hauptmann v. Wobeser und Hauptmann v. Kehler.