Gubener Zeitung

Die Gubener Zeitung, von 1871 bis 1944 kann auf Rollfilm in den Räumlichkeiten der Stadtbibliothek Guben eingesehen werden.

1912

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1. März 1912

Der „Schalttag“, den wir heute zu verzeichnen haben, zeigt sich von seiner „freundlichsten“ Seite. Nach den trüben Regentagen der letzten Zeit zeigte sich heute wieder einmal die Sonne am Firmament und verlieh dem Tage einen frühlingsmäßigen Charakter. Der heutige Schalttag, den alle diejenigen, die am 29. Febr. das „Licht der Welt“ erblickten, besonders festlich begehen, sieht verschiedentlich schon die ersten Frühlingsboten, Schneeglöckchen usw., in den Gärten, er hört in den Lüften das Gezwitscher der Stare und Lerchen. Und drei Wochen später ist der offizielle Lenzanfang. Der Schalttag bringt uns einen weiteren Tag frohen Lebens im Jahre, ohne denen, die stets mit dem kurzen Monat Februar rechneten, große Beschwerden zu bereiten. Daß der Schalttag in den Februar fällt, hat bekanntlich seinen Grund darin, daß der Februar in alter Zeit des Jahres letzter Monat war. Das neue Jahr begann im Römerreiche mit dem ersten März, dem Amtsantritt der beiden höchsten Staatsbeamten, der Konsuln. Der März ist auch bei uns ein lebhafter Monat; im Geschäftsleben beginnt es sich zu rühren, für die jungen Leute, die die Schulen verlassen, sind in den Familien viele Vorbereitungen zu treffen. Und wir wollen uns freuen, daß wir so- weit sind, hat doch so manche Hausfrau den Winter hindurch hart zu kämpfen gehabt.


5. März 1912

Rabiate Burschen. Von einer Tanzbelustigung in der Sprucke in der Nacht zum Sonntag heimkehrend, gaben einige angetrunkene junge Leute ihren Zerstörungstrieb dadurch kund, daß sie Bretterzäune einrissen und Fensterscheiben einwarfen. Die Polizei ist den Tätern auf der Spur.


6. März 1912

Der Gubener Ruderklub hat sich in den verflossenen 6 Jahren seines Bestehens wieder erfreulich weiter entwickelt. Von besonderer Bedeutung ist die Aufführung des Baues eines eigenen Bootshauses, dessen Einweihung am 12. Mai stattfinden kann. Der Klub zählte am 1. Januar d. J. 110 Mitglieder, und zwar 30 ausübende und 80 unterstützende Mitglieder. Der Bootsbestand hat sich im letzten Jahre nicht vermehrt, er besteht aus drei  Gigvierern, zwei Gigdoppelzweiern, einem Riemenzweier und einem Privatboot. Der Kassenbericht zeigt einen recht befriedigenden Stand; mit einem Reinvermögen von 4355,91 Mark begann der Klub sein neues Vereinsjahr. Die Satzungen wurden abgeändert, um der männlichen Jugend unter 21 Jahren den Eintritt in den Klub zu erleichtern. Zum Vorsitzenden wurde in der letzten Generalversammlung Herr Richard Requadt wiedergewählt.

Aus dem Hochwassergebiet der Oder

Ein Berliner Blatt brachte kürzlich eine Notiz aus unserem Orte über „Die Taufe mit der Feuerspritze“. In dieser Notiz wird auch das Dorf  Schidlow erwähnt, und zwar ist von ihm gesagt, daß es seiner Kleinheit wegen nicht einmal in Ritters Geographisch-Statistisches Lexikon aufgenommen sei. Dem Blatte wird daher berichtigend geschrieben, daß das Dorf Schidlow oder Schiedlo nicht verzeichnet ist, weil es nicht mehr existiert. Nur vereinzelte Häuser heben sich aus den Forstkulturen und Weidetriften, an denen früher die Heimstätten Schiedlows ein weltabgeschiedenes, stilles Gemeinwesen bildeten. Das Dorf ist verschwunden. Auf Abbruch wurden die Baulichkeiten verkauft, die früheren Besitzer entschädigt und ihnen Gelegenheit geboten, sich anderwärts anzusiedeln. Der Ankauf Schiedlos durch die Regierung war ein dem Oderstrom gebrachtes Opfer. Das Dorf lag, fast von drei Seiten vom Strom umschlossen, im Kiesgeschiebe der Oder und konnte selbst mit starken Dämmen nur ungenügend gegen Hochwasser geschützt werden. So war und blieb Schiedlo ein Sorgenkind der Provinz Brandenburg. Kaum, daß eine Sammlung für die notleidenden Ueberschwemmten einigermaßen dem Elend  gesteuert hatte, warf sich aufs neue die Oder über den ihr entgegengestellten Damm und schwemmte Dächer und Wände , Vieh und Ernte hinweg. Die Hochfluten des Jahres  1903 gaben Anstoß zu einem außergewöhnlichen Vorgehen. Am 12. August 1905 wurde das Odergesetz erlassen,  ein Gesetz, „betreffend die Maßnahmen zur Hochwasser-, Deich- und Vorflutenverhältnisse an der oberen und mittleren Oder“, dem am 16. August das weitere Gesetz „ zur Verhütung von Hochwassergefahren“ folgte. Zur Regulierung  der Oder wurden 60 Millionen M. bewilligt und hiervon der Ankauf Schiedlos beschlossen und ausgeführt. Jetzt gehört Schiedlo der Vergangenheit an. Wahrscheinlich werden auch zwei benachbarte Gemeinden, Kuschern und Lahmo, sein Schicksal teilen und in einigen Jahren ebenfalls verschwunden sein.


9. März 1912


16. März 1912

Beim Beginn der Frühjahrsbautätigkeit pflegen teils beim Abbruch alter Häuser teils im Baugrunde Altertumsfunde zu Tage zu treten. Aus dem infolge Brandschadens abgebrochenen Türkeschen Hause Crossener Mauer 34a und Schulstraße 2 ist ein langer, nur zu einem kleinen Teil verwitterter Balken ausgehoben worden, der eine in lateinischen großen Buchstaben abgefaßte zweizeilige Inschrift zeigt: „Der Gerechte nimmt an keinem Rache. Der Segen des Herrn macht reich ohne Mühe. – Erbaut v. Herr Hans Lubasch † Anno 1660 † Hans Mathe, Zimmermann.“ Während in den Städten und Dörfern West- und Süddeutschlands Hausinschriften zahlreich und zierlich ausgeführt sind, finden sie sich in unserer Gegend nur selten und sind, wie die vorstehende, mit der Zimmermannsaxt eingehauen. Der Balken ist vom Besitzer dem Stadtmuseum geschenkt worden.


28. März 1912

Die Bautätigkeit in Guben war auch während des Jahres 1911 erfreulich rege. Neben einer beträchtlichen Zahl von Um-, An- und Erweiterungsbauten, der Errichtung von drei Fabriken,   einem Museums- und einem Schulbau kamen 42 Wohnhäuser zur Ausführung, und seit Neujahr sind wieder acht Wohnhausbauten und ein Fabrikgebäude begonnen worden. Viele andere Projekte werden für die Frühjahrsbauperiode vorbereitet. Die lebhafte bauliche Entwicklung des Jahrfünfts 1900 – 1905, wo insgesamt 262 Wohnhäuser, also auf das Jahr 52, neu errichtet wurden, hat sich als stetig erwiesen, abgesehen von dem allgemein ungünstigen Jahre 1908, wo die Bautätigkeit fast ganz ruhte. Der Bebauungsplan für die Gubener Berge, für dessen Herstellung seinerzeit 15 000 M bereitgestellt wurden und der eine ziemlich schwierige Arbeit darstellt, nähert sich, wie verlautet, seiner Vollendung.