1913
Januar Februar März April Mai Juni Juli August September Oktober November Dezember4. Dezember 1913
Diebstähle auf den Friedhöfen. Im vergangenen Sommer wurde bekanntlich viel darüber geklagt, daß Kränze und Blumen, die als Zeichen der Liebe und des Gedenkens den Toten auf die Gräber gelegt werden, sowohl auf dem Alten Friedhof wie auf dem Ostfriedhof entwendet werden. Am 19. Oktober gelang es endlich auf dem Ostfriedhof, in der Person der 53jährigen Witwe Auguste Wolf, geb. Krüger, eine Kranzdiebin zu erwischen. Sie wurde beobachtet, wie sie von dem Grabe eines auf dem Ostfriedhof beerdigten Sohnes der Frau Karoline Krüger in Mückenberg einen Kranz entwendete. Der Diebstahl kam zur Anzeige. Vor dem Schöffengericht gab die Angeklagte an, den entwendeten Kranz auf das Grab ihrer Mutter gelegt nachdem aber wieder zurückgebracht zu haben. Der Amtsanwalt beantragte unter Hinweis auf das häufige Vorkommen derartiger Diebstähle gegen die Angeklagte 1 Woche Gefängnis, das Gericht beließ es, da die Angeklagte bisher unbestraft war, bei einer Gefängnisstrafe von 3 Tagen.
6. Dezember 1913
7. Dezember 1913
Gasleitung nach der Sprucke. Da in der Sprucke eine große Anzahl von erwerbstätigen Personen wohnt, die auf dem Wege zur und von der Arbeitsstätte die Straße nach der Sprucke vielfach in der Dunkelheit passieren müssen, wurde von den Anwohnern schon wiederholt der Wunsch nach Gasleitungsversorgung geäußert. Auf eine erneute Eingabe hin beantragte der Magistrat nach Anhörung der Deputation für die Städtischen Werke bei der Stadtverordneten-Versammlung, den Weg nach der Sprucke mit Gasleitung zu versehen. Es sollen am Wege 6 Laternen aufgestellt werden. Die Gesamtkosten der Anlage stellen sich auf 6070 M. Die Unterhaltungskosten der Straßenbeleuchtung sind mit 300 M das Jahr angesetzt, hinzu kommt noch die Verzinsung und Tilgung des aufzuwendenden Kapitals mit 385 M. Die Mittel zu der Anlage, die sich durch Gewinnung einer größeren Anzahl Gaskonsumenten in jenem Stadtteil rentieren würd, sollen dem Reservefonds des Wasserwerks entnommen werden.
Von der Schützenhausinsel. Nicht nur der Einheimische, sondern auch jeder Fremde, der Guben besucht und dabei auch die große Neißebrücke passiert, erfreut sich an dem hübschen Landschaftsbild, das sich ihm beim Ausblick auf die Schützenhausinsel bietet. Nun ist die Schützenhausinsel auf ihrer Südseite, also vor dem Corona Schröter-Denkmal, mit dichtem Strauchwerk bewachsen, das von Jahr zu Jahr höher wird und den früheren Durchblick von der großen Neißebrücke nach dem Stadttheater fast ganz verdeckt. Der Magistrat beantragt daher bei der Stadtverordneten-Versammlung, die hindernden Sträucher an dieser Stelle fortzunehmen und sie nach kahlen Ecken der Insel zu verpflanzen, ferner den Platz um das Corona Schröter-Denkmal herum aufzuschütten, zu planieren und in eine gefällige Schmuckanlage mit Promenade umzugestalten. Die Kosten sind auf 535 M veranschlagt.
10. Dezember 1913
12. Dezember 1913
Tango-Abend. Es herrscht noch vielfach die Meinung vor, der „Tango“ sei ein Apachen- oder ein brasilianischer Kaschemmentanz. Daß dem nicht so ist, das bewies der Frankfurter Tanzlehrmeister P. G. Lenz, der am Dienstag im Schützenhaus in Guben einen „Tango-Abend“ veranstaltete, um in aller Oeffentlichkeit die Vorurteile gegen diese neue Tanzform auf angenehmste zu zerstreuen und mancher dürfte dabei von einem Saulus zum Paulus bekehrt worden sein. Wohl entstammen dem Urtango Motive und Figuren, doch muß man sich auch vergegenwärtigen, daß dieser Tanz erst durch europäische Kultur gewandert und veredelt worden ist, bevor er salonfähig wurde. Allerdings müssen die modernen Tänze, mögen sie nun Tango, Double Boston, Twostep, Onestep heißen, von guten Tänzern getanzt werden, denn sie verlangen viel mehr verhaltene Kraft, Geschmeidigkeit, Eleganz, Anmut und Geist wie die älteren Tänze. Mehr noch wie ehedem kommt es jetzt darauf an, von wem und wie sie getanzt werden. Das betonte auch Herr Lenz in seiner Eröffnungsansprache an das am Dienstag abend sehr zahlreich erschienene Publikum. Abwechselnd mit gefälligen Vorträgen des „Salonensembles“ des städtischen Orchesters wurden von zwei Paaren (Herr Lenz und seiner Schwester und noch einem fremden Paare) die verschiedenen Formen des mit Unrecht so verschrieenen Tango und eine Reihe moderner Tänze vorgeführt und niemand wird wohl in Abrede stellen können, daß sie in ihrer Mannigfaltigkeit inbezug auf Bewegungen, Schritte und Figuren etwas ungemein reizvolles und neuartiges boten, ja daß sie künstlerisch mit den Elitetänzen des Rokoko in einer Linie stehen. Den Damen gestehen die modernen Tänze viel mehr Bewegungsfreiheit, Persönlichkeit und Selbstbestimmung zu, wie die Tänze von Großvaters Zeiten her. Der Tango, wie er von Herrn Lenz vorgeführt wurde, darf allerdings dem Tango in „Puppchen“ nicht gleichgestellt werden.. Hier ein eleganter, figurenreicher Salontanz, in „Puppchen“ ein nichts weniger als ästhetisch wirkender Akrobatenhopser. Die Zuschauer kargten dann auch mit ihrem Beifall nicht; auf dringendes Verlangen mußten die verschiedenen Tangos (Salonform und Tango argentino nach Motiven von Leonard), wie auch die allerletzte Novität „Maxixe brésiliene“ und der moderne Figurenwalzer wiederholt werden.
13. Dezember 1913
Kauft am Platze! Alles besorgt jetzt Weihnachtseinkäufe. Noch vielfach besteht im Publikum die unrichtige Ansicht, als könne man nur in Berlin gut einkaufen. Man sehe sich nur die Ausstellungen in unseren guten Gubener Geschäften an und man wird auch da finden, was man sucht. Unsere einheimischen Geschäftsleute und Gewerbetreibenden haben mit uns alle Lasten zu tragen, die durch Steuern und andere Ausgaben uns auferlegt sind. Darum ist es unsere Pflicht, wenn wir die Steuerkraft unserer Stadt erhalten und stärken wollen, das einheimische Gewerbe und die hier ansässige Geschäftswelt gegen die übermächtige Konkurrenz der Reichshauptstadt zu stärken. Darum: Kauft am Platze!
14. Dezember 1913
Vom Wetter. Die absonderlichste Erscheinung des diesjährigen Herbstes und Vorwinters ist nicht das völlige Ausbleiben von Frostwetter. Auch in anderen Jahren stellt sich winterliche Kälte sehr häufig erst um die Jahreswende ein. Fast beispiellos ist jedoch diesmal die Höhe der Temperaturen, die fast ununterbrochen so hoch über den normalen Werten liegen, daß man kaum den Eindruck der winterlichen Jahreszeit empfängt. Der Einfluß dieser abnormen Erscheinung macht sich denn auch immer mehr in der Vegetation bemerkbar, die um diese Jahreszeit sonst vollkommen ruht, diesmal aber bereits kräftig junge Triebe ansetzt. Nicht nur im milden Westen Deutschlands, auch im Norden des Landes sieht man überall stark entwickelte Knospen, ja sogar junge Blättchen, die sich, von der milden Feuchtigkeit hervorgelockt, aus ihrer schützenden Hülle herausgewagt haben, und die nun trotz allem früher oder später dem Erfrierungstode ausgesetzt sind. Auch die Wintersaaten sind ungewöhnlich weit entwickelt, und es ist nur zu wünschen, daß vor dem Eintritt strenger Kälte reichlich Schneefall die Felder deckt, da sonst die Hoffnung des Landmannes vorzeitig vernichtet werden muß. Irgendwelche sicheren Anzeichen für einen Umschwung der Wetterlage lassen sich auch jetzt noch nicht erkennen. Abgesehen von einer etwaigen vorübergehenden Abkühlung auf der Rückseite der abziehenden Depression dürfte die Witterung trübe, mild und regnerisch bleiben.
18. Dezember 1913
Vieh- und Obstbaumzählung. Mit der Viehzählung am 1. Dezember war diesmal auch die Zählung der Obstbäume verbunden. Im Stadtkreis Guben hatte die Zählung folgendes Ergebnis: Von den 2876 (2874 im Jahre 1912) vorhandenen Gehöften wiesen 1476 (1719) und 1674 (2077) Haushaltungen einen Viehbestand auf. Es waren vorhanden 643 (605) Pferde, 829 (784) Rindvieh, 16 (46) Schafe, 2072 (1563) Schweine, 2108 (2159) Ziegen. Die Zahl der Obstbäume betrug insgesamt 104.779. Gehöfte und Hausgrundstücke mit Obstbäumen wurden 634 und öffentliche Wege mit Obstbäumen wurden 24 gezählt.
24. Dezember 1913
25. Dezember 1913
Weihnachtsunterhaltungen. Der Traum, daß der Weihnachtsabend das ersehnte weiße Kleid für die Natur bringen würde, ist, soweit unsere engere Heimat in Betracht kommt, leider nicht in Erfüllung gegangen. Wohl schien es heute morgen, daß sich ein leichter Schneefall einstellen wollte, aber schon nach kurzer Zeit sind die Hoffnungen wieder zerstört worden, der Schnee löste sich zu Wasser auf. Durch das nicht weihnachtliche Aussehen der Natur soll aber die Freude an dem Fest nicht beeinträchtigt werden…
28. Dezember 1913
„Himbeer-Limonade“. Gelegentlich einer Anklage wegen Fälschung von Nahrungs- und Genußmitteln kam es am hiesigen Schöffengericht zu Erörterungen, die auch für weitere Kreise, namentlich aber für Kaufleute, Händler und Schankwirte von Interesse sein dürfte. Ein Bierverleger war beschuldigt, Himbeer-Limonade nachgemacht und in den Verkehr gebracht, und ein Schankwirt, diese Limonade in seinem Geschäft als Himbeer-Limonade verkauft zu haben. Nun wurde aber seitens des Sachverständigen, Chemikers Dr. Köster-Frankfurt a.O., festgestellt, daß echte Himbeer-Limonade im Handel gar nicht zu haben sei, weil sie in 8 Tagen trübe und unansehnlich wird, sie müsse vielmehr jedesmal frisch hergestellt werden. Eine in der Farbe ähnliche Limonade werde durch Zusatz von Wasser zu den Rückständen der Beeren und nochmaliges Pressen erzielt. Alle der echten Limonade ähnlichen Produkte müssen schon durch ihre Bezeichnung als Kunstprodukte gekennzeichnet werden. Der Hersteller der beanstandeten Limonade erklärte, er habe das Rezept dazu von seinem Vorgänger übernommen, der seit beinahe 20 Jahren nach demselben Brauselimonade hergestellt habe, es bestehe aus einer mit Teerfarbstoff gefärbten Essenz und sei nur unter dem Namen rote Brauselimonade verkauft und in den Büchern geführt worden.. Da sich letztere Angaben bestätigten, erzielte er seine Freisprechung. Der Schankwirt, welcher die rote Brause von ihm gekauft und als Himbeer-Limonade wieder verkaufte, hatte sich strafbar gemacht.