Gubener Zeitung

Die Gubener Zeitung, von 1871 bis 1944 kann auf Rollfilm in den Räumlichkeiten der Stadtbibliothek Guben eingesehen werden.

1913

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1. Oktober 1913

Die neue Orgel in der Stadt- und Hauptkirche. Der Bau unserer neuen Orgel wird morgen vollendet sein und unsere Stadt gelangt damit in den Besitz eines neuen Kunstwerkes. Die moderne Technik hat ja schon vor Jahren auch in unserer Kirche ihren Einzug gehalten. Die Zeit, wo jeder dort sein „eigenes Licht“ leuchten ließ oder einen mit heißen Steinen beschwerten Fußsack nach der Kirche schleppte, sind längst vorüber. Unsere alte Orgel war – wenn man der Zeit gedenkt, wo der Organist mit Fäusten und Ellenbogen „die Orgel schlagen“ mußte -  immerhin schon ein Werk  neuerer Konstruktion, aber die rapiden Fortschritte der Orgelbaukunst gerade in den letzten 15 Jahren ließen sie ganz unmodern erscheinen, ganz abgesehen davon, daß ihr ein drittes Manual fehlte oder die Untertasten noch schwarz und die Obertasten weiß waren und immerhin noch eine bedeutende Kraftanstrengung erforderlich war, um eine größere Komposition darauf zu spielen.. Die kirchlichen Körperschaften haben sich in dankenswerter Weise schnell entschlossen, eine neue Orgel zu bauen und diese im Jubiläumsjahr unserer Kaisers der Gemeinde als Geschenk und Erinnerungszeichen zu übergeben. Der Bau ist dem Orgelbaumeister Herrn G. Heinze in Sorau übertragen, und das neue Werk soll den Beweis erbringen, daß Herr Heinze etwas Hervorragendes zu leisten imstande ist. … [Es folgt eine Beschreibung der Orgel.]


2. Oktober 1913


3. Oktober 1913

Wackel- und Schiebetänze. Wie wir vor kurzem mitteilten, hat das hiesige Amtsgericht einem Paar, das die unanständigen Wackel- und Schiebetänze tanzte, eine empfindliche Strafe auferlegt. In der gestrigen Sitzung des Schöffengerichts ist nun eine weitere Bestrafung erfolgt. Es hatten sich der 18jährige Klempnergeselle Fritz W. und die 20jährige Arbeiterin Hedwig B., beide aus Guben, zu verantworten, am 12. Mai in einem hiesigen Berglokale gemeinschaftlich durch unsittliche Handlungen Aergernis erregt zu haben. W. hatte sich auch noch einen falschen Namen beigelegt. Die Oeffentlichkeit war während der Verhandlung ausgeschlossen. Zwei Polizeisergeanten waren an dem genannten Tage mit der Kontrolle der Lokale beauftragt worden. Die Beamten sahen, wie die Angeklagten in auffallend unpassender Weise auftraten, worüber einige anwesende Gäste in unverblümter Weise ihr Mißfallen aussprachen. Die Beamten schritten sogleich ein und als ein Polizeisergeant nach seinem Namen frug, nannte er sich Tischlergeselle Fritz Thiele. W. entschuldigt sich nun mit Trunkenheit. Die B. will den Tanz noch nie getanzt haben. Als sie gewahr wurde, was ihr Tänzer beabsichtigte, wollte sie aufhören. Nach der Beweisaufnahme hielt der Amtsanwalt beide für schuldig, durch unzüchtige Handlungen ein öffentliches Aergernis erregt zu haben. W. sei nicht betrunken gewesen und sein Verhalten war besonders unschicklich. Er beantragte gegen W. 2 Wochen Gefängnis und wegen Beilegung eines falschen Namens 5 M Geldstrafe, gegen die B. eine Geldstrafe von 20 M. Der Gerichtshof verurteilte W. wegen eines Sittlichkeitsvergehens zu 30 M, wegen Beilegung eines falschen Namens zu 5 M Geldstrafe; die B. wurde nach dem Antrage ihres Verteidigers freigesprochen.  – Werden nun die Wackel- und Schiebetänze aus den hiesigen Tanzlokalen verschwinden?


5. Oktober 1913

Einführung des Predigers der Brüdergemeinde. Gestern abend fand in dem freundlichen, festlich geschmückten Betsaal der Brüdergemeinde alte Poststr. 59, der seit kurzem mit elektrischer Beleuchtung versehen worden ist, die Einführung und Begrüßung des neuen Predigers P. Bettermann statt. Fast alle Mitglieder und einige Freunde hatten sich dazu eingefunden. Am Sonntag vormittag hält der Genannte seine Antrittspredigt. Die Gottesdienste sind öffentlich, also für jedermann zugänglich. Die Brüdergemeinde ist schon länger als 1 1/2 Jahrhundert in Guben vertreten. Wenn ihre Mitgliederzahl klein bleibt, so ist das darauf zurückzuführen, daß sie grundsätzlich nie Propaganda betrieben hat, sondern immer nur als eine alte, freie, selbständige kleine Kirche neben den Landeskirchen, Sekten und Gemeinschaften und Hand in Hand mit ihnen der Reichsgottesarbeit dienen will, wo sich immer Gelegenheit dazu bietet.


12. Oktober 1913


18. Oktober 1913


25. Oktober 1913

Weitere Bestrafungen für unsittliches Tanzen. Den Wackel- und Schiebetänzern und –Tänzerinnen kann wieder ein Urteil des hiesigen Schöffengerichts als Warnung angeführt werden, das in der letzten Sitzung gefällt wurde und mit Befriedigung von allen denen  aufgenommen werden dürfte, die in jenen verdrehten Rumpfbewegungen importierter Modetänze eine widerliche Entartung der Tanzkunst erblicken. Bei den bisherigen Verurteilungen waren schon stets Personen von außerhalb dabei und bei der letzten Verhandlung handelte es sich wieder neben dem Hutarbeiter Kurt Kr. aus Guben um einen Fadenanleger Eduard Steffen aus Forst. Die Anklage war auf Grund des § 183 (Wer durch eine unzüchtige Handlung öffentlich ein Aergernis gibt, wird mit Gefängnis bis zu  zwei Jahren oder mit Geldstrafe bis zu 500 M bestraft. Neben der Gefängnisstrafe kann auf Verlust der bürgerlichen Ehrenrechte erkannt werden) erhoben worden und die Verhandlung fand am Mittwoch unter Ausschluß der Öffentlichkeit statt. Der Amtsanwalt beantragte gegen jeden Angeklagten 50 M Geldstrafe und der Gerichtshof erkannte wie beantragt. Die Strafe wurde deswegen so hoch bemessen, weil trotz des in den Tanzlokalen angeschlagenen Verbots und der bisherigen Strafe von 30 M immer wieder Tänzer und Tänzerinnen in die geschmackloseste aller Tanzarten verfallen. Leider hat ein Zeuge in dieser Verhandlung noch den Mut gefunden, diese Sorte von Großstadttänzen zu verteidigen und in ihnen einen modernen Zug der Zeit in der Tanzkunst zu erblicken. – O sancta simplicitas! [O heilige Einfalt].


29. Oktober 1913

Anlage der Wasserleitung in der Kupferhammerstraße. In der kommenden Stadtverordneten-Sitzung am Freitag kommt u.a. die Anlage der Wasserleitung in der Kupferhammerstraße zur Beratung. Es hat sich, wie der Magistrat in er Vorlage bemerkt, aus wirtschaftlichen und hygienischen Gründen die Notwendigkeit herausgestellt, in die Kupferhammerstraße Wasserleitung zu legen und auch die Anwohner der Straße haben sich mit der Bitte um Legung der Leitung an den Magistrat gewandt…. Die Leitung wird in der Weise verlegt werden, daß sie in der Grünstraße an die dort bereits vorhandene Wasserleitung angeschlossen und dann den Verbindungsweg zwischen der früher Adersschen Schneidemühle und an der Bahn entlang durch die Cottbuser Straße und Kupferhammerstraße geführt wird.


31. Oktober 1913

Oktoberfrühling. Kurz vor seinem Scheiden hat uns der Oktober noch eine Wärme gebracht, die angesichts der weitvorgeschrittenen Jahreszeit vollkommen anormal ist, und die uns an der Schwelle des Spätherbstes nochmals einen Frühling vortäuscht. Seit dem Ende der vorigen Woche sind fast im ganzen Lande die Temperaturen ungemein hoch empor gestiegen und haben tagsüber fast überall

15 Grad Wärme überschritten, zum Teil sogar 20 Grad und mehr erreicht…