1913
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7. September 1913
Der Brunnen an der Außenfront des Museums ist nunmehr fertiggestellt und heute in Tätigkeit gesetzt worden. Aus der barockalen, mit einem kunstgeschmiedeten Eisengitter gezierten Brunnenschale aus Muschelkalk erhebt sich ein Natur-Steinsockel mit kupfernen Wasserspeiern. Ihn krönt in reizvoller Linie und Form ein kleiner Bronzeknabe, in jeder Hand einen wasserspeienden Fisch hochhaltend. Schöpfer dieser lebensvollen Figur ist ein junger Münchener Künstler, der Bildhauer Rudolf Henn, der bereits mehrfach mit Preisen ausgezeichnet ist. Auch dieses sein jüngstes Werk, das den Vergleich mit den besten Darstellungen des kindlichen Körpers nicht zu scheuen braucht, zeigt von neuem seine hohe künstlerische Begabung und ein den Stoff in vollendeter Meisterschaft beherrschendes Können. Herrn Kommerzienrat Wolf, dem Stifter des Museums und des Brunnens , gebührt aufs neue Dank, mit diesem Kunstwerk seiner Stiftung jetzt die Vollendung gegeben und das Stadtbild um eine weitere Zierde bereichert zu haben. Wie die Nürnberger ihr „Gänsemännchen“, so werden die Gubener das neue „Fischmännchen“ lieb gewinnen und es mit zu den heimatlichen Wahrzeichen zählen, die man dem Fremden zeigt und auf die man mit Recht stolz ist.
14. September 1913
Gasbeleuchtung Die seit dem Frühjahr d. J. hier eingerichtete Gaslaternenfernzündung hat sich bis jetzt gut bewährt. Das Zünden und Löschen erfolgt durch eine kurze Gasdruck-erhöhung von der Gasanstalt aus und nimmt für sämtliche Laternen gleichzeitig ungefähr 2 Minuten in Anspruch. Hierbei ist es unvermeidlich, daß sich bei den Konsumenten eine vorübergehende Druckschwankung an den Stellen, wo Störungen an den Gaszuführungsrohren vorhanden, oder wo die Brenner nicht in Ordnung sind, unangenehm bemerkbar macht, was zuweilen zu Klagen über schlechtes Brennen Veranlassung gibt. Die Gasanstalt ist z. Zt. Im Begriff, durch umfangreiche Erweiterung des Gasrohrnetzes Abhilfe hiergegen zu schaffen. Eine durchgreifende Wirkung dieser Arbeiten kann jedoch nur dann gewährleistet werden, wenn die Konsumenten bei Störungen oben genannter Art möglichst sofort die Gasanstaltsverwaltung schriftlich in Kenntnis setzen, damit diese dann das weitere veranlassen kann.
16. September 1913
Das diesjährige Dauerwettrudern des Gubener Ruderclubs fand gestern unter großer Beteiligung seiner Mitglieder statt. Wie in den früheren Jahren, so war auch diesmal wieder ein Vierer des Turnerbund Gymnasium am Start erschienen, während der G.R.C. zu diesem Rennen 2 Gigvierer ins Wasser gebracht hatte. Die 6000 m lange Rennstrecke wurde von einem Boote der G.R.C. in der Besetzung Klocke, Strafe, Stockfisch, Hefter (am Schlag) und O. Hartmann (am Steuer) in der kurzen Zeit von 33 Min, 56 2/5 Sek. durchfahren. Nicht minder interessant gestaltete sich am Nachmittage das Dauerwettrudern im Skullboot. Zu diesem Rennen hatten sich nur Mannschaften der Gubener Ruder-Clubs gemeldet. Die Rennstrecke war die gleiche wie am Vormittage, 3000 m stromab und 3000m stromauf. Sieger dieses Rennens wurde der Doppelzweier „Blitz“, in der Besetzung: Hefter, John, am Steuer P. Hartmann, in der Zeit von 39 Min. 56 Sek. Die Preisverteilung fand, verbunden mit einem Tanzkränzchen, im Saale der Loge statt.
17. September 1913
Ein schweres Gewitter entlud sich gestern gegen Mitternacht über unserer Stadt. Nach einem drückend warmen Abend bedeckte sich der Himmel mit schwarzen Wolkenmassen. Bald nach 11 Uhr abends entlud sich das Gewitter mit furchtbarer Gewalt. Es schienen zwei Gewitter zu sein, das eine in östlicher, das andere in westlicher Richtung, die über dem Anger in der Werdervorstadt zusammenstießen. Zeitweise war das Firmament ein großes Flammenmeer. Unaufhörlich fuhren die Blitze in scharfem Zickzack hernieder und lösten krachende Donnerschläge aus. Leider wurde durch Blitzschlag mancherlei Schaden verursacht. Gleich zu Beginn des Gewitters fuhr der Blitz in das Grundstück des Gärtnereibesitzers Weber, jedoch ohne zu zünden. Wie die hinterlassenen Spuren ergaben, fuhr der Blitz in schräger Richtung durch die Giebelwand in den Bodenraum, durchschlug die Decke nach der Gehilfenstube, ohne die im Bett liegenden Leute zu verletzen, durchfuhr dann das erste Stockwerk, wobei die im Zimmer stehende Tischler-Ehefrau Gronau an der linken Seite vom Blitz berührt und an Hals, Schulter und Fuß verletzt wurde. Der Blitz durchschlug dann weiter die Decke zu der Weberschen Wohnung im Erdgeschoß, wo er den Verputz losriß und fuhr dann an der Gasleitung entlang in die Erde.
Die Imker klagen über außergewöhnlich schlechte Honigerträge. Auf manchen Bienenständen ist die Ernte gleich Null. Die Bienenvölker müssen ausnahmslos stark aufgefüttert werden, sollen sie den Winter gut überstehen. Ohne Zweifel hat die Beschädigung der Blütenknospe durch die starken Spätfröste auf die Nektarentwicklung einen großen Einfluß ausgeübt. Hierdurch ist auch wohl das Massensterben der Bienen im Frühjahr zu erklären. Dieses wird in Fachkreisen auf die nicht normale Blütennahrung zurückgeführt. Auch die Vermehrung der Bienenvölker war in diesem Jahre ganz gering. Sie wurde auch der schlechten Trachtverhältnisse wegen von den Züchtern ungern gesehen. Wieder müssen sich die Bienenväter auf bessere Erträge im nächsten Jahre vertrösten.
19. September 1913
Das Milchhäuschen an der großen Neißebrücke wurde heute in Gegenwart der Herren Bürgermeister Sachse und Magistratsbaurat Römmler durch die Vertreter des Gemeinnützigen Vereins für Milchausschank in Berlin von der Bauleitung abgenommen und dem öffentlichen Verkehr übergeben. Wie wir bereits mitgeteilt haben, wird darin im Interesse der allgemeinen Volksgesundheit Vollmilch, Buttermilch, Kaffeemilch und Kakao zu außerordentlich niederen Preisen verabfolgt. Dazu gibt es gleichfalls gegen geringes Entgelt, Bielefelder „Knusperchen“ und sonstiges Backwerk. Da man niemals Milch in einen leeren Magen bringen soll, so empfiehlt es sich, zu der Milch etwas Backwerk zu essen. Zur Anleitung der mit dem Milchausschank betrauten Mädchen ist Frau Gerken-Leitgebel, Vorstands- und Aufsichtsdame des Gemeinnützigen Vereins für Milchausschank in Berlin, hier anwesend. Die gemeinnützige Einrichtung fand bereits am ersten Tag der Eröffnung großen Zuspruch. Das Milchhäuschen wird bereits von 6 Uhr morgens ab geöffnet sein.
26. September 1913
Eine empfindliche Strafe für Wackel- und Schiebetänzer Von allen Unsitten der Großstadt, die sich nach der Provinz verpflanzen, sind die in letzter Zeit viel genannten Wackel- und Schiebetänze das häßlichste, was je seinen Ausgang aus der Großstadt nahm. Ursprünglich glaubte man es mit einer vorübergehenden Erscheinung zu tun zu haben, nachgerade ist dieses Treiben aber zu einem allgemeinen Aergernis ausgewachsen, das zu beseitigen nicht nur die Polizei unternommen hat, sondern auch die Saalbesitzer als ihre Aufgabe betrachten. Da die genannten Tänze ausarteten, ließ die Polizei in allen Lokalen Plakate anbringen, laut denen die geschmacklose Tanzweise verboten und jede Uebertretung mit Strafe bedroht wurde. Es gab aber noch immer Tänzer und Tänzerinnen, welche an diesem Auswuchs der Tanzsitte Gefallen fanden, und so sah sich die Polizei genötigt, dem Uebel einmal energisch zu Leibe zu gehen, in den Sälen Razzia zu halten und die Uebertreter des Verbots wegen Erregung öffentlichen Aergernisses zur Anzeige zu bringen. Gestern hatten sich nun unter der Anklage, ein öffentliches Aergernis erregt und groben Unfug verübt zu haben, vor dem hiesigen Schöpffengericht der 21jährige, noch unbestrafte Dentist Wilhelm Sch. Aus Crossen a.O. und die 19jährige Weberin Margarete G. aus Guben zu verantworten, da sie in einem hiesigen Lokal den Wackel- und Schiebetanz tanzten. Die Oeffentlichkeit war während der Verhandlung ausgeschlossen. Sch. hat, wie er angab, den Tanz wiederholt getanzt, ohne daß jemand Anstand daran genommen hätte; er gab aber zu, daß der Tanz gegen die gute Sitte verstoße. Die G. wollte nichts Unpassendes dabei gefunden haben; die jungen Mädchen, die ihn nicht mittanzten, blieben als „Mauerblümchen“ sitzen. Durch die Zeugen wurde bekundet, daß gerade dieses Paar es besonders schlimm trieb. Der Amtsanwalt beantragte gegen Sch. zwei Wochen Gefängnis und gegen die G. 25 M. Geldstrafe. Der Gerichtshof erkannte jedoch wegen Erregung öffentlichen Aergernisses bezw. wegen Verstoßes gegen die guten Sitten gegen Sch. nur auf 80 M, gegen die G. auf 15 M Geldstrafe oder für je 5 M einen Tag Gefängnis. – Es stehen noch weitere Fälle zur Aburteilung. Hoffentlich lassen sich alle Tänzer und Tänzerinnen das Urteil zur Warnung dienen und unterlassen diese unanständige Tanzweise. Die Kontrolle wird nach wie vor streng geübt.