Gubener Zeitung

Die Gubener Zeitung, von 1871 bis 1944 kann auf Rollfilm in den Räumlichkeiten der Stadtbibliothek Guben eingesehen werden.

1913

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1. Mai 1913


4. Mai 1913

Hitze und Abkühlung

Die letzten acht Tage brachten ganz Mitteleuropa eine um diese Jahreszeit nie zuvor beobachtete Hitze. Die Temperaturen erreichten Rekordwerte:  der allgemeine Witterungscharakter glich, obwohl es sich erst um das Aprilende handelte, vollkommen den Hundstagen. Erst am Schluß der Woche brachten zahlreiche Gewitter und ein Windwechsel den Umschlag zu kühlerem und der Jahreszeit entsprechendem Wetter. Das zurzeit von Südwesteuropa nordostwärts vordringende Maximum scheint nur langsam an Gebiet zu gewinnen, da das alte Hoch über Finnland und Lappland einstweilen nicht erheblich zurückgewichen ist. Das kühle, trübe und zu Niederschlägen neigende Wetter dürfte daher, namentlich im östlichen Mitteleuropa, einstweilen fortdauern.


14. Mai 1913

Die Pfingstfeiertage haben glücklicherweise keine Enttäuschung gebracht. War es auch nicht übermäßig warm, so war der Aufenthalt in den Gartenlokalen doch zu ertragen. Vor allem war das Wetter zum „fröhlichen Wandern“ wie geschaffen. Tausende nutzten die Tage denn auch aus, um den Frühling in Gottes freier Natur zu genießen. Der Eisenbahnverkehr war am Sonnabend ein sehr bedeutender. Züge zu den Hauptverkehrszeiten führten Vorzüge, so daß sich der Verkehr, trotz des großen Andranges, ohne oder nur mit unwesentlichen Verspätungen abwickelte. Zahlreiche fremde und einheimische Spaziergänger ergingen sich in unseren Bergen und hielten bei den Bergwirten angenehme Rast. In den Lokalen der inneren Stadt herrschte ebenfalls zur Befriedigung der Besitzer ein lebhafter Verkehr. So dürften die Feiertage die auf sie gesetzten Hoffnungen in jeder Weise erfüllt haben.

Tanzunsitte Bereits anfangs vorigen Jahres machte sich in den hiesigen Lokalen die Unsitte breit, beim Tanzen zu wackeln, zu schieben und zu tunken. Dieser Umstand veranlaßte die Polizei, in sämtlichen Tanzsälen eine Anordnung  auszuhängen, nach der der sog. Apachentanz, sowie das Schieben und Tunken verboten und jede Zuwiderhandlung auf Grund des § 183 des R.-Str.-G. wegen Erregung öffentlichen Aergernisses gerichtlich bestraft wird. Eine zeitlang haben die Wirte  acht gegeben und dieses unsittliche Tanzen nicht gestattet. In letzter Zeit sind aber wieder vielfach Klagen laut geworden, daß fast in sämtlichen, namentlich aber in größeren Sälen, die verbotenen Tänze getanzt werden. Eine scharfe Kontrolle der Säle hat gestern zahlreiche Personen abgefaßt, die mit ihrem Tanzen Anstoß erregten; gegen sie ist nach § 183 Bestrafung beantragt  worden. Bei dieser Gelegenheit haben die aufsichtführenden Organe auch Personen – vorwiegend Mädchen – unter 16 Jahren in Tanzsälen wahrgenommen. Eltern und Wirte sind zur Anzeige gebracht worden.


16. Mai 1913

Das Vermögen der Stadt Guben Am Schlusse des Etatsjahres 1911 verfügte die Stadt Guben über 13 940 206, 80 M, welcher Betrag sich aus Grundstücken einschl. Mobiliar, Kapitalvermögen, Stiftungs- und Dispositionsvermögen und aus den baren Kassenbeständen zusammensetzt. Dem Vermögensbetrag stehen 4 892 270, 64 M Schulden gegenüber, bestehend aus Kapitalschulden, jährlichen Leistungen und Vorschüssen. Der Abschluß ergibt für die Stadt Guben ein Reinvermögen von 9 047 936,16 M.


17. Mai 1913

Ein Ehedrama hat sich, wie uns drahtlich gemeldet wird, in dem benachbarten Horno in vergangener Nacht abgespielt, bei dem der Zimmermann Karl Hatke seine Ehefrau ermordete. Wie wir weiter hören, hat sich der Staatsanwalt und die Gerichtskommission bereits an den Tatort begeben. Nähere Nachrichten über den Vorfall liegen noch nicht vor.


18. Mai 1913

Die am Donnerstag nächster Woche stattfindende Stadtverordneten-Versammlung bittet der Magistrat um Zustimmung zu folgendem Beschluß: Das von dem Fabrikbesitzer Max Wilke der Stadt geschenkte Villengrundstück Bahnhofstraße Nr. 35 wird der Jugendfürsorge zur Verfügung gestellt, das Haus mit einer neuen Zentralheizung versehen und im übrigen nach den Vorschlägen des Stadtbauamts baulich hergerichtet. Die hierfür und für die innere Ausstattung im Anschlage des Bauamts auf insgesamt 9660 M berechneten Kosten werden aus dem von Herrn Wilke hierfür bereitgestellten Kapital von 10 000 M gedeckt. Das so hergerichtete Grundstück wird dem städtischen Ortsausschuß für Jugendpflege überwiesen, der daselbst den Betrieb eines Jugendklubs für schulentlassene junge Leute männlichen Geschlechts organisiert.


20. Mai 1913

Gattenmord in Horno Wie wir gestern bereits berichten konnten, hat sich in Horno bei Briesnigk eine schwere Bluttat zugetragen. Der Zimmermann Karl Hapke drang morgens gegen 6 Uhr in die Wohnung seiner von ihm getrennt lebenden Ehefrau  und stach mit einem großen Schlachtmesser auf die Frau ein. Mit drei Stößen  in der Brust sank sie tot nieder.  Drei Männer, die im Hause wohnen, hatten sich bereits an ihre Arbeitsstellen begeben, sodaß die Frau schutzlos war. Der Mörder flüchtete. Mit Hilfe des herbeigerufenen Bezirksgendarms ergriff man ihn an der Neiße. Der Grund zu der Tat ist Zwist der Eheleute, hervorgerufen durch  überreichen Alkoholgenuß des Ehemannes. Schon am Donnerstag soll der Mörder Drohungen gegen sein Opfer ausgestoßen haben. Die Leute befinden sich im vorgeschrittenen Alter. Hapke ist etwa 62 Jahre alt. – Vor einem Vierteljahr haben sich Mann und Frau getrennt. Die Frau fand Aufnahme in dem Hause ihres im Orte verheirateten Sohnes, der ebenfalls Zimmermann ist. Als sich der Sohn  gestern früh mit den anderen männlichen Bewohnern des Hauses zur Arbeit begeben hatte, drang Hapke in die Wohnung, nachdem er die Scheibe einer Glastür zertrümmert und dann die verschlossen gewesene  Tür geöffnet hatte. Die allein anwesende Frau wollte flüchten; es gelang ihr nicht. Der Mörder stürzte sich mit dem gezückten Messer auf sie und vollbrachte die schreckliche Tat, bei der die Enkel des Ehepaares zugegen waren. – Die Untersuchung über die scheußliche Tat ist von der Königlichen Staatsanwaltschaft eingeleitet.

Orgelweihe in der Klosterkirche Am gestrigen Trinitatisfeste wurde die Weihe der neuen Orgel, deren Bau der Firma Heinze in Sorau übertragen war, durch Herrn Superintendent Mueller aus Fürstenberg a. O. vollzogen. Mit der Motette : „Jauchzet dem Herrn“, gesungen von einem Männerchor, den Herr Kantor Klinkott zusammengestellt hatte, begann die Feier. In einer Weiherede gedachte Herr Superintendent  Mueller der langen Jahre, in denen die alte Orgel die Gemeinde so oft durch ihre Klänge erbaute und daß nun das neue  Werk zur Verschönerung des Gottesdienstes dienen soll. Leise setzte dann die Orgel ein, die unter dem Spiel des Herrn Kantors Klinkott ihre schöne Klangwirkung in allen Registern erkennen ließ. Während der Liturgie erklangen noch mehrere Chorgesänge, worauf der Pfarrverweser Archidiakonus  Hildenhagen die Predigt hielt. – Die endgültige Abnahme des Werkes erfolgt in den nächsten Tagen.


22. Mai 1913

Dienstautomobil für die städtische Verwaltung  Die Deputation für die städtischen Werke hat sich wiederholt mit der Anschaffung eines Dienstautomobils für das Gas- und Wasserwerk beschäftigt und hat sich jetzt einstimmig für die Beschaffung ausgesprochen. Demzufolge hat der Magistrat der Stadtverordneten-Versammlung  eine Vorlage zugehen lassen, in der um Zustimmung zu der Anschaffung gebeten wird. Das Auto soll in der Hauptsache dem Leiter der städtischen Werke dienen; derselbe ist notorisch für den Außendienst durch die Aufsichtstätigkeit , eilige Reparaturen und andere Maßnahmen tagtäglich in den verschiedensten Stadtteilen so in Anspruch genommen, daß er diese Tätigkeit ohne ein schnelles Beförderungsmittel – als solches kann nur ein Auto in Betracht kommen – nicht mehr ordnungsmäßig ausüben kann, ohne den Innendienst der städtischen Werke zu gefährden. Aber auch in der städtischen Verwaltung wird das Auto für eilige  Besichtigungen der Magistratsmitglieder  sehr oft gebraucht werden. Privatautos sind nicht immer zu haben, und es sind dadurch wiederholt unliebsame Verzögerungen entstanden. Bezüglich der Tätigkeit des Leiters der städtischen Werke wird noch bemerkt, daß die von einer Seite angeregte Anstellung eines besonderen Technikers zur Entlastung des Leiters zwar wünschenswert erscheint, trotzdem aber die Anschaffung des Autos nicht ausschließt, da es unbedingt im Interesse  der Sache liegt, daß Herr Direktor Bachmeyer persönlich seine Aufsichtstätigkeit ausübt. Der Magistrat ist dem Beschluß der Deputation beigetreten und beantragt nach eingehender Prüfung der eingegangenen Offerten, die Beschaffung eines Dienstautomobils von der Firma Opel zum Preise von 5383 m zu beschließen. Die Mittel sind aus dem Reservefonds der Gasanstalt zu entnehmen. Die Kosten der Inbetriebhaltungmit jährlich rund 2500 m sind für das laufende Etatsjahr auf die Ueberschüsse der städtischen Werke zu verrechnen.


23. Mai 1913

Kinderwagensteuer Eine Kinderwagensteuer von 1,50 M für jeden Wagen hat die Stadt Spandau eingeführt, und damit vielfach recht herbe Kritik gefunden. Man sagt allgemein, daß eine solche Steuer in höchstem Maße unsozial sei. Umso bedenklicher ist die Kinderwagensteuer, als die Aerzte heute allgemein empfehlen, die Säuglinge in Ruhelage auszuführen, da das Tragen auf dem Arme für den zarten Körper ungesund sei. Mehr denn je ist heute also der Kinderwagen von Wert.


25. Mai 1913

Gegen die Ausartung des Tanzes haben die hiesigen Saalinhaber in einer Versammlung am Donnerstag, zu der alle Besitzer von Tanzsälen erschienen waren, Stellung genommen. Man war einmütig der Ansicht, daß dem überhandnehmenden Tanzunfug entgegen gesteuert werden müsse und da die Polizeiorgane neuerdings eine strenge Kontrolle ausüben und alle Tänzer und Tänzerinnen, die wackeln, schieben und tunken, wegen Erregung öffentlichen Aergernisses zur Anzeige bringen, wurde beschlossen, die Polizei zu unterstützen und streng auf Ordnung zu halten. Sämtliche Saalinhaber haben sich zur Ausführung dieses Beschlusses unterschriftlich verpflichtet. – Notwendig wird es ferner sein, daß künftig die Zensur dafür sorgt, daß diese unästhetischen Tänze auch von der Bühne verschwinden, denn solange derartige Tanzmanieren aus den neueren und neuesten Operetten im Theater geduldet werden, wird es immer Nachahmer dieser Schiebetänze geben. Leider sieht man auch neuerdings bei Festlichkeiten geschlossener Gesellschaften, daß nicht immer einwandfrei getanzt wird. Also auch hier ist Aufmerksamkeit durchaus am Platze.


29. Mai 1913

Welch ausgezeichneten Rufes sich das Gubener Gemüse erfreut, geht daraus hervor, daß es, wie uns mitgeteilt wird, auch zu dem Hochzeitsmahl im Kaiserhause Verwendung gefunden hat.


31. Mai 1913

Das lenkbare Luftschiff Schütte-Lanz Nr. 1 über Guben  Ein seltenes Schauspiel der Lüfte wurde uns heute morgen nach 8 Uhr geboten.  Aus Cottbus wurde uns von befreundeter Seite zwischen ½ und ¾ 8 Uhr die telephonische Meldung gemacht, daß das Luftschiff um 7 Uhr 30 Min. die Stadt Cottbus in rascher Fahrt passiert habe und in der Richtung Guben weiter gefahren sei. Ehe nun die Einwohnerschaft in geeigneter Weise in Kenntnis gesetzt werden konnte, wurde der Luftkreuzer am Horizont zwischen Kaltenborn und Sprucke sichtbar und steuerte bei mäßiger Höhe in schneller Fahrt auf Guben zu. Nachdem es die ersten Häuser unter sich hatte, verlangsamte das stolze Luftschiff das Fahrttempo und fuhr in majestätischer Ruhe über die Stadt dahin. Hinter dem Turm der Stadt- und Hauptkirche machte es eine Drehung nach links im rechten Winkel und fuhr nordöstlich in der Richtung Fürstenberg davon. Leider hat nur ein Teil der Einwohnerschaft das Luftfahrzeug, das deutlich in allen Teilen erkennbar war, und dessen Propeller laut und sichtbar surrten, zu sehen bekommen. Es wäre dankbar anerkannt worden, wenn die Stadt vorher Nachricht von dem Eintreffen eines Luftkreuzers erhalten hätte. Ueber den Verlauf der Fahrt haben wir folgende  Telegramme erhalten: Berlin, 30. Mai. Das Luftschiff Schütte-Lanz 1 stieg heute früh zwischen 6-7 Uhr unter Führung des Hauptmanns Zech zu einer Fahrt über Lübben, Cottbus, Guben, Frankfurt a. O., Berlin auf. Cottbus, 30. Mai. Das Luftschiff S.L. 1 stattete heute  vormittag um 7 Uhr 30 Min. unserer Stadt einen unerwarteten Besuch ab. Es bewegte sich in etwa 150 Meter Höhe, sodaß das Fahrzeug deutlich zu erkennen war. An der Spitze konnte man die in fetter Schrift gehaltenen  Buchstaben S. L. 1 deutlich erkennen. In wenigen Minuten war das Luftschiff, das sich in westlicher Richtung bewegte, den Blicken der Zuschauer entschwunden. Wellmitz, 30. Mai. Um 8 Uhr 19 Min ist hier das Luftschiff S. L. 1 gesichtet worden. Fürstenberg a. O., 30. Mai. Gegen ½ 9 traf hier der Luftkreuzer S. L. 1 ein und fuhr, nachdem er unsere Stadt überflogen hatte, in der Richtung nach Frankfurt a. O. weiter.   Berlin, 30. Mai. Das Luftschiff S. L. 1 ist gegen 10 Uhr von seiner Fahrt zurückgekehrt. Es stand während derselben dauernd mit der Luftschiffhalle in Lichtenberg in Verbindung.