1914
Januar Februar März April Mai Juni Juli August September Oktober November Dezember1. April 1914
Das fünfzigjährige Amtsjubiläum. Eine fünfzigjährige Jubelfeier ist zu unserer Zeit in den Berufszweigen mit akademischer Vorbildung eine große Seltenheit geworden: Das Studium und der Vorbereitungsdienst nehmen eine längere Reihe von Jahren in Anspruch. Die seltene und schöne Feier ist nur dem beschieden, der seinen Universitätsbesuch rechtzeitig hat abschließen und sein Amt sehr früh hat antreten können und der imstande gewesen ist, es mit körperlicher Kraft und geistiger Frische bis in ein höheres Lebensalter zu führen. Beides trifft bei unserem Jubilar, dem Herrn Geheimen Rat Dr. Hamdorff zu... [Es folgt ein umfangreicher Text, der die Verdienste würdigt.]
Stadttheater in Guben. Zum letzten Male senkte sich gestern abend der Vorhang in der diesjährigen Schauspielsaison, die mancherlei Änderungen im hiesigen Theaterwesen brachte. Der Abschluß war vom ernsten künstlerischen Anspruch aus durch die Aufführung von Ibsens „Volksfeind“ ein ebenso würdiger, wie der Anfang mit Shakespeares reizvollem Lustspiel „Viel Lärm um nichts“ vielversprechend war. Der Unterschied lag nur darin, daß der erste Abend ein volles Haus, der letzte nur ein mäßig besetztes zeigte. Im Großen und Ganzen hat das erste Genossenschaftstheater, dessen Verwirklichung in den Reihen der Genossenschaft deutscher Bühnenangehöriger große Freude ausgelöst hat, in der ersten Etappe seines Bestehens das gehalten, was es versprochen hat. Das Repertoire trug jedem Geschmack Rechnung, aber in dem Besuch der einzelnen Vorstellungen trat die Neigung des Publikums eklatant in die Erscheinung. Nicht die sorgfältig vorbereiteten klassischen Werke und die Neueinstudierungen geistvoller älterer und neuerer Autoren zeigten den gewünschten Zudrang, sondern oberflächliche Erzeugnisse, die auf literarischen Wert keinen oder wenig Anspruch machen können, erwiesen sich als „Zug- und Kassenstücke“. In der letzten Saison unter Herrn Direktor Hänseler war die abgeschmackte Posse „Autoliebchen“ das sogenannte Kassenstück, in der gegenwärtigen Saison konnte jene Durchschnittsarbeit der Possenproduktion „Wie einst im Mai“ - sage und schreibe - 11 Aufführungen erleben! Eine derartige Verflachung des Geschmacks ist bedauerlich...
5. April 1914
7. April 1914
Milchfälschung! In der letzten Sitzung des Schöffengerichtes wurde schon wieder einmal eine Milchfälscherin – die Ehefrau eines Gemeindevorstehers aus der Umgegend - zu einer Geldstrafe von 50 M verurteilt. Nach dem Gutachten des Schlachthofdirektors Burggraf hier hatte sie die Abendmilch erheblich abgerahmt und diese Magermilch der frisch gemolkenen Morgenmilch zugesetzt und damit auch die sonst gute Morgenmilch in ihrer Qualität erheblich verschlechtert. Das abgeschöpfte Fett der Abendmilch hatte sie für sich behalten, im Hause verwendet und zu Butter verarbeitet. Von dem vorhandenen Milchgemisch lieferte sie dann die eine Hälfte als Abendmilch und die andere Hälfte als Morgenmilch an eine hiesige Milchhandlung und brachte so diese in die Gefahr einer unreellen Geschäftsführung, da sie die Milch als Vollmilch guter Beschaffenheit ablieferte. Für eine Wiederholung ihrer unreellen Handlungsweise wurde der Frau Gefängnisstrafe in Aussicht gestellt, da durch solche in der Säuerung vorgeschrittene Milch insbesondere Kinder in Gefahr von Magen- und Darmkrankheiten gebracht werden.
8. April 1914
15. April 1914
Ostertage voll Sonnenglanz und Lenzesduft – entgegen den düsteren Prophezeihungen unserer Wetterpropheten, die für Ostern trübes, graues Regenwetter voraussagten…
25. April 1914
Großfeuer. Nachdem erst vor etwa drei Jahren die Strumpfwarenfabrik von Gustav Linke, Crossener Str. 8, von einem Großfeuer heimgesucht worden war, das einen erheblichen Schaden verursachte, wurde die neuerbaute und neueingerichtete Fabrik heute morgen wieder ein Raub der Flammen. Da gegenwärtig die Fabrikation vor ihrer Hochsaison steht, wurde in der Linke´schen Fabrik abends nachgearbeitet. Gestern abend 8 Uhr verließen die letzten Arbeiter die Fabrikräume, jedoch nicht, ohne die nötige Vorsicht außer acht zu lassen. Heute morgen gegen 5 Uhr wurde Herr Linke von Nachbarn geweckt, die ihm die Mitteilung machten, daß es in der Fabrik brenne. Es stellte sich heraus, daß das Feuer schon auf mehrere Räume übergegriffen hatte. Die sofort alarmierte Feuerwehr traf gegen 6 Uhr ein und gab aus mehreren Schlauchleitungen Wasser. Gegen 8 Uhr war die Gefahr beseitigt. Indessen hatte das Feuer fast alle Fabrik- und Lagerräume ergriffen und Maschinen und fertige Waren zerstört. Was nicht durch Feuer vernichtet wurde, litt Wasserschaden…
26. April 1914
28. April 1914
Die Baumblüte, die in diesem Jahre eine prächtige Entwicklung und selten reichen Blütenansatz zeigt, war gestern der Anziehungspunkt einer großen Zahl von Besuchern, die man auf mehrere Tausend schätzt. Der Verkehrsverein hatte in den letzten Tagen durch geeignete Reklame in den Zeitungen Stimmung für den Besuch gemacht. Schon die ersten Züge brachten Besucher, während der stärkste Verkehr um die Mittagszeit einsetzte. Aus allen Straßen strebte ein Menschenstrom den Bergen zu und wiederholt kam man in den Berggassen in „drangvoll fürchterliche Enge“…