1914
Januar Februar März April Mai Juni Juli August September Oktober November Dezember6. Oktober 1914
Wollsachen für unsere Soldaten sind jetzt dringendst nötig. Die Zentrale des Roten Kreuzes hat beschlossen, für 3 Bataillone Leibbinden, Socken und Pulswärmer fertig zu stellen. Die Schwierigkeit liegt nur in der knappen Zeit, da am 15. Oktober die Sendung ins Feld abgehen soll. Das können unsre arbeitslosen Frauen allein nicht bewältigen. Wir bitten alle Frauen und Mädchen, die gern helfen wollen, dringend, sich umgehend Wolle bei uns zu holen, um eine Woche lang tüchtig für unsere Tapferen zu stricken, damit recht viele durch diese Liebesgaben vor Kälte und Krankheiten geschützt werden. Ein Teil dieser Wollsachen soll auch auf dem Bahnhof zur Abgabe an unsere durchreisenden Truppen gelangen, da gerade die schon lange im Felde stehenden damit nicht genügend versehen sind. Im allgemeinen sollen sie zu dem üblichen Preise verkauft werden, in allen Fällen der Bedürftigkeit werden sie umsonst gegeben.
7. Oktober 1914
Behütet die Säuglinge. Viele Familien unserer Stadt sind in dieser ernsten großen Zeit der Ernährer beraubt. Das Vaterland rief sie zu den Waffen. Eine große Zahl von Müttern ist dadurch gezwungen, außerhalb des Hauses Arbeit anzunehmen. Eine jede Mutter, die genötigt ist außerhäuslich erwerbstätig zu sein, kann ihren Säugling in der Krippe des Säuglingsfürsorgeheims, Alte Poststraße 41a, tagsüber in Pflege geben. Das Säuglingsfürsorgeheim will helfen, den Müttern ihre Sorge abzunehmen und ihr Liebstes tagsüber behüten. Das Pflegegeld beträgt für die Dauer des Krieges pro Woche 2 M und ist jedesmal für eine Woche im voraus zu entrichten. Das Kind wird dafür täglich gebadet, mit der Wäsche des Heims gekleidet und erhält aus der Milchküche die vom Arzte vorgeschriebenen Tagesportionen. Nächstältere Geschwister im 2. und 3. Lebensjahre können mit aufgenommen werden; bei diesen stellt sich das Pflegegeld auch auf 2 M pro Woche. Die Kinder werden auch täglich gebadet und voll beköstigt. Für sorgfältige Wartung und Beköstigung ist gesorgt…
11. Oktober 1914
Ankunft neuer Gefangenen - gefaßter russischer Spion. Gestern abend sind wieder gegen 2000 russische Gefangene aus der Schlacht bei Suwalki nach dem Russenlager bei Guben gebracht worden. Unter diesen befand sich auch, wie sich später herausstellte, ein Spion, der nicht Soldat war, sondern als Knecht auf deutschen Gütern an der Grenze arbeitete. In dieser Eigenschaft beobachtete er die deutschen Truppenbewegungen und verriet sie dem Feinde. Der Bursche ist zur Untersuchung heute dem Gerichtsgefängnis zugeführt worden; er sieht in Kürze seiner Bestrafung entgegen.
13. Oktober 1914
Ein schwungvoller Handel scheint in Guben mit den Uniform-Achselklappen der russischen Gefangenen getrieben zu werden, wenigstens lassen die bei der Polizei erfolgten Meldungen, daß mehrere Personen im Besitz solcher Stücke sind, darauf schließen. Es sei darauf aufmerksam gemacht, daß der Vertrieb der Achselklappen recht gefährlich ist, da durch sie Krankheitskeime verschleppt werden können und das Ungeziefer verbreitet wird. Im übrigen wird festzustellen sein, wie diese Achselklappen überhaupt in die Hände der Privatpersonen kommen, da doch der Verkehr mit den russischen Gefangenen streng verboten ist.
23. Oktober 1914
Der Verkehr mit den Gefangenen. Der Königliche Landrat erläßt eine Bekanntmachung folgenden Inhalts: Es ist zu meiner Kenntnis gelangt, daß von Zivilpersonen der Versuch gemacht worden ist, den russischen Gefangenen im Lager von Groß Breesen nicht nur Lebensmittel und Tabak, sondern auch Bier und Zivilkleidungsstücke zuzustecken und zu verkaufen. Ich weise nochmals mit allem Nachdruck darauf hin, daß dem Publikum jeder Verkehr mit den Gefangenen streng untersagt ist. Ich erwarte von der Bevölkerung, daß sie einsichtig genug ist, dieses Verbot nicht zu übertreten, denn welche Gefahren für die Allgemeinheit daraus entstehen können, wenn die Gefangenen in den Besitz von alkoholhaltigen Getränken und von Zivilkleidern gelangen, bedarf keiner näheren Darlegung. Sollte trotz meiner heutigen Warnung wiederum der Versuch gemacht werden, mit den Gefangenen in Verbindung zu treten, so werde ich die Schuldigen sofort verhaften und bestrafen lassen, sowie ihre Namen öffentlich bekanntmachen.