1914
Januar Februar März April Mai Juni Juli August September Oktober November Dezember17. Februar 1914
Frühlingsahnen. Wie weit in diesem Jahre die Vegetation bereits fortgeschritten, zeigt ein Spaziergang über den alten Kirchhof: Schneeglöckchen und Krokus stecken überall die Köpfchen hervor und Meisen, Finken und Stare lassen bereits ihr Lied erschallen. Wenn nun auch nicht gesagt werden soll, daß der Winter endgültig vorüber ist, so ist es doch nicht ausgeschlossen, daß nach einem kurzen Nachwinter im März dauerns schönes Frühlingswetter eintritt, wie dies im Jahre 1869 der Fall war, wo bereits im April die ganze Baumblüte vorüber war und um den 20. Mai frühe Gubener Kirschen auf den Markt gebracht wurden.
Gr.-Gastrose, Anschaffung eines Leichenwagens. Einem seit langem fühlbaren Bedürfnis ist durch die hiesige Gemeinde abgeholfen worden. Da Gr.-Gastrose noch keinen eigenen Friedhof besitzt, sondern in Niemitzsch beerdigen muß, mußte bei Begräbnissen ein meist primitives Fuhrwerk benutzt werden, da in vielen Fällen die Benutzung eines Leichenwagens, der bei Gubener Fuhrgeschäften bestellt werden mußte, für Minderbemittelte, der immerhin beträchtlichen Kosten wegen, unterbeleiben mußte. Diesem Übelstande ist nun durch Anschaffung von elektrischem Licht eines eigenen Leichenwagens seitens der hiesigen Gemeinde abgeholfen worden. Der Leichenwagen kann gegen eine mäßige Gebühr, deren Höhe noch festgesetzt werden soll, benutzt werden...
19. Februar 1914
Elektrische Beleuchtung der Stadt- und Hauptkirche. In Anwesenheit der kirchlichen Körperschaften wurde gestern abend 1/2 7 vom Märkischen Elektrizitätswerk eine Probebeleuchtung der Stadt- und Hauptkirche veranstaltet. Die Verwendung und Zeit der Einführung von elektrischem Licht ist späteren Beschlüssen vorbehalten. Die elektrische Beleuchtung der Kirche durch eine Anzahl Bogenlampen ergab, wie uns weiter mitgeteilt wird, eine außerordentliche Helligkeit, wirkte aber wenig stimmungsvoll; eine elektrische Kerzen-Beleuchtung unter Benutzung der vorhandenen schönen Kronleuchter dürfte, nach Ansicht unseres Gewährsmannes bedeutend besser wirken. Allerdings wird dadurch eine Mehrausgabe entstehen durch Installation und Stromverbrauch, die man aber, wenn irgend möglich, mit in Kauf nehmen sollte, um der weihevollen Stimmung des Gotteshauses mehr gerecht zu werden.
20. Februar 1914
21. Februar 1914
Sprechsaal (Diese Rubrik dient dem freien Meinungsaustausch der Abonnenten der Gubener Zeitung. Für die Einsendungen selbst trägt die Redaktion nur die preßgesetzliche Verantwortung.)
Die Brandruine am Lindengraben. In dankenswerter Weise sind die Stadtväter Gubens fortwährend bemüht, unsere liebe Vaterstadt zu verbessern und verschönen. Um so mehr muß man sich wundern, daß sie die wirklich furchtbar aussehende Brandstätte der früheren Wolf´schen Fabrik am Lindegraben nicht beseitigen. Diese Ruine mit ihren Schutthaufen dient wahrhaftig nicht zur Verschönerung der Stadt, ja sie "verschandelt" den ganzen Lindegraben, der doch mit seinen vielen neuen hübschen Häusern zu den vornehmsten Straßen Gubens gehört, abgesehen natürlich von dem Eingang an der Königstraße. Alle Fremden, die im Frühling und Sommer unsere Berge besuchen, müssen an dieser Ruine vorüber. Einsender dieses hörte schon oft von auswärtigen Besuchern, die alljährlich hier her kommen, spöttische Bemerkungen darüber, daß diese "Zierde der Stadt" noch immer zu sehen sei. Hoffentlich schafft die Stadtverwaltung bald Abhilfe, besonders auch, da wir im Mai hier den "Städtetag" haben. Was würden wohl die auswärtigen Herren Bürgermeister und Stadtvertreter zu diesem Schutthaufen inmitten der Stadt sagen? A. Z.
So einfach wie der Einsender zu denken scheint, liegt die Sache nun nicht. Nach biblischer Überlieferung sind die Mauern von Jericho seinerzeit durch der Posaunen gewaltigen Schall eingestürzt. Diese geheimnisvolle Kraft haben unsere neuzeitlichen Musikinstrumente nicht mehr, sonst hätten die Anwohner wahrscheinlich schon längst einen Posaunenchor auf die Beine gebracht und die Ruine "umblasen" lassen. Auch die Stadtverordneten können dem Besitzer nicht schlangweg anbefehlen, die Ruine zu "beseitigen". Die Rechtsverhältnisse liegen in diesem Falle überaus schwierig. In dankenswerter Weise ist die Polizeiverwaltung im Interesse der Sicherheit der Anwohner bereits eingeschritten und hat wegen Einsturzgefahr die beiden obersten Stockwerke der Ruine an der Crossenermauer und zur Hälfte auch den hohen Schornstein abtragen lassen. Daß aber das rauchgeschwärzte Gemäuer, in dessen Höhlen das Grauen wohnt, nicht ein Jahrzehnt stehen bleiben kann und darf, darüber ist sich wohl die ganze Stadt einig. Wie wir hören, ist auch Aussicht vorhanden, bald eine Handhabe zu erhalten, diesem skandalösen Zustande ein Ende zu machen. Die Redaktion
26. Februar 1914
Kommt der Winter wieder? Nachdem seit Ende Januar in fast ganz Mitteleuropa, besonders aber in Norddeutschland, ganz außerordentlich mildes und vorfrühlingshaft schönes Wetter geherrscht hat, sieht es augenblicklich so aus, als ob der Winter zum Schlusse noch einmal wiederkehren wollte. Während noch am letzten Sonntag in weiten Teilen des Landes vollkommenes Frühlingswetter geherrscht hat, macht sich jetzt, vom Nordosten ausgehend, ein Temperaturrückgang bemerkbar, der angesichts der Luftdruckverteilung zu einem vollkommenen Witterungsumschlag führen kann. Diese Abkühlung ist die Folge einer starken Druckzunahme über Nordrußland, wo sich seit einigen Tagen ein kräftiges Hochdruckgebiet ausgebildet hat, das zunächst nur unscheinbar war, inzwischen aber an Höhe und Ausbreitung erheblich zugenommen hat und sich bis nach Ostdeutschland erstreckt. Es muß mit weiterer Abnahme der Temperaturen und dem Wiedereintritt von Frostwetter gerechnet werden, und wenn abgesehen vom äußersten Nordosten, augenblicklich die Temperaturen auch noch überall oberhalb der normalen Werte liegen, so kann für den Fall der Aufheiterung bei dem jetzt herrschenden Ostwind doch sehr rasch wieder völlig winterliche Kälte Platz greifen. Es wird sich in den nächsten Tagen entscheiden, ob der Winter noch einmal wiederkehrt, oder ob - infolge Erscheinens neuer atlantischer Wirbel - doch die milde Witterung fortdauert.