Gubener Zeitung

Die Gubener Zeitung, von 1871 bis 1944 kann auf Rollfilm in den Räumlichkeiten der Stadtbibliothek Guben eingesehen werden.

1914

Januar Februar März April Mai Juni Juli August September Oktober November Dezember

1. September 1914


9. September 1914

Kriegstrophäen, die von einem deutschen Soldaten in Kalisch erbeutet wurden, sind im Schaufenster der Juwelierfirma W. Billing, Markt 39, zur Schau gestellt. Es ist ein Taktstock mit silbernen Ornamenten, der von dem Dirigenten der Kapelle des 45. Russischen Infanterie-Regiments stammt und eine dunkelrotseidene Stola eines russischen Popen. Der Eigentümer ist bereit, die Gegenstände zu verkaufen und den Ertrag dem Roten Kreuz zu übergeben.


12. September 1914

Die Bahnwirte werden ersucht, nicht durch Feilhalten von Lebens- und Genußmitteln englischer, französischer, russischer, japanischer Herkunft wie Apollinaris, französische Schnäpse, englische Porters, russische Zigaretten usw. feindliche Volkswirtschaften zu unterstützen. Wenn diese ausländischen Waren nicht mehr geführt werden, so wird das deutsche Publikum die Güte der deutschen Erzeugnisse mehr schätzen lernen. Zu wünschen wäre, daß das deutsche Publikum das Seine in gleicher Richtung täte.


13. September 1914

Russische Kriegsgefangene bei Guben. Gestern abend zwischen 9 und 10 Uhr wurde es in der Stadt bekannt, daß der erste Transport russischer Kriegsgefangener auf dem Bahnhof angekommen ist. Die dritte Kompagnie des hiesigen Landsturmbataillons wurde sofort alarmiert und mit fröhlichem Gesang marschierte sie um 10 Uhr vom Schützenhause zum Bahnhof, wo die Russen – es waren 1800 Mann – in Empfang nahm. Die mitgekommenen leicht verwundeten wurden in Guben ins Lazarett gebracht, während die übrigen unter der Bedeckung unserer Landsturmmänner in geschlossenem Zuge transportiert wurden; gegen 2 Uhr gelangte man dort an und verbrachte die Nachtstunden auf dem Felde, so gut es ging. Am Bahnhof, an der Seite des neuen Viehmarktes, standen zahlreiche Menschen und staunten die Gefangenen an. Hier und da konnte man es nicht unterlassen, ungehörige Bemerkungen zu machen, allen Ausfällen wurde aber von vernünftigen Leuten sofort energisch entgegengetreten.

Heute morgen entwickelte sich im Lager schon in frühen Stunden ein reges Leben, denn die Gefangenen mußten sich an den Arbeiten zur Herstellung der Baracken beteiligen. Das Lager ist in einem weiten Umkreise durch einen hohen Stacheldrahtzaun abgegrenzt. Der Zutritt ist streng verboten. Vor dem Eingang standen nur wenige Zuschauer und schauten dem Treiben, das immerhin etwas Charakteristisches an sich hat, zu. Alle Gefangenen gehörten der Infanterie an, die u.a. der Armee von Hindenburg gegenüber stand und von ihr so siegreich überwunden wurde. Man sieht auf den grau-grünen Uniformen und Mänteln die verschiedensten Regimentsnummern. Im allgemeinen machen die Gestalten keinen schlechten Eindruck, wenn auch verschiedene stupide und stumpfsinnige Physiognomien sichtbar werden, so gehört doch der weitaus größere Teil zu den intelligenteren Soldaten. Es sind mehrere dabei, die geläufig deutsch sprechen, daher ist eine gute Verständigung zwischen dem Kommando und den Gefangenen möglich. Die Verpflegung auf dem langen 24stündigen Transport war sehr knapp, sodaß die Russen argen Hunger verspürten, der auch heute vormittag von ihnen noch geäußert wurde. Soweit es möglich war, wurde ihnen warmes Getränk verabreicht, Brot kam erst gegen 11 Uhr an, über das sie dann begierig herfielen.


17. September 1914

Neue Gefangenen-Transporte sind gestern und heute eingetroffen. Gestern abend in der sechsten Stunde war die Ankunft eines Zuges, der etwa 500 Gefangene brachte, gemeldet. Eine nach Tausenden zählende Menge stand Kopf an Kopf von der Westseite des Bahnhofs bis fast nach Grunewald und blickte den Gefangenen, die einen stark mitgenommenen Eindruck machten, nach. Auch zu dem Transport, etwa 1500 Mann, der um 8 Uhr eintraf, bildeten große Menschenmassen Spalier. Heute vormittag brachten zwei Züge zusammen 500 Mann, so daß insgesamt etwa 4500 von Väterchens Soldaten die Barackenstadt bei Guben bevölkern. Weitere Gefangene sind angekündigt. – Es sei nochmals darauf aufmerksam gemacht, daß jeder Verkehr mit den Russen seitens Privatpersonen verboten wird und, wie das Garnisonskommando bekannt macht, mit Lebensgefahr verbunden ist.


18. September 1914

Das Lager von gefangenen Russen ist durch Eintreffen weiterer Transporte, gestern und heute, vermehrt worden. Bei der Ankunft der finsteren Gesellen zeigte sich am Bahnhof und in der Cottbuser- und Kupferhammerstraße dasselbe Bild von zahlreichen Neugierigen, wie es schon bei den früheren Transporten zu erblicken war. Es dürften jetzt über 8000 gefangene Russen, unter ihnen auch Verwundete, im Lager untergebracht sein.


20. September 1914


24. September 1914

Russengrab. Bei den schweren Verwundungen, die einzelne nach dem Gefangenenlager gebrachte Russen erlitten hatten, war es vorauszusehen, daß einige ihre Heimat nicht wiedersehen werden. Gestern sind zwei Russen ihren Verwundungen erlegen. Sie wurden in einem Hain in der Nähe des Buderoser Friedhofs mit einer schlichten Trauerfeier, der eine Abteilung Gefangener beiwohnte, die russische Grabgesänge durchführte, bestattet. Heute wurde bereits ein dritter Gefangener zur letzten Ruhe gebettet. – Der kleine russische Friedhof wird somit ein bleibendes Zeichen für den Völkerkrieg 1914 sein, denn die russische Regierung dürfte den Friedhof später sicher erwerben und unterhalten.