1916
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21. März 1916
Der Lichtbildergottesdienst in der Klosterkirche war wieder von tiefergreifender Wirkung. Allerdings waren auch die Bilder, unter denen sich viele von modernen Meistern befanden, ganz wunderbar schön, und sie wurden durch den schönen neuen Apparat des Volksbildungsvereins in Ueberlebensgröße und bis in die fernsten Winkel der dicht gefüllten Kirche in allen Einzelheiten deutlich erkennbar auf die Leinwand gezaubert. Gleich die ersten Bilder (der Hofmann`sche Christuskopf und Jesus vor Jerusalem von Hole) versetzten in andächtige Stimmung, die durch das Orgelspiel des Kantors Klinkott und den gemeinsamen Gesang von „Ich bete an die Macht der Liebe“ wirkungsvoll vorbereitet war. Ueberhaupt waren die gesanglichen Einlagen und Orgelstücke mit seinem Verständnis in richtiger Anpassung an die Lichtbilderfolge und den begleitenden Text, der von Pfarrer Mix gesprochen wurde, ausgewählt. In dem Orgelvorspiel versetzten die Klänge des Vorspiels zum Parsifal sogleich in feierliche Stimmung. Tiefen Eindruck machte dann weiter die „Gralsfeier“ aus dem Parsifal, die zu den Abendmahlsbildern von Leonardo und Burnand gespielt wurde, und der „Karfreitagszauber“, der die Bilder von der Kreuzigung Jesu stimmungsvoll umrahmte. Die schöne Orgel der Klosterkirche kam hier unter dem meisterhaften Spiel des Kantors Klinkott zur vollen Geltung. Frl. Ilse Waske sang mit ihrer vollen, warmen Stimme das Mendelsohn`sche „Jerusalem! Jerusalem!“ mit tiefer Empfindung. Aber ebenso wirkungsvoll war das schöne alte Lied von Nowalis: „Wenn alle untreu werden, so bleib ich dir doch treu“, Mendelssohns: „Herr, zu dir will ich mich retten“ und das Bußlied von Beethoven. Die ganze Feier wird sicher von nachhaltiger Wirkung sein und die zahlreichen Kirchenbesucher durch die in diesem Jahre besonders ernste Passionszeit begleiten.
22. März 1916
Der heutige Balladen-Abend der Philharmonischen Gesellschaft im großen Saale des Schützenhauses dürfte, wie bereits aus der gestrigen Hauptprobe hervorging, den Erwartungen voll entsprechen. Die ausgewählte Spielfolge trägt jedem musikalischen Geschmack Rechnung. Im Vordergrunde des Abends stehen natürlich die beiden musikalisch grundverschiedenen Chorwerke „Toggenburg“ und „Erlkönigs Tochter“, über die gestern bereits ausführlich berichtet wurde und die beide, jedes in seiner Art, von eigenartigem musikalischem Reiz sind. Von den Solisten sind Frl. Graul (Sopran) und Herr Oberdörffer (Bariton) in Guben bestens bekannt, und wer die Altistin Frau Anna Reicher-Feiten gestern gehört hat, wird nicht bereuen, ihre Bekanntschaft in künstlerischer Hinsicht gemacht zu haben. Eintrittskarten sind noch an der Abendkasse zu dem bekannten geringen Preise zu erhalten.
26. März 1916
Stadttheater in Guben
„Alt – Heidelberg“, Schauspiel von W.Meyer-Förster.
Die Neueinstudierung von „Alt – Heidelberg“ erzielte gestern auch in Guben, gleichwie tags zuvor in Frankfurt a.O., ein ausverkauftes Haus. Das Stück übt durch sein Milieu wie seine Handlung, durch seine Vorzüge wie seine Fehler, durch seine warmherzige Empfindung wie seine leise Sentimentalität, bei guter Darstellung stets seine Wirkung aus. Und die gestrige Darstellung war in allen Hauptrollen eine vorzügliche. Auch die Regie (Johann Seedorf) ließ es an nichts fehlen; sie stattete das Stück, vom Standpunkte einer Provinzbühne aus besehen, geradezu glänzend aus, arbeitete auch die prächtigen Studentenszenen stimmungsvoll heraus. Martin Westphal brachte als Karl Heinz die anfängliche Gebundenheit, dann die tolle Ausgelassenheit und später die trostlose Vereinsamung dieses bedauernswerten Prinzen glaubhaft zur Geltung. Schade, daß er sich dem ihn zurückrufenden Staatsminister von Haugk gegenüber in der Titulatur wiederholt versprach! – Charlotte Suckow war eine herzige Käthie: lieb und innig war ihr Spiel. ihre ganze Persönlichkeit erfüllt von Munterheit und Maienfrische. - Viktor Bergen verkörperte den Dr. Jüttner sehr amüsant, während Kurt Barré den Kammerdiener Lutz prächtig zeichnete. Johann Seedorf stellte einen flotten Chargierten dar, der sich aufs „Füchse keilen“ augenscheinlich gut verstand. Konstantin Jarocki schuf in dem Kellermann eine famose Figur ; auch die übrigen Rollen lagen in guten Händen. Der Prospekt mit dem „Heidelberger Schloß“ und der im Mondschein erglänzenden Neckarlandschaft wurde gebührend bewundert. Das Publikum zeigte sich in bester Laune und war sehr beifallsfreudig.