Gubener Zeitung

Die Gubener Zeitung, von 1871 bis 1944 kann auf Rollfilm in den Räumlichkeiten der Stadtbibliothek Guben eingesehen werden.

1903

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1. März 1903

Die Staare sind zurückgekehrt. Mehrfach sind diese ersten Frühlingsboten gesehen worden.

Petition um Beseitigung des Schornsteinfegermonopols: Der preußische Landesverband der städtischen Haus- und Grundbesitzervereine hat an das Abgeordnetenhaus eine Petition gerichtet, ein Gesetz herbeizuführen, durch welches das bisher in Preußen bestehende Schornsteinfegerprivileg aufgehoben und die Ausübung des Schornsteinfegerhandwerks in den einzelnen Kehrbezirken jedem, der die Schornsteinfegermeisterprüfung abgelegt hat, freigegeben wird.

Etikettenwidrig: In den Braunschweiger "Neuest. Nachr." erklärt eine Dame der Hofgesellschaft das Reform- oder Empirekostüm, in dem unlängst zwei Damen auf dem Hofball erschienen sein sollen, für etikettenwidrig. Sie bestreitet, daß diese Mode auf dem letzten Hofball in Berlin und Braunschweig Einzug gefunden und betont, daß von der maßgebenden Stelle nach wie vor für Hofbälle Toilette mit geradem Ausschnitt, kurzen Ärmeln, die nicht durch Bänder über die Schultern ersetzt oder ergänzt werden dürfen, vorgeschrieben sei.


4. März 1903

Die Einwohnerzahl der Stadt Guben: Im Jahre 1902 sind 4.719 Personen zugezogen, fortgezogen 4.848; geboren wurden 991, gestorben sind 664. Die Einwohnerzahl hat danach im verflossenen Jahre um 198 zugenommen und betrug am 31. Dezember 1902: 33.836.


7. März 1903

Cottbus: Am 1. März ist auf dem hiesigen Bahnhofe ein Apparat in Funktion getreten, ein Stellaparat für Weichen, mittels dessen von einem Punkte aus das gesammte Weichengebiet beherrscht wird. Aufgestellt ist der Apparat auf dem nahe der Bahnhofsbrücke neuerbauten Thurme. Er soll eine noch verhältnismäßig junge Erfindung sein, die bisher nur auf wenig Bahnhöfen angeschafft worden ist und hat vor den bisher in Thätigkeit gewesenen Apparaten den Vortheil, daß er Personal spart, es werden zum Beispiel an dem hiesigen Apparate nur ein Assistent und zwei Weichensteller erster Klasse, für Tag- und Nachtweiche also nur sechs Beamte gebraucht. Ferner sollen falsche Weichenstellungen an dem neuen Apparate ganz ausgeschlossen sein. Alle Abmeldungen von Cottbus abgehender Züge gehen von dem Stellapparate aus und die Meldungen von eingehenden Zügen werden auch nur hier angenommen.

Über ein recht angenehmes Stubenmädchen berichten österreichische Blätter: In der Wohnung des Direktors der Anglo-Österreichischen Bank in Budapest, Lukacz, erschienen mehrere Detektivs, und einer von ihnen machte der Frau des Hauses die überraschende Mittheilung, daß ihr Stubenmädchen, das schon seit mehreren Wochen bei ihr bedienstet war, kein Mädchen, sondern ein Mann und noch dazu ein wiederholt abgestrafter und neuerlich von der Polizei eifrig gesuchter Verbrecher sei. Als das "Mädchen" unter einem Vorwande in den Salon gerufen wurde, ergriffen die Detektivs sofort den Verkleideten, der gleichzeitig seine Perrücke verlor. Der Verhaftete wurde ins Gefängniß gebracht


10. März 1903

Derselbe, dieselbe, dasselbe. Auf höhere Anordnung sind die Behörden jetzt mit Erfolg bestrebt, aus der amtlichen Schriftsprache alle Wörter zu verbannen, welche man im mündlichen Verkehr nicht zu gebrauchen pflegt. So werden z.B. die Fürwörter derselbe, dieselbe, dasselbe, die bisher einen breiten Raum im Amtsdienst einnahmen, durch er, sie, es ersetzt, soweit dies angängig ist. - Der allgemeine Mißbrauch, der mit diesen Fürwörtern getrieben wird, ist in der That entsetzlich. Immer sind  sie allerdings nicht durch er, sie , es zu ersetzen, sondern fast ebenso häufig durch das besitzanzeigende Fürwort. Heute schreibt fast Niemand mehr sein Haus, sondern das Haus desselben - wenn auch kein Mensch so spricht.


14. März 1903

Ein interessanter Tag: Ostersonntag und der erste Tag des jüdischen Passahfestes fallen in diesem Jahre zusammen. Das ist ein Ereigniß, welches seit dem Jahre 1328 nicht stattgefunden hat. Das Konzil zu Nicäa glaubte, dies Zusammentreffen unmöglich gemacht zu haben, indem es die Bestimmung traf, der erste Ostersonntag sollte am ersten Sonntag nach dem Vollmond der Frühlings-Tag- und Nachtgleiche sein. Diese Rechnung erwies sich weniger genau, als die nach dem jüdischen Kalender. Diesen Kalender bezeichnete der berühmte Gauß als die feinste mathematische Berechnung. Ein Zusammentreffen der obengenannten Tage geschieht äußerst selten, und erst in vieljährigen Zwischenräumen.


18. März 1903

Die Austreibung eines Teufels macht in Adl. Briesen (Ostpreußen) von sich reden. Im Oktober v. J. hatte die Arbeiterfrau D., um von einer Entbindung schneller zu genesen, von einer "klugen Frau" Brot erhalten und gegessen. Da nun die Wöchnerin trübsinnig wurde, war ihr Mann überzeugt, daß sie mit dem Bissen Brot den Teufel in sich aufgenommen habe. Er verlangte nun von der Nothelferin, sie sollte in der nächsten Nacht um 12 Uhr beim "Kreuze am Wege" sein, um dort seiner Frau den Teufel auszutreiben. Sollte sie seiner Aufforderung nicht Folge leisten, so würde sie am anderen Tage tot sein. Die Frau stellte sich zur bestimmten Stunde ein. Zur Sicherheit nahm sie ihren neunzehnjährigen Sohn  mit, der abseits, hinter einem Baume versteckt, stehen blieb. Beide Frauen mußten niederknien und sich den Oberkörper entblößen. Mit einer Weidenruthe zählte der Mann beiden mehrere kräftige Hiebe auf den Rücken, daß sie vor Schmerz laut schrien. Da sprang der Sohn aus dem Versteck hervor und wollte dem Teufelaustreiber an den Kragen. Dieser ließ nun alle im Stich und raste wie wild nach Hause, in der Meinung, der Teufel wolle ihm jetzt den Garaus machen. Die kranke Frau ist natürlich nach wie vor trübsinnig.


19. März 1903

Der älteste Rechtsanwalt des deutschen Reiches ist der Geheime Justizrath Kewer in Rheinberg am Niederrhein, der 93 Jahre alt ist und nach wie vor seinen Dienst in vollem Umfange versieht. Er ist körperlich und geistig völlig frisch und nebenbei - Ur-Urgroßvater. Sein erster Schreiber ist bereits seit 44 Jahren bei ihm thätig.

Ein ungewöhnlich kühner Diebstahl wurde kürzlich inmitten von Paris verübt. Verwe-genen Diebe haben einfach nachts einen großen Theil des Daches der Madeleine-kirche in der Ausdehnung von fünfzig Metern abgelöst und davongetragen. Der Dachüberzug besteht aus Kupfer und Zink. Die letzte große Kupferhausse hat die Versuchung der Diebe, diesen schwierigen, aber einträglichen Coup auszuführen, offenbar erhöht, denn sie haben sich für die Abnahme der Kupferdecke entschieden. Mit einer Spekulation in Rio-Aktien hätten sie freilich dasselbe erreicht.


20. März 1903

Ein verheiratheter Gymnasiast: Ein nettes Kulturbild aus Rumänien entnehmen wir einer Bukarester Korrespondenz eines Wiener Blattes. Danach führte vor einigen Wochen ein Schüler der Prima des Realgymnasiums in Crajova, Jilie Petrescu, der sein zwanzigstes Lebensjahr vollendet hat, in aller Form ein junges Mädchen als Ehegattin heim. Der Fall erschien den Professoren der Anstalt höchst bedenklich, und so lud denn das wohlweise Kollegium den Schüler vor einen Richterstuhl und schloß ihn nach langer Berathung wegen - Unsittlichkeit vom Gymnasium aus! Der doppelt gekränkte Petrescu erhob Beschwerde beim Unterrichtsminister, welcher dahin entschied, daß eine gesetzlich geschlossene Ehe unter keinen Umständen als etwas Unsittliches bezeichnet werden könne, und daß weder in den Gesetzen des Landes, noch auch in den Schulreglements irgend eine Vorschrift enthalten sei, die einem Gymnasiasten das Heirathen verbiete. Der Minister ordnete also an, daß der Relegirte wieder in die Anstalt aufgenommen werde, indem er nicht ohne Schalkhaftigkeit hinzufügte er hoffe, daß des Jilie Petrescu vorzeitige Würde als Ehemann Petrescu in keiner Weise hindern werde, seinen Pflichten als Schüler nachzukommen. - Hoffentlich findet dieses Beispiel nicht allzu zahlreiche Nachahmung, denn sonst könnte es am Ende vorkommen, daß Väter und Söhne die Klassen eines Gymnasiums frequentiren.


21. März 1903

Narrenhände beschmieren Tisch`, Bänk` und Wände. Vielfach sieht man Häuserwände, Mauern und Zäune, so namentlich auch den Zaun vor der neuen lutherischen Kirche, mit allerlei Zeichnungen  verunziert oder sonst beschmiert. Zumeist geschieht es durch Kinder beim Spielen. Die Eltern thun gut, ihren Kindern Zeichenübungen an unpassender Stelle zu untersagen, da sie für die Handlungen der Kinder verantwortlich sind.


24. März 1903

Eine spaßige Gefängnißgeschichte ereignete sich im Kanton Freiburg. Dort wird von allen einigermaßen zahlungsfähigen Gefangenen die Summe von zwei Franken täglich erhoben für die Aufwendung an Kost und Logis, die bei ihrem unfreiwilligen Aufenthalt im Gefängniß die kantonale Regierung macht.

So war auch vor zehn Jahren ein wohlhabender Mann zu einer Gefängnißstrafe von 8 Jahren verurtheilt worden, und man erhob bei seinem Strafantritt von ihm die Summe von 5840 Franken, um im voraus für seinen achtjährigen Aufenthalt hinter schwedischen Gardinen gedeckt zu sein. Dem Missethäter gelang es aber, bei seiner Einlieferung ins Gefängniß zu entwischen, und nun, nach zehn Jahren, ist die Strafe verjährt, sodaß der Flüchtling ungehindert nach seinem Heimathsorte zurückkehren konnte.

Hiermit begnügte er sich jedoch nicht, sondern er verklagte den Justizfiskus auf Her-auszahlung jener 5840 Franken, weil er nicht in die Lage gekommen sei, von Kost und Logis Gebrauch zu machen, für die er jene Summe bezahlt habe.

Und wirklich gab ihm auch der oberste Gerichtshof in Lausanne Recht, indem das Urtheil ausführte, daß jene zwei Franken täglich thatsächlich nur ein Aequivalent für effektiv gemachte Aufwendungen bilden sollen, daß aber die Gefängnißverwaltung des Kantons Freiburg nicht nachweisen könne, für den Kläger derartige Aufwendungen gemacht zu haben.

So erhält denn jener "Gentleman" das vor zehn Jahren bezahlte Geld zurück, und sein einziger Schmerz besteht darin, daß ihn das Gericht mit seinen Ansprüchen, auch noch die Zinsen dazu zu erhalten, abgewiesen hat.


25. März 1903

Der Bau der Bahn Guben - Forst wird jetzt in Angriff genommen. Im Inserattentheil der heutigen Nummer veröffentlicht die königliche Eisenbahn-Bauabtheilung die Submission über die Ausführung der Erdarbeiten und der Maurerarbeiten zu den Brücken und Durchlässen.


26. März 1903

Lübbenau: Die Spreewaldjagden werden von den auswärtigen Nimroden sehr begehrt, weil neben den bekannten Wildarten, wie Hasen, Rehe, Enten und Rebhühner der Jäger Gelegenheit hat, auch das Birkhuhn zu beschießen, was für einen rechten Waidmann besonders zur Balzzeit große Spannung und Freude ergiebt. Bis jetzt waren sie nur im eigentlichen Spreewaldrevier heimisch; hiesige Jäger haben aber diese Thiere auch in dem über eine Stunde entfernten Landrevieren, z. B. im Forstbezirk Groß Lübbenau beobachtet.


27. März 1903

Ein Aprikosenbaum steht auf einem Grundstück in der Haagstraße bereits in voller Blüthe.


29. März 1903

Abnorm warme Tage hat uns bis jetzt der Frühling beschert. Aus allen Theilen Deutschlands und auch aus auswärtigen Ländern, wie Frankreich, kommen Nachrichten über ungewöhnlich warme Witterung. In Paris betrug am Mittwoch die Temperatur 26,4 Grad C. Dies ist die höchste im März seit 150 Jahren dort verzeichnete Temperatur. Bei uns liegen die Verhältnisse ähnlich. Die Magdeburgische Zeitung berichtet, daß in Magdeburg 25 Grad im Schatten beobachtet worden sind und bemerkt dazu: Die Meteorologie belegt solche Tage, an denen Temperaturen von 25 Grad und darüber vorkommen, mit dem Namen Sommertage. Ein Sommertag im März! Wie abnorm diese Thatsache ist, geht schon daraus hervor, daß wir im Mittel den ersten Sommertag nicht vor dem 10. Mai erwarten dürfen. Er kommt folglich in diesem Jahr um 45 Tage zu früh. Die Ursache dieser hohen Temperatur ist im wesentlichen in einem äußerst lebhaften Lufttransport aus südlichen Breiten zu suchen. In zweiter Linie dürfte dann an eine außergewöhnlich große Durchlässigkeit der Luft für die Wärmestrahlen der Sonne zu denken sein. Hoffentlich kehrt, nachdem uns der Lenz so verwöhnt hat, nicht noch einmal der rauhe Winter mit Frost und Schnee zurück; das wäre nach den lauen Tagen doppelt unangenehm und für die Pflanzenwelt verderblich.