Gubener Zeitung

Die Gubener Zeitung, von 1871 bis 1944 kann auf Rollfilm in den Räumlichkeiten der Stadtbibliothek Guben eingesehen werden.

1907

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2. März 1907

In einer gestern abend abgehaltenen Sitzung des Direktoriums der Berlin-Gubener Hufabrik A.G. wurde beschlossen, die Arbeitszeit um 3 Stunden wöchentlich, von 58 auf 55, herabzusetzen.


3. März 1907

Die gestern erwähnte Herabsetzung der Arbeitszeit in den Berlin-Gubener Hutfabriken bezieht sich nur auf die Abteilung Lißner, nicht auf das Stammhaus der Gesellschaft. In letzterem sind mit den Arbeitern gleichfalls bereits Verhandlungen über die Herabsetzung der Arbeitszeit gepflogen worden, doch ist man noch nicht zu einem endgültigen Beschluß gekommen.


9. März 1907

Im Krankenhause des Naemi Wilke-Stifts sind im Jahre 1906 im ganzen 417 Kranke verpflegt worden, nämlich 186 männliche und 231 weibliche, auf die verschiedenen Verpflegungsklassen verteilt 30 Patienten 1. Klasse, 33 Patienten 2. Klasse und 354 Patienten 3. Klasse. Auf den Anstaltsarzt Dr. Ayrer kamen 194, auf den Augenspezialisten Dr. Schultze 134, auf den Frauenarzt Dr. Balack 61 und auf den Spezialisten für Nasen- und Halsleiden Dr. Goldschmidt 28 Kranke. Geheilt oder doch gebessert entlassen wurden 331 Personen, ungeheilt entlassen wurden 63 Personen, dagegen verstarben 23 Personen. An Operationen fanden 338 statt, und zwar 152 chirurgische, 88 Augenoperationen, 54 gynäkologische und 44 bei Nasen-, Ohren- und Halsleiden. Es wurden 10783 Verpflegungstage berechnet, und der durchschnittliche Aufenthalt eines Kranken betrug 26 Tage. Der höchste Stand der täglichen Krankenziffer war 43. – Im Idiotenhaus, dessen ärztliche Überwachung den Aerzten Dr. Ayrer als Anstaltsarzt mit Dr. Schmidt obliegt, hielten sich zu Beginn des laufenden Jahres 59 Mädchen auf, dagegen befanden sich in dem Pflegehause für geistig normale Kinder – früheres städtisches Siechenhaus -  8 taubstumme Kinder unter 6 Jahren und 15 verwaiste und erziehungsbedürftige Mädchen. – Im ev.-luth. Diakonissenhause des Naemi Wilke-Stifts sind unter Leitung der Oberin, Diakonisse Elisabeth Berndt, gegenwärtig 4 Diakonissen, 6 Probeschwestern und 3 Aspiranten. Auf auswärtigen Arbeitsfeldern sind 23 Diakonissen und 14 Probeschwestern tätig.


14. März 1907

Zur 800jährigen Gedächtnisfeier Paul Gerhardts fand gestern abend in der Stadt- und Hauptkirche ein liturgischer Gottesdienst statt. Die Orgel wurde von Herrn Alexander Preuß in würdiger und erhebender Weise gespielt. Die Lieder waren sämtlich Schöpfungen des Dichters Paul Gerhardt. Sie wurden zum größten Teil von der Gemeinde gesungen. Vier Choräle von Bach, Krüger, Ebeling führte der Chorgesangverein unter Leitung des Musikdirektors Herrn Zierau aus. Besonders erquickend die Sätze: Auf auf mein Herz mit Freuden und Warum sollt ich mich denn grämen. – Herr Diakonus Hildenhagen verlas die Schriftstellen und feierte in seiner Ansprache den Liedermacher und Geistlichen Paul Gerhardt. Die Ordnungsfolge der Lieder war auf das beste zusammengestellt. Von der Freudigkeit des Tages singend, legten die Lieder ferner Zeugnis davon ab, wie der Glaubensheld seinem Gott singt, dass er durch die wahre Erkenntnis des Heilands, der für ihn gelitten und gestorben ist, ihn nun selbst aufnehmen kann, wie er nun stark geworden ist gegen die Welt und im Besitztum seines Herrn den höchsten Trost, die höchste Seligkeit gefunden hat, und sich von diesem Jammertal hinfort sehnt nach den ewigen Hütten. Solche liturgische Gottesdienste erbauen und erheben das Gemüt.


17. März 1907

Ein Kinematograph ist auf dem Lubstplatz aufgestellt. In einem auswärtigen Blatte lesen wir über die Vorführungen des Kinematographen: die im Bilde vorgeführten heiteren Szenen fanden namentlich Wohlgefallen und lebhafte Anerkennung. Die einzelnen Bilder kamen in ziemlicher Größe klar und deutlich zur Vorführung. Was hierbei aber besonders angenehm auffällt, ist die Tatsache, dass das sonst in der Regel zu beobachtende, dem Auge lästige Flimmern der Bilder infolge der vorzüglichen technischen Einrichtungen hier gänzlich wegfällt, wodurch die Wirkung wesentlich erhöht wird. Unter anderen sahen wir hier auch zum ersten Male lebenden Photographien mit farbig wirkendem Licht.


21. März 1907

Eine Neuorganisation des Feuermeldewesens ist in der gestrigen Sitzung der Stadtverordneten beschlossen worden. In der Stadt werden 14 Feuermeldestellen eingerichtet, die telephonische Verbindung mit der Polizeiwache haben.


22. März 1907

Nicht versetzt. Eine Unterscheidung nicht versetzter Schüler an höheren Schulen wird in Zukunft eintreten. Nach einer Verfügung des Provinzialschulkollegiums  sollen künftig solche Zöglinge, die in einzelnen Fächern schwach waren, dennoch aber versuchsweise in die höhere Klasse befördert wurden, nicht mehr versetzt werden. Diese nicht versetzten Schüler werden in zwei Gruppen  geteilt. In solche, die auf ein Halbjahr, und andere, die auf ein Jahr in der Versetzung zurückgestellt werden. Für ein halbes Jahr von der Versetzung ausgeschlossen werden die Schüler, die in der Klasse die Reife für die Versetzung in einer Anzahl von Schulfächern erlangt haben, in einigen Fächern jedoch nicht befriedigend abgeschnitten haben. Auf ein ganzes Jahr von der Versetzung ausgeschlossen sind die, die in der Mehrzahl der Fächer nicht die Reife erlangt haben.


24. März 1907

Dem Jahresbericht des Gymnasiums und der Realschule für das Schuljahr 1906/1907 entnehmen wir folgendes: An der Anstalt unterrichteten im Sommerhalbjahr im ganzen 26 Lehrkräfte, im Winterhalbjahr 25. Die Zahl der Schüler betrug am 1. Februar 1907: Gymnasium 217, Realschule 216, Vorschule 102. Von diesen Schülern waren Einheimische: Gymnasium 163, Realschule 178, Vorschule 99. Auswärtige: Gymnasium 48, Realschule 38, Vorschule 3. Ausländer: Gymnasium 3…

Dem Jahresbericht der städtischen höheren Töchterschule entnehmen wir folgende Angaben. An der Anstalt unterrichten 17 Lehrkräfte. Die Zahl der Schülerinnen betrug zu Anfang des Winterhalbjahres 353 (332 einheimische, 21 auswärtige). Die Selekta geht wieder ein, worüber der Direktor in der Geschichte folgendes berichtet: Zu Ostern 1906 wurde unter dem Namen „Selekta“ die 10. Klasse eröffnet, deren  Einrichtung, wie ich bereits im vorigen Jahresbericht mitteilte, von den städtischen Behörden beschlossen und von der königl. Regierung genehmigt worden war. Sie hatte zwar kein eigenes Klassenzimmer, doch machte das wenig Schwierigkeiten, da ich meine Stunden in meinem Amtszimmer gab und für die übrigen immer irgend ein Klassenraum zur Verfügung stand. Leider haben sich die Hoffnungen, die wir an die Einrichtung dieser Klasse geknüpft hatten, großenteils nicht erfüllt. Nur 6 Schülerinnen der vorigen ersten Klasse traten zu Ostern in die Selekta ein, und von diesen gingen 3 schon zu Michaelis wieder ab. Die übrigen drei hielten bis zum Schluß des Jahres aus und bewiesen sowohl durch ihre tüchtigen Leistungen als durch ihr ganzes Wesen aufs neue, wie notwendig und nützlich gerade dieses zehnte Schuljahr für die Ausbildung der Mädchen ist, und wie unrecht so viele Eltern tun, wenn sie ihre Töchter, ohne dass diese zu Hause  nötig gebraucht werden, schon nach dem 9. Schuljahr aus der Schule nehmen…